Demnach dürfte die technische Umsetzung ihre Probleme haben. 150 Handys wurden insgesamt bis vergangenen September sichergestellt, in 64 Fällen konnte die Route, in 55 die Identität festgestellt werden. 42-mal scheiterte die Auswertung des Mobiltelefons hingegen völlig.
Herbert Kickl verschärfte Gesetz
Möglich macht das alles ein von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) 2018 durchgebrachtes Gesetz, wonach den Flüchtlingen zwangsweise das Handy abgenommen werden kann. Da solche Zwangsvollstreckungen allerdings in mehreren Ländern von Höchstgerichten als menschenrechts- und gesetzeswidrig erkannt wurden, wollte das Innenministerium diesen Paragraphen 39 (BFA-VG) zunächst nie umsetzen.
"Unter bestimmten Voraussetzungen können Mobiltelefone von Asylwerbern sichergestellt werden, jedoch nur unter strengsten datenschutzrechtlichen Maßnahmen, zur Feststellung von zwei Faktoren", erklärt Sandra Hrastnig vom Innenministerium. "Erstens zur Identifizierung der Identität des Asylwerbers, wenn diese nicht anders festgestellt und verifiziert werden konnte und zur Feststellung der Reiseroute, wenn diese nicht anders festgestellt werden konnte. Außerdem bedarf es dabei immer der Freiwilligkeit und Mitwirkung des Asylwerbers."
Spannend ist laut mehreren Asyljuristen nun eine neue Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom Dezember, der bisher vor allem Politiker betrifft. Demnach ist die Sicherstellung von Mobiltelefonen in Strafverfahren grundsätzlich ohne eine vorhergehende richterliche Bewilligung verfassungswidrig, weil sie gegen das Datenschutzgesetz und das Recht auf Privatleben verstößt.
Sollte also für Flüchtlinge nicht das gleiche Recht gelten wie für Politiker und Journalisten auch?
Doch gesetzeswidrig, wie das Innenministerium vorgeht?
"Das VfGH-Erkenntnis ist auf jeden Fall übertragbar, die geschaffene Gesetzeslage rechtswidrig. Wie auch im Strafverfahren ist hier ein unverhältnismäßiger Eingriff in die verfassungsgeseztlich gewährleisteten Rechte der Betroffenen gegeben und daher unzulässig", sagt Lukas Gahleitner von der Asylkoordination. "Erschwerend kommt dazu, dass der Rechtsschutz für Asylwerber hier eklatant schwach ist: Es ist ja nicht einmal vom Aufgabenbereich der BBU-Rechtsberatung erfasst, die Rechtslage ist daher für die Betroffenen noch schlechter als für Personen im Strafverfahren."
Gahleitner weiter: "Es steht daher außer Zweifel, dass die Behörden die Bestimmungen nicht anwenden dürfen und hier der Gesetzgeber von sich aus tätig werden und die Bestimmung ersatzlos beheben muss. Ich halte die Bestimmung auch deswegen für äußerst schwierig, weil wir aus der Praxis wissen, dass oft auch Handys erst am Fluchtweg erworben oder auch getauscht werden. Die Daten auf den Handys sind daher nur beschränkt aussagekräftig."
Während das Innenministerium keine Auswirkungen durch das VfGH-Urteil erwartet, sehen das auf Asyl spezialisierte Anwälte etwas anders: Danijel Ivkovic von RechtamPunkt sieht "es als wahrscheinlich, dass auch § 39a BFA-VG als verfassungswidrig beurteilt würde". Ähnlich sieht es auch Anwalt Veap Elmazi: "Als Ergebnis wird dieses Erkenntnis auch auf Bestimmungen bezüglich Handyauswertungen von Flüchtlingen anzuwenden sein."
Anwalt Maximilian König hingegen sieht "die Sicherstellung von Mobiltelefonen in Asylverfahren daher im asylrechtlichen Kontext weniger kritisch. Bedenken habe ich persönlich allerdings bei der Möglichkeit der Behörden, eine uneingeschränkte Sicherungskopie herzustellen, denn auch hier gilt, dass Mobiltelefone heutzutage nicht nur ein punktuelles Bild über das Leben eines Betroffenen, sondern einen umfassenden, privaten Einblick in wesentliche Aspekte des bisherigen und aktuellen Lebens der Person geben." Der Jurist betont, dass "von der Sicherungskopie Daten und Informationen betroffen sind, die vollkommen unerheblich für ein Asylverfahren sind."
Verschärfen könnte sich die Situation jedenfalls, fallsdie FPÖ nach der nächsten Wahl wieder das Ruder im Innenressort übernimmt. Dann ist davon auszugehen, dass der Kickl-Paragraph voll umgesetzt wird - und dann alles vor dem Höchstgericht entschieden werden wird.
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