Ein Eremit, der nie einsam ist
Durch dichten Wald und Nebel führt der schmale Weg zur Einsiedelei. Knappe 15 Minuten dauert die kurze Wanderung vom Parkplatz aus. Die Klause, die vor mehr als 350 Jahren hoch über Saalfelden im Salzburger Pinzgau an einen Felsen gebaut wurde, hat seit Mai einen neuen Bewohner.
Einsiedler Stan Vanuytrecht sitzt an diesem Donnerstagvormittag mit drei Gemeindearbeitern vor dem Eingang bei einer Tasse Kaffee. Der Anblick überrascht: Der 59-jährige Belgier trägt keine Kutte, sondern einen Blaumann. "Ora et labora", sagt er. Bete und arbeite.
Während für die Einwohner von Saalfelden der Himmel noch grau ist, blicken die Männer über die Nebelbank hinweg bis zu den schneebedeckten 3000ern der Hohen Tauern. Das herrliche Panorama lockt viele Gäste. "Tagsüber bin ich kein Einsiedler", gibt Bruder Stan offen zu. Die ersten Besucher kommen oft schon in der Früh. Und so mancher habe sich bereits gewundert, dass er um diese Zeit nicht zurückgrüßt. "Mein erstes Wort ist für ihn", sagt Bruder Stan und zeigt in den Himmel.
Die Einsamkeit eines echten Eremiten vermisst der Belgier nicht. Sein ursprünglicher Plan wäre gewesen, in ein Trappistenkloster einzutreten. "Da hätte mir der Kontakt zu den Menschen gefehlt." Wobei das enorme Interesse an seiner Person nach der internationalen Medienberichterstattung "ein bisschen Wahnsinn" gewesen sei. Inzwischen ist wieder Normalität eingekehrt.
Wenig Freude bereiten dem 59-Jährigen Besucher, die "nur zum Saufen" kommen. Seine Vorgänger hätten vom Verkauf von Getränken gelebt, darunter reichlich Bier und Schnaps. Einer davon führte die Einsiedelei vor Jahren quasi als "Wirtshaus", wie sich Einheimische heute noch erzählen. Damit will Vanuytrecht aufräumen. Ab dem kommenden Jahr schenkt er keine Getränke mehr aus. Für die Gäste stellt er dann nur noch Wasser bereit. "Ich bin kein Kellner, ich bin Diakon", sagt Vanuytrecht bestimmt.
"Ort der Stille"
Auch über die Pläne der Stadtgemeinde, im Rahmen des Jazzfestivals im Sommer ein Konzert vor seiner Haustür zu veranstalten, war Vanuytrecht nicht begeistert. "Ich finde, es passt hier nicht, weil es ein Ort der Stille und Besinnung ist." Die Veranstaltung wurde schließlich in ein Gasthaus verlegt.
Heute gibt es wie damals kein fließendes Wasser und keinen Strom. Zwei Mal in der Woche wandert der Einsiedler daher hinunter ins Tal, um seine Einkäufe zu erledigen.
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