Ein kleiner Fuchs als Gefährte im Krieg: Das Leben von Franz Streitberger

Franz Streitberger als junger Mann mit seinem Motorrad. Er wurde 99 Jahre alt   
Im Film „Der Fuchs“ erzählt Adrian Goiginger, wie ein zugelaufenes Tier seinem Urgroßvater ein treuer Begleiter wurde. In einem Buch zeichnet er nun die ganze Lebensgeschichte Franz Streitbergers nach

Da kommt ein kleiner Fuchs daher, auf einem Feld. Ein junger Hund, hatte ich zuerst gemeint. Der ist auf mich zugegangen und hat immerzu eine seiner Pfoten nachgezogen. Was ist denn da los?

Das Historiendrama „Der Fuchs“ um den jungen Soldaten Franz Streitberger, der in einem zugelaufenen Tier einen treuen Begleiter fand, wurde 2023 zum vielfach ausgezeichneten Kinoerfolg

Dahinter steht Regisseur Adrian Goiginger: In „Die beste aller Welten“ erzählte er über das Aufwachsen mit seiner drogensüchtigen Mutter, in „Der Fuchs“ die Lebensgeschichte seines Urgroßvaters Franz Streitberger.

Ein kleiner Fuchs als Gefährte im Krieg: Das Leben von Franz Streitberger

Adrian Goiginger, Regisseur und Autor 

Doch wie viel im Film entsprach den Tatsachen, was ist Fiktion? Antworten darauf finden sich im neuen Buch „Franz“, in dem Goiginger das Leben seines Urgroßvaters aufarbeitet.

Entbehrungen und Grausamkeiten

Doch das Buch erzählt nicht nur die Geschichte eines Mannes; es erzählt über die Entbehrungen der Zwischenkriegszeit sowie über die Grausamkeiten im Zweiten Weltkrieg. Dahinter steckt aufwendige Recherche: „Ich habe mit Verwandten gesprochen, Seniorenheime abgeklappert, Gemeindeprotokolle nachgelesen“, so Goiginger.

Zur Welt kam Franz Streitberger 1917, kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs. Er war eines von zwölf Kindern einer bitterarmen Familie, die auf einem Bergbauernhof im Pinzgau lebte. Es fehlte an Essen, an Schuhen für die Kinder. Und die Inflation war enorm: Allein eine Kartoffel konnte plötzlich das 40-Fache kosten.

Wie viele andere Bauern mussten die Streitbergers ihren Hof aufgeben. Doch die Not nahm kein Ende. Die Kuh konnte die Familie nicht verkaufen, die war nur geliehen. Daher musste Franz gehen: Als Elfjähriger wurde er weggegeben, er musste als Knecht am Hof einer wohlhabenderen Familie arbeiten. 

Wie er diesen Einschnitt verkraftete? „Darüber hat er nie gesprochen. Das ist einer der blinden Flecken in seiner Biografie“, erzählt Goiginger.

Mit 18 zum Bundesheer

Mit 18 Jahren ging Streitberger zum Bundesheer – endlich Arbeit, Lohn und Aussicht auf bessere Zeiten, war seine Hoffnung, wie im Buch nachzulesen ist. Seine Leidenschaft war sein Motorrad, das er sich vom Mund absparte.

Ein kleiner Fuchs als Gefährte im Krieg: Das Leben von Franz Streitberger

Im Alter lebte Streitberger in einem Seniorenheim

Ebenso lernte er seine große Liebe, seine Frau Susi, kennen. Wahrscheinlich hat sie mich nur wegen meinem Motorradl mögen, scherzte er oft.

Doch es kamen keine besseren Zeiten, es kam der Krieg. „Damals war er eher unpolitisch“, erzählt Goiginger. Lange habe sein Urgroßvater nicht über die Zeit gesprochen. „Erst mit 80 hat er damit angefangen. Mit entwaffnender Ehrlichkeit und ohne Pathos.“ 

Angst, Kriege, Verfolgung und Tod

Ja, viele hätten sich damals über Hitlers Ankunft gefreut: Man hoffte, jeder werde bald Arbeit haben, erzählte Streitberger. Stattdessen gab es Angst, Krieg, Verfolgung und Tod.

Auch Streitberger musste zur Wehrmacht einrücken. Davor zerlegte er sein Motorrad und versteckte es unter dem Heu bei einem Bauern.

Es folgten Jahre, in denen das Überleben oft nur Glückssache war. Im Film steht seine Beziehung zu einem Fuchs zu jener Zeit im Mittelpunkt, der ihm 1941 zugelaufen war. Der Welpe hatte sich die Pfote gebrochen, der Kompaniearzt legte ihm einen Gipsverband an. 

Ein Buch über die Schrecken jener Zeit

Ein ganzes Jahr lang wich das Tier Streitberger nicht von der Seite. Beim Filmdreh kamen übrigens sechs Füchse (vier Welpen und zwei ausgewachsene Tiere) zum Einsatz, verrät Goiginger. Das Buch wiederum beleuchtet vor allem die Schrecken, die die Menschen jener Zeit erlebten.

Unversehrt blieb während des Kriegs nur das Motorrad. Nach seiner Rückkehr baute Streitberger es wieder zusammen. Und auch mit Susi baute er sich ein Leben auf, er ging zur Eisenbahn, gemeinsam zogen sie die Kinder groß.

Wie war er als Mensch? Sparsam, stolz, humorvoll, beschreibt sein Urenkel. „Er hat auch nie wild gelebt, nicht geraucht oder getrunken.“ Zentral war seine Tierliebe – er tat buchstäblich keiner Fliege etwas zuleide: „Da hat er wirklich geschimpft, wenn wir eine erschlagen wollten“, sagt Goiginger und lacht.

Und er war schweigsam und bescheiden. Er war, heißt es im Buch, stets überzeugt, eigentlich gar nichts zu erzählen zu haben. Streitberger starb 2017, zwei Wochen vor seinem 100. Geburtstag. Und er hinterließ einen Filmerfolg – und nun auch ein Buch:

Adrian  Goiginger, Walter Müller:
„Franz. Die Geschichte meines Urgroßvaters“; Verlag Anton Pustet; 144 Seiten; 28 Euro.

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