Dschihadisten: U-Haft als Radikalisierungs-Problem

Mehr Dschihadisten hinter Gittern
Für eine Studie wurden 39 mutmaßliche Dschihadisten hinter Gittern befragt. Vereinzelt haben sie Zugang zu Mobiltelefonen und Kontakt zu IS.

"Die weit verbreitete Ansicht lautet: Man geht als radikaler Dschihadist ins Gefängnis und kommt als liberaler Demokrat wieder heraus. Doch das ist eine Illusion", sagt Experte Thomas Schmidinger. Gemeinsam mit Veronika Hofinger vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie hat er für eine aktuelle Studie über die Radikalisierung im Gefängnis 39 (mutmaßliche) Dschihadisten in 14 österreichischen Haftanstalten ausführlich befragt.

Isolierung und Koran

Fazit: Das Justizministerium tut einiges, aber es gibt auch Probleme. So ist besonders die U-Haft eine Herausforderung. Hier werden die Verdächtigen eher isoliert, gleichzeitig nutzen diese die Zeit alleine, um den Koran zu studieren und sich teilweise weiter zu radikalisieren, sagt Hofinger. Dazu kommt, dass die Szene von außerhalb den Kontakt mit ihnen ablehnt, um nicht selbst ins Visier zu gelangen (nur vereinzelt gibt es Kontakt über eingeschmuggelte Handys zum IS). In dieser Isolation steigt der Wutpegel. Außerdem sind sich die Dschihadisten keiner Schuld bewusst, was die Situation noch verschärft. Dazu dauert bei Dschihadisten die Untersuchungshaft wegen der schwierigen Ermittlungen meist länger.

Dschihadisten: U-Haft als Radikalisierungs-Problem
Thomas Schmidinger
Zwar arbeitet hier der Verein "DERAD", der sich auf die Deradikalisierung spezialisiert hat, allerdings fehlen etwa islamische Seelsorger. Diese könnten auf die wenig religiös gefestigten Dschihadisten einwirken. Problematischer sind die "Hass-Prediger". Diese wären schwer zu deradikalisieren, die meisten von ihnen (wie Mirsad O.) sitzen noch in U-Haft. Die Studie kann also nicht wirklich abbilden, was passiert, wenn Personen mit einer derartigen Strahlkraft dann in die normale Haft überstellt werden, wo sie weit mehr Kontakt mit Mithäftlingen haben.
Dschihadisten: U-Haft als Radikalisierungs-Problem
Veronika Hofinger
"Der beste Weg zur wirksamen Deradikalisierungen ist es, diese Leute weder zu erheben noch zu erniedrigen, sondern normal zu behandeln wie die anderen Häftlinge", meint Hofinger. Die Studie hat gezeigt, wie sich die Lage von Österreich etwa zu Frankreich unterscheidet: Denn der Großteil der Dschihadisten hier hat keine kriminelle Vergangenheit, sondern sitzt erstmals in Haft. Deshalb gibt es bisher kaum Radikalisierung im Gefängnis. Allerdings ist das Problem relativ neu – statt 20 Dschihadisten wie vor rund zwei Jahren, sitzen nun bereits 68 in Haft.

Der Schlusssatz der Studie gibt zu denken: "(...)fast alle, die aus einer Haft wegen §278b (Terrorismus, Anm.) entlassen werden, werden mit Bedingungen konfrontiert, die eine Reintegration in die Gesellschaft verunmöglichen."

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