Regisseur Goiginger: Nur der Fuchs rührte den Uropa zu Tränen
Eine Geschichte aus seiner eigenen Familie war für Adrian Goiginger der Türöffner in die Filmwelt. In „Die beste aller Welten“ schilderte er autobiografisch das Aufwachsen bei einer heroinsüchtigen Mutter. Danach nahm sich der Salzburger der Geschichte seines Urgroßvaters Franz Streitberger an.
„Es war tatsächlich die allererste Filmidee, die ich hatte“, sagt Goiginger. „Als ich vierzehn war, hat er angefangen, mir von seiner Kindheit zu erzählen, seiner Jugend in der Zwischenkriegszeit und vom Krieg. Als er von dem Fuchswelpen erzählt hat, den er als Soldat in Frankreich gefunden hat und bei sich hatte, hat mich das richtig gepackt. Das war das erste Mal, dass ich meinen Uropa richtig emotional erlebt habe. Obwohl das schon siebzig Jahre her war, hat ihn das noch immer zu Tränen gerührt.“ Ansonsten sei Streitberger, der beinahe 100 Jahre alt wurde, schwer zugänglich und introvertiert gewesen.
* Am Ende des Textes finden Sie die vollständigen Interviews mit Adrian Goiginger und Simon Morzé *
Suche nach Gründen
Er habe sich als Teenager immer wieder gefragt: „Wofür muss dieser Fuchs gestanden sein? Was liegt da psychologisch drinnen? Diese Suche nach den Gründen hat alles ins Rollen gebracht.“
Die Umsetzung traute sich Goiginger erst ab 2017 mit dem Rückenwind durch den Erfolg von „Die beste aller Welten“ zu. Manches habe er beim Schreiben fiktionalisiert, „damit es eine runde Geschichte wird.“ Aber die biografischen Daten stimmen, sagt Goiginger. Es begann in bitterer Armut auf einem Bergbauernhof im Pinzgau der 1920er-Jahre, „Er war das jüngste von zehn Kindern, wurde zu einem Großbauern weggegeben, musste dort als Knecht, eigentlich wie ein Sklave, arbeiten. Dann ließ er sich vom Bundesheer anwerben, wurde schließlich Soldat der Wehrmacht. Aus seinen Geschichten hätte ich auch vier Stunden Film machen können.“
Adrian Goiginger
Er sah mit 11 Jahren bei den Großeltern „Forrest Gump“ und beschloss, Filmemacher zu werden. Bereits mit dem Langfilmdebüt „Die beste aller Welten“, gelang dem Salzburger bei der Berlinale 2017 der Durchbruch. Einige Preise später kam 2022 die Mitterer-Bearbeitung „Märzengrund“ (ebenfalls mit Verena Altenberger) in die Kinos
Simon Morzé
1996 als Sohn der Schauspieler Petra Morzé und Stefan Matousch in Wien geboren. Debüt mit zehn im TV-Film „Die Entscheidung“ von Nikolaus Leytner, für den er 2018 auch in „Der Trafikant“ vor der Kamera stand. Seit 2009 als Sohn Jan Schnell in der ORF-Serie „Schnell ermittelt“ zu sehen
Vier Jahre schrieb er an der Geschichte, in der der Umgang des Motorradkuriers mit dem Fuchs mitten in Hitlers Frankreich-Feldzug auch eine Art Spiegelung der Beziehung zum eigenen Vater (gespielt von Karl Markovics) zeigt. „Ich denke schon, dass er es selbst so empfunden hat. Der Fuchs war nur meiner, hat er gesagt. Ich lese da schon heraus, dass er für den Fuchs der Vater war, den er sich selber gewünscht hätte.“
Drehen mit Füchsen Neuland
Ab 2018 wurde mit Tiertrainern gearbeitet, dass ein Fuchs in einem Film eine tragende Rolle spielt, war auch für diese Neuland. Die Tiere mussten auch an das Motorrad gewöhnt werden, in dem Streitberger im Film seinen Fuchs vor den Befehlshabern versteckt. Es gab auch ein militärisches Trainingslager für die Schauspieler. „Das war sehr zeitaufwändig, aber auch nötig, um jene Authentizität zu ermöglichen, die mir wichtig ist“, sagt der 31-Jährige.
Der Film musste – obwohl das unökonomisch ist – weitgehend chronologisch gedreht werden, „weil die Füchse extrem schnell wachsen“, erklärt Goiginger. „Wir hatten insgesamt sechs Füchse, damit wir wenigstens ein bisschen tricksen können. Auf dem Set muss alles auf die Tiere und ihre Trainer abgestimmt werden. Meistens gab es ein ,Closed Set‘, wie wenn man zum Beispiel Sex-Szenen dreht und nur ganz wenig Crew beim Drehen da ist.“
Füchse selbst großgezogen
Hauptdarsteller Simon Morzé hat die Füchse mit großgezogen, damit sie sich an ihn gewöhnen. „Ich habe die Fuchswelpen gleich nach der Geburt getroffen, als sie die Augen noch geschlossen hatten“, erzählt Morzé. „Ich habe sie im Arm gehalten und mit Milch gefüttert, damit sie mich riechen. Ich hab’ sie gestreichelt, wir sind im Wald spazieren gegangen. Das war sehr wichtig. Füchse sind sehr scheu und betrachten alles Neue sehr skeptisch.“
Wenngleich Morzé das militärische Bootcamp als „schon heftig“ beschreibt („Den ganzen Stress hat man uns spüren lassen“), scheint das Dialect Coaching die größte Hürde gewesen zu sein. „Franz ist sehr wortkarg, was auch gut war, weil ich keine großen Monologe im Pinzgauerischen halten musste“, sagt er mit einem Lachen.
„Ich hatte natürlich Respekt davor, jemanden zu spielen, den es wirklich gegeben hat. Adrian hat mir Tonaufnahmen und Fotos gegeben und viel erzählt. Aber er hat auch gesagt: Wir machen unsere Sache, kein Re-Enactment. Das hat mir den Druck genommen. Ich habe mir dann dieses Trauma konkret vorgestellt, das Franz erlebt hat, als er weggegeben wurde zu diesem Großbauern, unter dem er sehr gelitten hat.“
Kein politischer Film
Den Respekt vor dem schwierigen historischen Stoff habe Goiginger durch die lange Recherche verloren, sagt der Regisseur. Er habe viel mit Zeitzeugen und Historikern gesprochen. Das Grauen des Krieges kommt zwar vor, aber es entsteht nie das Gefühl, Franz wäre ernsthaft bedroht.
Das erste Kriegsjahr sei aus seiner Sicht „tatsächlich so“ für den Urgroßvater gewesen, sagt Goiginger. Beim Lesen von Tagebüchern habe er festgestellt: „Die Soldaten haben meistens nicht an große Ideologie gedacht, sondern: Wo schlafen wir morgen? Haben wir was zu essen? Wann sehen wir die Familie wieder?“
Er habe „die klare Entscheidung getroffen, dass ich keinen Kriegsfilm machen will, auch keinen politischen Film. Es sollte die Geschichte eines Menschen erzählt werden, der durch die Beziehung zu diesem Tier den Glauben an das Leben zurückgewinnt.“
KURIER: Wie ist die Idee entstanden, der Geschichte des Urgroßvaters einen Film zu widmen?
Adrian Goiginger: Es war tatsächlich die allererste Filmidee die ich hatte. Als ich vierzehn war, hat mein Urgroßvater angefangen, mir von seiner Kindheit zu erzählen, seiner Jugend in der Zwischenkriegszeit und dann von der Kriegszeit. Als er von dem Fuchs erzählt hat, den er als Welpen im Krieg gefunden hat und bei sich hatte, hat mich das richtig gepackt. Das war das erste Mal, dass ich meinen Uropa richtig emotional erlebt habe. Obwohl das schon siebzig Jahre her war, hat ihn das noch immer zu Tränen gerührt. Ich dachte als Teenager immer: Wofür muss dieser Fuchs gestanden sein? Was liegt da psychologisch drinnen? Diese Suche nach den Gründen hat alles ins Rollen gebracht.
Wieviel an der Story mussten Sie dann fiktionalisieren?
Gewisse Teile musste ich schon fiktionalisieren, damit es eine runde Geschichte wird, vor allem im zweiten Teil. Aber die biografischen Daten stimmen. Er war das Jüngste von zehn Kindern, wurde dann zu einem anderen Bauern weggegeben, hat dort als Knecht, also eigentlich wie ein Sklave, arbeiten müssen. Dann ließ er sich vom Bundesheer anwerben, nach dem Anschluss war er dann Soldat der Wehrmacht. Das schwierigste am Schreiben war tatsächlich das Weglassen. Aus den Geschichten, die er mir erzählt hat, hätte ich auch vier Stunden Film machen können. Aber ich wollte mich auf die Geschichte des Verlassenwerdens konzentrieren. Vier Jahre habe ich daran geschrieben.
Wie waren die Gespräche mit dem Urgroßvater?
Der Zeitraum unserer Gespräche umfasste 12-13 Jahre, vieles habe ich auf Tonband aufgenommen, mit dem Diktiergerät. Ich konnte so immer mehr reintauchen in diese Geschichte. Zwei Wochen vor seinem 100. Geburtstag ist er dann gestorben, er war aber bis zum Ende geistig immer topfit. Er hat wie ein wandelndes Lexikon erzählen können. Je älter er wurde, desto mehr war es ihm ein Bedürfnis von seinem Leben zu erzählen.
Die Arbeit mit dem Fuchs hat lange Vorbereitungen erfordert. Was musste getan werden?
Das war wahnsinnig aufwendig. 2018 haben wir begonnen, mit Tiertrainern zu arbeiten. Mit insgesamt sechs Füchsen. Simon Morzé hat die Füchse mit großgezogen und ihnen auch das Flascherl gegeben, damit sie sich an ihn gewöhnen. Wir mussten sie auch an die Motorräder gewöhnen, damit sie beim Dreh keine Angst haben. Simon hat auch den pinzgauerischen Dialekt erlernen müssen. Dafür war er vier Monate lang auf einem Bergbauernhof und hat dort auch mitgearbeitet. Es gab auch ein militärisches Trainingslager für die Schauspieler. Das war sehr zeitaufwendig, aber auch nötig, um jene Authentizität zu ermöglichen, die mir wichtig ist.
Wie hat sich die Corona-Zeit auf den Dreh ausgewirkt?
Eigentlich wollten wir 2020 drehen. Wegen Corona mussten wir um ein ganzes Jahr auf das Frühjahr 2021 verschieben. Es geht nur zu dieser Jahreszeit, weil Füchse nur im Frühling zu Welt kommen und wir brauchten sie in dieser frühen Phase. Teilweise waren wir nahe am Nervenzusammenbruch. Dazu kam noch die Bürokratie, beim Drehen in mehreren Ländern in der Corona-Zeit, das war schon arg.
Wie wirkt sich das Drehen mit Wildtieren auf das Drehen aus?
Wir haben den Film dann fast chronologisch gedreht, weil die Füchse extrem schnell wachsen und alt werden. Das war eigentlich total unökonomisch, aber wir wussten, das müssen wir so machen. Wir hatten mehrere Füchse, damit wir wenigstens ein bisschen tricksen können. Auf dem Set muss alles auf die Tiere und ihre Trainer abgestimmt werden. Meistens gab es ein „Closed Set“, wie wenn man zum Beispiel Sex-Szenen dreht und nur ganz wenig Crew beim Drehen da ist.
Braucht man da immer einen Plan B?
Wenn der Tiertrainer sagt: Heute mag er nicht, dann heißt das eigentlich: Drehschluss, machen wir morgen weiter. Man braucht ein bisschen Flexibilität. Es gibt zum Beispiel eine Szene, bei der der Fuchs im Hintergrund einschläft und Franz währenddessen einen Brief schreibt. Das war nicht so geplant. Als wir gesehen haben, dass er eingeschlafen ist, haben wir uns schnell hineingeschlichen und Simon hat zu schreiben begonnen.
War viel Überzeugungsarbeit bei den Finanzierungspartnern und Fördergebern notwendig?
Ja. Ich hab meinen Produktionspartnern aber gesagt, dass es ein schwieriges und anstrengendes Projekt wird. Sie haben gewusst, worauf sie sich einlassen. Es hat sich daraus aber wirklich ein gemeinsamer Abenteuergeist entwickelt. Jeder hat gewusst, es wird zäh, aber wenn wir es dann schaffen, dann haben wir etwas geschaffen, was noch keiner so gemacht hat. Es gab vorher, glaube ich, keinen Film mit echten Füchsen, die quasi eine Hauptrolle spielen.
War das für die Tiertrainer auch etwas Neues?
Herbert Pecher hatte schon Fuchsdreherfahrung, aber nicht in diesem Ausmaß. Bei uns ist ja in zwei Drittel des Filmes in jeder Szene ein Fuchs zu sehen.
Wann war klar, dass Sie diesen Film auch stemmen können?
Machen wollte ich ihn seit dem Teenager-Alter. Dass ich ihn auch machen kann, dieses Gefühl hatte ich erst nach „Die beste aller Welten!, weil danach einfach ein enormer Rückenwind da war. Diese offene Tür wollte ich nützen.
Wie groß war der Respekt vor dem schwierigen historischen Thema?
Den Respekt vor dem historischen Stoff hab ich eigentlich durch die lange Recherche verloren. Ich habe viele Tagebücher und Briefe gelesen, mit fünfzig Zeitzeugen geredet, mit Historikern zusammengearbeitet. Ich habe die klare Entscheidung getroffen, dass ich keinen Kriegsfilm machen will, auch keinen politischen Film. Es sollte die Geschichte eines Menschen erzählt werden, der durch die Beziehung zu diesem Tier den Glauben an das Leben zurückgewinnt, darauf haben wir fokussiert.
Das Grauen des Krieges kommt zwar vor, aber es entsteht nie das Gefühl, Franz wäre ernsthaft bedroht. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Das erste Kriegsjahr war tatsächlich so. Es ist vergleichsweise schnell gegangen, Frankreich einzunehmen, im Vergleich zu dem Abnützungskrieg im Ersten Weltkrieg, das wollten wir aus der Sicht eines einfachen Soldaten abbilden, wie es eben war. Beim Lesen der Soldaten-Tagebücher habe ich festgestellt: Die Soldaten haben meistens nicht an die große Ideologie gedacht, sondern: Wo schlafen wir morgen? Haben wir etwas zu essen? Wann sehen wir die Familie wieder? Das waren die Themen, die den Alltag bestimmt haben. Durch die starke Perspektive auf einen einzelnen Soldaten hat es sich ergeben, dass wir uns darauf konzentrieren.
Der Russlandfeldzug ist in der österreichischen Kriegs- und Nachkriegsgeneration ein großes Thema gewesen. Warum haben Sie das ausgespart?
Der rote Faden war einfach die Beziehung zum Fuchs - und der war dann, als mein Uropa nach Russland verlegt wurde, nicht mehr dabei. Daraus ergab sich auch die Entscheidung, zu sagen: Weniger ist mehr.
Wo war Ihr Großvater überall im Einsatz?
Er kämpfte dann 1942/43 in Nordafrika unter Rommel, 1943 in Italien, 1944 wieder in Frankreich und wurde dann 1945 in Holland gefangen genommen.
Der Rhythmus des Films ist eher langsam. Musste man daher auch auf die Schilderung mancher Zeitabschnitte verzichten?
Das ist auch dem Umstand geschuldet, dass Franz Streitberger immer eher ein introvertierter Mensch gewesen ist und nicht sehr gesellig. Es geht im Film viel um Nicht-Kommunizieren und seine Einsamkeit, das Verlassenwerden. Das kann man gut einfangen, indem man sich Zeit lässt. Wir hat Ihre Familie auf den Film reagiert? Die Reaktionen der Familie sind bis jetzt sehr positiv und emotional. Alle haben gesagt, der Uropa ist gut getroffen, vor allem das Introvertierte, sein Einzelgängertum.
Es ergibt sich im Umgang mit dem Fuchs auch eine Art Spiegelung der Beziehung zum eigenen Vater. Hat das ihr Urgroßvater auch so gesagt?
Ich denke schon, dass er es selbst so empfunden hat. Der Fuchs war nur meiner, hat er auf einer Aufnahme, die auch im Film gezeigt wird, gesagt. Ich lese da schon heraus, dass er für den Fuchs der Vater war, den er sich selber gewünscht hätte.
Sie schildern auch eine Beziehung zu einer Französin in der Normandie. Beruht das auch auf historischen Berichten?
Ich bin überzeugt davon, dass ganz oft, wenn sich die Menschen gegenüberstehen und in die Augen schauen, das Menschliche stärker ist. Es ist auch kein Geheimnis, dass es mehr als 200.000 Kinder gab, die von deutschen Soldaten und Französinnen gezeugt wurden. Oft ist es diesen Frauen dann sehr schlecht gegangen. Sie wurden als Kollaborateure gesehen und es wurden ihnen zum Teil die Haare geschoren. Ich denke, dass die wahnsinnig diabolischen Nazi-Generäle viel stärker von Ideologie getrieben waren, als der einfache Soldat. Mein Urgroßvater war später Kreisky-Fan und Sozialdemokrat und ist mit sich selbst hart ins Gericht gegangen. Mir ging es darum, zu zeigen, dass es letztendlich um Menschen geht. Mich hat auch der STS-Song „Großvater“ inspiriert, wo sich ein Österreicher und ein Russe im Krieg gegenüberstehen.
Wie war es, mit den Kindern zu drehen?
Geschildert wird ja eine Zeit tiefer Armut. Das zu drehen hat eigentlich fast am meisten Spaß gemacht. Es war eine wunderbare Herausforderung, diese alte Zeit wiederherzustellen. Dieses wenig reden, vieles über Blicke und Gesten zu erzählen. Diese Situation, aus der Franz als Kind herausgerissen wird. Ich habe einen tollen Kinderdarsteller gefunden, den Maximilian Reinwald aus Saalbach Hinterglemm. Er ist auch am Berg aufgewachsen. Vor Karl Markovics, der seinen Vater gespielt hat, hab ich größten Respekt. Er ist total sensibel, sehr emotional.
Der Dialekt ist wahrscheinlich in vielen Ländern gar kein Problem, weil ohnehin untertitelt wird. Aber wie wird so ein Film in Deutschland aufgenommen?
Die Sprachbarriere ist tatsächlich recht groß, auch in Deutschland wird der Film komplett mit Untertiteln laufen. Es ist unberechenbar, wie das aufgenommen wird. Mir ist die Authentizität enorm wichtig. Synchronisiert wird daher nix, das habe ich verbieten lassen. (Lacht)
Wie ordnen Sie ihr jüngstes Projekt „Rickerl“ in Ihrer Karriere ein?
Meine drei ersten Filme waren recht schwer, es ging doch um menschliche, sehr persönliche Tragödien. Das hat mich schon ein bisschen runtergezogen, das macht ja auch etwas mit einem. Jetzt wollte ich bewusst einen Genrewechsel machen und hab mit Voodoo Jürgens als Beislmusiker meine erste Komödie gemacht. Auch wieder mit starkem Dialekt, diesmal dem Wienerischen. Es geht um lustvolles Scheitern.
Wie sind Sie auf Voodoo Jürgens gekommen?
Ich habe seine Musik gehört, und war begeistert von seiner sehr bildhaften Art, Lieder zu schreiben, seine Songs sind auch sehr filmisch. Wir haben uns dann, nach einer Anfrage bei seinem Management, getroffen und ausgetauscht, gemeinsam haben wir dann eine Geschichte entwickelt. Das war sehr angenehm und hat viel Spaß gemacht.
("Rickerl" soll Ende des Jahres in die Kinos kommen, Anm.)
KURIER: Wie haben Sie sich auf dieses anfordernde Projekt vorbereitet?
Simon Morzé: Adrian Goiginger hat mir sofort klar gemacht: Wenn du bei diesem Projekt dabei bist, musst du wissen, dass sich sehr viel fordere in Bezug auf die Vorbereitung. Ich war vier Monate auf einem Bergbauernhof, habe dort Pinzgauerisch gelernt, die Arbeit am Bauernhof erlernt. Dann hatten wir zu sechst eine Woche ein Militär-Bootcamp, der gesamte Kreis an Soldaten um Franz, weil wir alle entweder untauglich oder beim Zivildienst waren. Das wurde uns in einer Woche vom Offizier des Bundesheeres beigebracht. Das war schon alles sehr intensiv. Dann war ich sehr früh und oft bei den Füchsen, auch direkt nach der Geburt bei den kleinen Welpen, damit sich die an mich gewöhnen. Ich habe viel Tagebuch geschrieben und viele Tagebücher gelesen, und habe mich mit Adrian über die Lektüre zu dieser Zeit ausgetauscht.
Wie kann man sich vorstellen, sich mit einem Fuchs anzufreunden? Wie viel Zeit hat das beansprucht?
Ich bin zum Tiertrainer gefahren, er hat die Füchse alle bei sich. Ich bin schon Jahre vor dem Dreh bei ihm gewesen, auch beim Casting war er ein Entscheidungsträger, ob ich die Rolle bekomme oder nicht. Er musste sagen: Kann der Schauspieler mit den Füchsen? Und das hat geklappt. Die Annäherung findet so statt, dass man viel Zeit mit den Füchsen verbringt. Wir haben die Motorradszenen, wo ich den Fuchs bei mir habe, geprobt, um ihn auch an das Motorrad zu gewöhnen. Ich hab die Fuchswelpen gleich nach der Geburt getroffen, als sie die Augen noch geschlossen hatten. Ich habe sie im Arm gehalten und mit Milch gefüttert, damit sie mich riechen. Ich hab sie gestreichelt, wir sind im Wald spazieren gegangen. Das war sehr wichtig, sonst hätte das nicht geklappt. Füchse sind sehr scheu und betrachten alles Neue erst einmal sehr skeptisch.
Sie haben mit sechs verschiedenen Füchsen gearbeitet. Auch um flexibler reagieren zu können?
Die Füchse wachsen irrsinnig schnell und je älter sie werden, desto rötlicher wird das Fell. Wir haben nicht alles chronologisch gedreht und das ist mit Füchsen eine riesige Aufgabe. Jede Drehverzögerung kann dann zur Katastrophe werden. Und deswegen haben wir jeden Fuchs da anders strategisch eingesetzt.
Es wurde auch mit einem Welpen aus Deutschland gearbeitet. Was hatte es damit auf sich?
Es hatte sich beim Drehen etwas verschoben und wir haben gesehen, dass die Füchse von Herbert Pecher schon ziemlich groß sind, die werden wirklich von Tag zu Tag größer. Für die Szene, in der Franz den Fuchs findet, dachten wir, brauchen wir schon noch einen Welpen, der noch jünger ist. Wir haben dann eine Tiertrainerin aus Deutschland gefunden. Die Szenen mit dem neuen Fuchs waren dann ein bisschen anspruchsvoller, weil er mich noch nicht so gut kannte. Der war scheuer als die anderen, aber es hat trotzdem gut funktioniert. Warum ist eigentlich nicht im Pinzgau gedreht worden?Es war ganz schwierig, einen passenden Bauernhof zu finden, weil die Alpen schon so verbaut sind. Überall hat man einen Skilift, Straßen oder Luxushotels im Hintergrund. Im Pongau, in Großarl, hat man noch so einen Hof gefunden, der noch wirklich alt aussieht.
Wie haben Sie dieses Militär-Bootcamp erlebt?
Es war schon heftig. Wir sind da angekommen, da wurden wir erst einmal in einer Reihe aufgestellt. Wir wurden die ganze Woche nur mit unseren Rollennamen angesprochen, auch untereinander sollten wir das so halten. Ich war also nur noch Franz Streitberger. Das war alles gut vorbereitet. Wir haben militärische Abläufe gelernt. Wie man richtig salutiert, und: Wir haben auch gelernt, wie man das 98K-Gewehr, das damals benutzt wurde, auseinandernimmt und wieder zusammenbaut. Wir hatten um sechs Uhr früh Tagwache, Betten machen, Pack-Drills, Nachtmärsche, Übungen im Gelände. Den ganzen Stress hat man uns spüren lassen. Wir hatten auch historischen Unterricht, um das alles einzuordnen. Lernten viel über den Soldatenalltag, die Verpflegung, aber auch, was die schlimmsten Vergehen bei der Wehrmacht waren, Fahnenflucht oder Fernbleiben vom Kampf, was ja auch Franz vorgeworfen wurde. Darauf stand im schlimmsten Fall die Todesstrafe. Er hat also für diesen Fuchs ein ziemlich großes Opfer gebracht. An dieser Stelle einen großen Dank an Thomas Stevic, der alles organisiert und geleitet hat. Es ging glimpflich aus, auch im Film. Der Film spart aber generell die ganz schlimmen Gräuel des Naziregimes aus. Wie stehen Sie dazu? Adrian hat immer gesagt, das ist für ihn kein Kriegsfilm, kein politischer Film, sondern ein emotionales Drama. Es geht um diese Figurenpsychologie von Franz und der Zweite Weltkrieg bildet nur den äußeren Rahmen. Ich habe den Film in Estland bei der Weltpremiere zum ersten Mal gesehen. Wenn man diese Sequenz sieht, wie enthusiastisch Franz dieses Lied mitsingt, als die Nazis Paris eingenommen haben, und wie sich diese Männer wie die Größten fühlen, da wird einem schon flau im Magen. Wenn man sich die ganzen Tagebücher anschaut, kann man das schon so sehen: Du hast da diesen jungen Burschen, der da in absoluter Armut aufwächst, nichts hat, und nichts wert ist. Und dann kommt die einfache Lösung, dann kommt die Propaganda. Ich habe damach noch mehr verstanden, warum diese jungen Männer darauf reingefallen sind. Im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg, wo man mühsam um jeden Meter gekämpft hatte, ging der Frankreichfeldzug sehr schnell. Das löste offenbar eine irrsinnige Euphorie aus, die fühlten sich wie die "Könige Europas". Dann ging es nach Russland und dort erst ist dieses Bild bei den jungen Männern gebröckelt. Ich habe natürlich auch darüber nachgedacht, dass viele Gräuel ausgespart werden. Aber es ist eine Perspektive dieses jungen Mannes, die neu für mich war und von der ich auch viel mitnehmen kann. Wie ist der Kontakt zu Regisseur Adrian Goiginger entstanden?Adrian erzählt gern, dass sein erster Eindruck von Simon Morzé war: Ja, der schaut meinem Urgroßvater ähnlich. Dann hat er erfahren, dass er aus Wien kommt, was schon einmal schlecht ist, dass er keinen Führerschein hat, und, dass er untauglich war. Also die schlechtesten Voraussetzungen für einen, der einen Motorradkurier beim Militär aus dem Pinzgau spielen soll. Den Motorradführerschein habe ich dann gemacht, aber das Pinzgauerisch war auf jeden Fall eine Baustelle. Das fühlte sich für mich wie Spanisch an, ich musste richtiggehend Vokabeln lernen.
Franz wird als sehr ruhiger Mensch gezeichnet, der wenig spricht. Wie spielt es sich, wenn man mit wenigen Worten viel sagen soll?
Stimmt, Franz ist sehr wortkarg, was auch gut war, weil ich keine großen Monologe im Pinzgauerischen halten musste. (Lacht) Die Aufgabe war: Wie kann ich Franz durchlässig zeigen oder wie kann ich kommunizieren, was er empfindet, ohne viel zu sprechen? Ich hatte natürlich Respekt davor, jemanden zu spielen, den es wirklich gegeben hat. Adrian hat mir viele Sprachaufnahmen und Fotos gegeben, hat mir viel erzählt über ihn. Aber er hat auch gesagt, wir machen unsere Sache, kein Re-Enactment. Das hat mir auch den Druck genommen. Ich habe mir dann dieses Trauma konkret vorgestellt, das Franz erlebt hat, als er weggegeben wurde zu diesem Großbauern, unter dem er sehr gelitten hat. Und das hat mir dann beim Dreh geholfen, Franz auch ohne viele Worte greifen zu können. Als er die Französin Marie auf ihrem Bauernhof kennenlernt, übernimmt er plötzlich die Initiative und überzeugt die Nazis, dass bei ihr kein Platz mehr ist.Ich glaube, dass Franz einen starken Beschützer-Instinkt hat. Wenn er Gefühle für jemanden hat, würde er selbstlos alles tun, um ein Tier wie den Fuchs, aber auch um einen Menschen wie Marie zu schützen. Dass sie aufgrund der Sprachbarriere wenig über Sprache kommunizieren, das gibt ihm, glaube ich, Sicherheit, daher ist für Franz auch diese Initiative möglich. Als Marie dann ein bisschen Deutsch lernt und ihn anspricht, ist ihm das schon viel zu viel.
Jetzt hatten Sie nach "Der Trafikant" wieder eine Weltkriegsgeschichte zu spielen. Geht Ihnen das auch sehr nahe?
Die Beschäftigung mit "Der Fuchs" und mit diesem Kapitel der Geschichte, das brennt sich schon ein, man beginnt auch, davon zu träumen. Nach dem letzten Drehtag hab ich gesagt: Jetzt ist einmel so was von Schluss mit dieser ganzen Kriegsthematik, diese Geschichte Österreichs und Deutschlands belastet einen schon sehr. Deshalb bin ich sehr offen dafür, wieder etwas Leichteres zu machen. (lacht)
Ist das Theater für Sie ein Thema?
Ich habe zwei Mal in meinem Leben Theater gespielt, und es hat mir großen Spaß gemacht, aber beim Film fühle ich mich schon mehr zuhause.
Hat das auch etwas mit ihrer Mutter (Petra Morzé, Anm.) zu tun, weil sie viel fürs Theater macht?
Nein, das wäre okay, glaub ich. Ich bin eh schon hoffnungslos in ihre Fußstapfen getreteten, das wäre auch schon wurscht. (lacht)
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