„Ich habe mir gedacht, das wird eine Aktion für ein bis zwei Jahre.“ Tja, falsch gedacht. Niemals hätte Helmut Obermayr, Journalist und ehemaliger Intendant des ORF-Landesstudio Oberösterreich, damit gerechnet, dass das Friedenslicht zu einer Institution in der heutigen Dimension wird.
Die Idee dazu kam 1985 von einer Hörerin, die vorschlug, allen Spenderinnen und Spendern der Aktion „Licht ins Dunkel“ mit einem Licht zu danken.
Es sollte aber nicht irgendeines, sondern ein besonderes sein, erinnert sich Obermayr, der mittlerweile 74 Jahre alt und in Pension ist.
Schnell war klar: Das Licht sollte aus Bethlehem, Jesu’ Geburtsort, kommen. „Das war eine verrückte Idee und wir hatten keine Ahnung, wie kompliziert das werden würde“, so Helmut Obermayr.
Die Mission war klar: „Der Sinn von Weihnachten ist es unter anderem, die Botschaft des Friedens weiterzugeben.“ Am Höhepunkt des Kalten Kriegs sollte damit 1986 ein besonders starkes Zeichen gesetzt werden.
Zufall & Glück
Alles spielte zusammen und ein bisschen Glück war auch dabei. So gelang es einer Delegation aus Oberösterreich schließlich, das Licht aus der Geburtsgrotte mitzubringen. Nachdem ein israelisches Fernsehteam vor Ort gefragt hatte, was denn hier passiere, konstatierte es nach der Erklärung nur: „It’s crazy!“
Verrückt ist es jedes Jahr wieder, dass das Licht im Flugzeug nach Österreich reisen darf. In einer Speziallampe in der letzten Reihe, gut beobachtet vom Fachpersonal an Bord, wird es transportiert.
2022 war die damals 12-jährige Sarah Noska ausgewählt worden. Ihre Geschichte ist berührend. Die Schülerin fiel positiv auf, weil sie sich neben der Verteilung des Friedenslichtes auch um eine ukrainische Mitschülerin kümmert und sehr hilfsbereit ist.
Das Mädchen erklärt: „Durch unsere ukrainische Mitschülerin erleben wir hautnah, was es bedeutet, keinen Frieden zu haben. Deswegen ist dieses einfache Zeichen des Friedenslichtes als Erinnerung auch jedes Jahr so wichtig.“ Dabei hat Sarah selbst genug erlebt: Ihre Mutter starb 2021, sie lebt mit ihrem Vater und in ihrer Schwester in Altenberg bei Linz.
Geschichte & Politik
Aufgrund der politischen Lage in Israel war es heuer nicht möglich, ein Kind samt Delegation nach Bethlehem zu schicken. Deswegen wurde das Licht von einem Kind vor Ort entzündet, aufgrund des eingeschränkten Flugverkehrs in Tel Aviv nach Amman gebracht und in Österreich von Michael Putz aus Steyr übernommen.
Der 10-Jährige durfte die Aufgabe heuer wahrnehmen, weil er sich regelmäßig bei den Pfadfindern, bei der Jungfeuerwehr und bei den Ministranten engagiert. Er sagt: „Ich kenne das Friedenslicht von klein auf, weil es bei uns in der Familie zu Weihnachten dazu gehört.“
Seit ihrer Ankunft in Wien wird die Flamme nun im ganzen Land verteilt. Und nicht nur hier: Das Symbol des Weihnachtsfriedens ist mittlerweile weltweit zum Brauchtum geworden. Heute leuchtet es in Europa, in den USA und in einigen Ländern Südamerikas.
Kurz bevor der Weihnachtsverkehr bei den ÖBB beginnt, hat am 21. Dezember das Friedenslicht noch einen der begehrten Plätze im Railjet ergattert. Von Linz ist das Feuer, unter Aufsicht des Zugbegleiters, zum Wiener Hauptbahnhof gebracht worden. Gemeinsam mit der Jugendfeuerwehr wurde das Flämmchen um kurz nach 9 Uhr auf Gleis 10 von der ÖBB-Vorständin Silvia Angelo entgegengenommen. Von dort aus wurde das Licht – durch die Securitys, die darauf achten, dass es durchgehend brennt – auf die Wiener Bahnhöfe verteilt. Interessierte können sich ihr Friedenslicht heute, 24. Dezember, unter anderem am Bahnhof Meidling, Wien-Mitte, Westbahnhof und am Hauptbahnhof abholen.
Unmittelbar nach der Wende 1989 wurde unter anderem von den Menschen in den osteuropäischen Nachbarländern begeistert aufgenommen. So wurde es etwa 1989 direkt an der Berliner Mauer weitergegeben. Und auf dem Hauptplatz von Budweis begrüßten es damals 10.000 Menschen als Sinnbild der neuen Nachbarschaft und Verbundenheit.
Papst & Fürst
In der Schweiz hat das Friedenslicht seit 30 Jahren eine besonders starke Tradition, heuer kam Monaco hinzu: Michael Putz reiste mit dem oberösterreichischen Landeshauptmann Thomas Stelzer gemeinsam ins Fürstentum, um Albert und Charlène ein Licht zu bringen.
Die beiden sind nicht die ersten und nicht die letzten in einer Reihe prominenter Persönlichkeiten, die das Friedenslicht im Laufe der Jahre empfangen haben: darunter sind unter anderem die Päpste Franziskus, Benedikt XVI. und Johannes Paul II., die Politiker Vaclav Havel, Helmut Khol und Michail Gorbatschow und die österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil, Heinz Fischer und Alexander van der Bellen. Selbst im Fernsehen ist das Licht bei der Eurovisionssendung „Das Adventsfest der 100.000 Lichter“ präsent und wird dort unter anderem an Schlagerstar Florian Silbereisen überreicht.
„Wir wussten relativ schnell: Es geht nicht nur darum, das Licht für uns selbst, für die Spenderinnen und Spender, zu holen, sondern es geht auch darum, es an andere weiterzugeben.“ Die Resonanz aus der Bevölkerung war von Anfang an groß.
Das passiert nun jedes Jahr am 24. Dezember. Das Friedenslicht wird in allen ORF-Landesstudios, auf allen besetzten Bahnhöfen, in allen Rotkreuz-Dienststellen, bei vielen Feuerwehren und auch in vielen Kirchen ausgegeben.
Im Großen & Kleinen
Dass aus dem Friedenslicht so eine große Initiative und Bewegung werden würde, konnte niemand ahnen.
Dabei wirkt das Licht für einzelne oft im Kleinen, im Privaten: „Am meisten hat es mich immer berührt, wenn mir Menschen von den Auswirkungen des Friedenslichts in ihrer Umgebung erzählt haben“, erinnert sich Initiator Helmut Obermayr an seine aktive Zeit: „Da gab es Menschen, die hatten das ganze Jahr über Streit mit ihrer Familie oder ihren Nachbarn. Und am 24. Dezember haben sie sich das Friedenslicht geholt, sich ein Herz gefasst und genau diesen Leuten das Licht weitergegeben. Das hat oft viel Positives ausgelöst.“
Helmut Obermayr holt sich sein ganz persönliches Friedenslicht heute am Friedhof. „Ich stelle es dann vor meine Haustüre. Und ich gebe es natürlich auch weiter.“
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