Der Angeklagte kurz vor dem Eintreten in den Schwurgerichtssaal - alle Kameras sind auf ihn gerichtet
Tag zwei im Prozess gegen einen Deutschen, der Drohmails an Lisa-Maria Kellermayr geschickt hat. Cybersecurity-Spezialistin überrascht mit "Teilgeständnis" in anderem Strang.
Am zweiten Tag geht es am Landesgericht Wels etwas beschaulicher zu. Nur die Polizei ist wieder in voller Stärke erschienen, um die Lage zu sondieren. Und sie spielt am Nachmittag auch im Prozess selbst eine größere Rolle.
Der Staatsanwaltschaft war es wichtig, herauszuarbeiten, dass es die Polizei war, die den in Wels vor Gericht stehenden Deutschen ausgeforscht hatte. Das bestätigte jener Polizist, der im Abschiedsschreiben von Lisa-Maria Kellermayr namentlich angeführt ist.
Die Rolle der Polizei im Fall Kellermayr
Er hat die Anzeige nach dem Schreiben des Angeklagten aufgenommen, ihn ausgeforscht und über Kollegen in Passau einvernehmen lassen. Aber wenn es nach ihm gegangen wäre, gäbe es heute keine Verhandlung.
Denn vor Gericht sagt der Polizist über das Drohmail des Angeklagten, er habe keinen Straftatbestand feststellen können, räumt aber ein: „Ich habe das möglicherweise zu flapsig formuliert.“
Und zwar in der Anfrage an die Staatsanwaltschaft, der er nach Rücksprache mit dem Dienststellenleiter seinen Bericht zur Beurteilung vorgelegt hat. Seine Einschätzung zum Mail habe er Kellermayr gesagt.
Die Staatsanwaltschaft ist allerdings zur Einschätzung gelangt, dass sehr wohl ein strafbarer Tatbestand vorliegen dürfte. Und hat deshalb die Strafverfolgung angeordnet.
Ob er die Ärztin darüber, und dass der Mann ausgeforscht wurde, informiert hat, daran konnte sich der Polizist, der mit der Betreuung des Falls Kellermayr beauftragt war, nicht mehr erinnern.
Ursprünglich war übrigens die Polizeidienststelle in Schörfling am Attersee mit den Drohmails befasst worden, erst im Mai, nach weiteren expliziten Drohung, das LSE. "Spät", meint die Richterin dazu.
„Es war spürbar im Zuge der öffentlichen Diskussion, dass dort ein „G’scher“ herauskommen kann“, erinnert sich ein Gruppenleiter vor Gericht. Deshalb sei der Fall dann auf eine höhere Ebene gehoben worden.
Der ab dem ersten Tag mit dem Fall Kellermayr betrauter hochrangiger Polizist betont allerdings, dass "wir mehr leisteten, als wir können und wollen, aber es war ein Zeichen, das ich setzen wollte, dass wir ihr wirklich helfen wollen. Das war mehr als sonst üblich."
Dann ist der umstrittene Tweet des ehemaligen Polizeisprechers Thema, der Kellermayr vorgeworfen hat, in die Öffentlichkeit zu drängen „Vielleicht könnte sie weniger posten“, habe auch der Polizist vorgeschlagen. "Sie hat es aber als Verpflichtung gesehen, das in die Öffentlichkeit zu bringen“, erinnert sich der Beamte und ergänzt: Das sei der Aufgabe, für ihre Sicherheit zu sorgen, nicht dienlich gewesen.
Was der hochrangige Polizist auch nicht für notwendig gehalten hat: Personenschutz für Kellermayr: "Das wäre für mich übertrieben gewesen."
Den Anfang macht aber die Einvernahme einer Journalistin und angehenden Psychotherapeutin. Sie ist mit ihrer schwerkranken Mutter just in der Zeit, als Kellermayr den Drohungen ausgesetzt war, zu ihr als Ärztin gewechselt. „Ich war extrem zufrieden mit Frau Kellermayr als Ärztin“, erinnert sie sich.
Sie zeichnet das Bild einer völlig verängstigten jungen Frau, das sei aus den persönlichen Gesprächen, auch bei der Zeugin zuhause, herausgekommen.
"Alle Nachrichten gaben ein gesamtes Bedrohungsbild"
Eine Differenzierung zwischen den plastischen Morddrohungen des nicht ausgeforschten "Claas" und jenen des Angeklagten mit dem "Volkstribunal" habe Kellermayr nicht gezogen: "Alle Nachrichten gingen bei ihr in ein gesamtes Bedrohungsbild über – dass jemand in die Ordination kommen könnte, dass sie gefoltert und getötet werde, dass sie vor ein Tribunal gestellt werde."
Die Zeugin erinnert sich an „ihre absolute Angst, vor die Tür zu gehen, sie hat sich nicht mehr getraut, aus dem Haus zu gehen. Sie hat sich ganz wenig beschützt gefühlt. Sie hat die Angst und den Druck nicht mehr ausgehalten.“
Für eine Überraschung sorgt dann die deutsche Cybersecurity-Spezialistin, die die österreichischen Behörden bei der Ausforschung der Drohmailschreiber "unterstützt" hat.
Teilgeständnis im Fall "Claas"?
Zwar geht es in dem Prozess nicht um den Drohschreiber "Claas", über ihn weiß die Zeugin aber Neues: Es gibt einen neuen Ansatz mit einem Teilgeständnis zu "Claas“, mehr können sie dazu nicht sagen, sagt die Cybersecurity-Spezialistin. Teil dieses Verfahrens ist das aber nicht.
Sie hat sich auch mit den Nachrichten des Angeklagten auseinandergesetzt, dieser sei aber durch die Verwendung eines offenen Profils leicht auszuforschen gewesen.
"Drohung mit offener Identität hat ihr Angst gemacht"
Aus der Kommunikation mit Kellermayr über die Nachricht mit dem angedrohten "Volkstribunal" ihr klar gewesen: "Es hat ihr besonders Angst gemacht, dass jemand mit offener Identität diese Drohungen mit dem Volkstribunal schreibt. Die Hemmschwelle ist gesunken, das hat ihr mehr Angst gemacht."
Dass der Angeklagte überzeugt gewesen sei, das Richtige zu tun, könne sie nachvollziehen, stellt aber klar: „In solchen Milieus ist es üblich, ein anderes Verständnis für Gerechtigkeit zu haben.“
Sie habe mehrmals mit dem Angeklagten kommuniziert, er hat von ihr auch eine Entschuldigung für das Veröffentlichen seiner Mails gefordert. Dazu sagt sie deutlich: "Er hat sich selbst in diese Lage gebracht und war kein armer anonymer Account."
Er habe auch ihr gedroht, sie vor Gericht zu zerren: „Bei ihm hat kein Reflektierungsprozess eingesetzt.“
"Dass er sich beschwert, ist schon sehr dreist"
Heute sagt sie: „Vielleicht kann er nachvollziehen, dass es eine Wut auf ihn gibt, nachdem Frau Kellermayr nicht mehr unter uns ist und manche eine Schuld daran haben.“
Der Angeklagte habe den Weg der Drohungen gewählt und sei dabeigeblieben. Dass sie das veröffentlicht habe und sich der Angeklagte dann "beschwert, dass diese Veröffentlichung geschäftsschädigend für ihn waren, ist schon sehr dreist“, hält sie diesbezüglichen Fragen entgegen.
Nach der Einvernahme der Polizisten als Zeugen (siehe oben) wurde die Verhandlung auf den 8. April vertagt.
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