Ein Blick hinter den Schalter vom Postamt Christkindl

Ein Blick hinter den Schalter vom Postamt Christkindl
Seit 1950 schicken Kinder Briefe ans Sonderpostamt. Der KURIER hat hinter die Kulissen geblickt und mitgeholfen.

In der Hochphase der Corona-Pandemie war kein Platz für Massenveranstaltungen. Das Brauchtum wurde deshalb in den vergangenen zwei Wintern in die Zwangspause geschickt oder konnte nur unter Auflagen stattfinden. Jetzt erstehen uralte Traditionen wieder auf. Der KURIER widmet diesem Comeback eine Serie, die in loser Folge Folklore von Wien bis Vorarlberg vorstellt.

Vorsichtig fädle ich die Scherenspitze durch das kleine Loch des verschlossenen Briefumschlags. „Ratsch“ macht es, als dieser aufreißt. Das Schreiben, das hervorkommt, ist liebevoll mit Glitzer-Stickern verziert und beginnt – wie so viele, die ich an diesem Tag lese – mit den Worten: „Liebes Christkind ...“

Postamt Christkindl, 4411 Christkindl lautet der Empfänger am Briefumschlag. Es ist die Adresse des Sonderpostamts Christkindl, das es seit 1950 in Oberösterreich bei Steyr gibt.

Ein Blick hinter den Schalter vom Postamt Christkindl

Versteckt und unscheinbar hinter einer Wallfahrtskirche weist – wie sollte es für die Post anders sein – ein schwarzer Pfeil auf gelbem Hintergrund darauf hin. Renate Rebhandl leitet es. Sie steht im Keller des Wirtshauses, wo sich die Post eingemietet hat.

Darin stapeln sich orange Kisten mit vielen Briefen. Zusammengeräumt wirkt es nicht und dennoch hat alles seinen Platz. Auf einem Tisch sitzen die Mitarbeiter und öffnen die Briefe ans Christkindl – darunter ich.

Briefe aus aller Welt

Jeden Tag würden mindestens 100 ankommen – sie stammen aus aller Welt: Europa, Asien, Amerika.

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Briefe aus der ganzen Welt

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Begehrter Poststempel

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Renate Rebhandl leitet das Amt

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Das Sonderpostamt

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Brief für Brief

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Ein Poststempel mit Mehrwert

„Ich frage mich immer, von wo die wissen, dass es uns gibt“, sagt Rebhandl, während sie Schnuller vom Tisch nimmt. „Die hat ein Mädchen dem Christkindl geschickt, weil sie sie nicht mehr braucht“, erzählt Vivienne, die neben einem Stapel Zeichnungen Briefe beantwortet. Denn man muss verstehen: Die Kinder, die an diesen Ort schreiben, glauben wirklich, dass dort das Christkind wohnt.

Genauso ernst muss man deshalb auch ihre Wünsche nehmen: Marie will ein Puppenhaus, Tom eine Carrera-Rennbahn, Manuel ein Geschwisterchen und Hanna Freunde, weil sie umgezogen ist.

Ein Blick hinter den Schalter vom Postamt Christkindl

„Einmal hat sich ein Bub für seine Mama einen Mann gewünscht, der aussieht wie Brad Pitt“, erinnert sich Michaela Pölz und lacht. Dass die Wünsche in Erfüllung gehen, kann man nicht garantieren, aber dass jedes Kind eine Antwort erhält.

Sammler mit Durchblick

Michaela ist Expertin, wenn es um Philatelisten geht. Denn neben Kindern schicken auch Briefmarkensammler Post nach Christkindl. Die Marken und Stempeln, die sie dort bekommen, sind besonders, hat das Postamt doch nur in der Weihnachtszeit geöffnet: heuer vom 25. November bis 6. Jänner.

Ein Blick hinter den Schalter vom Postamt Christkindl

Für jeden Tag gibt es einen eigenen Stempel mit aktuellem Datum, und davon wieder zwei unterschiedliche (1 und 2) und diese wiederum in mehrfacher Ausführung – man merkt: Es ist kompliziert. Doch die Sammler haben den Durchblick, schicken Vorlagen, wie sie ihre Karten abgestempelt haben möchten, oder kommen direkt mit Aktentaschen zum Schalter, der sich oben in einer mit Tannenzweigen verzierten Holzhütte befindet.

Insgesamt werden dort und im Keller etwa 1,5 Millionen Briefe, Karten und Co. abgestempelt. Jeder schön per Hand. Der Selbstversuch: Ein paar Mal in ein (gutes) Stempelkissen eintauchen und dann mit gleichmäßigem Druck so stempeln, dass ein Teil der Marke überstempelt ist. Die Christkindl der Post haben dafür ein besseres Händchen als ich.

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