Digitale Revolution im Reich der Pilze
Mit ihren Fähigkeiten sorgen zwei unterschiedliche Persönlichkeiten in der eingeschworenen Schar der Schwammerlsucher für Aufsehen. Da ist einerseits ein 71-jähriger Pfarrer aus Niederösterreich, der kommenden Sonntag seine Passion beim Erntedankfest mit dem traditionellen Schwammerlaltar mit bis zu 80 Pilzsorten zur Schau stellt. Und auf der anderen Seite findet sich ein Linzer IT-Spezialist, der eine Handy-App entwickelt hat, mit der auch Laien in der freien Natur problemlos 3.700 Pilzsorten bestimmen können.
Die Zugänge von Pfarrer Reinhard Kittl in Zell bei Waidhofen/Ybbs und dem IT-Master Sebastian Höbarth zu den Pilzen könnte nicht unterschiedlicher sein. „Ich habe mir Wissen über rund 300 Pilze aus Büchern und aus der Natur angeeignet“, sagt Pfarrer Kittl. Die Schöpfung halte aber an die 4.000 Pilze parat.
Zum 22. und letzten Mal wird er am Sonntag diese Vielfalt mit dem Schwammerlaltar veranschaulichen. Nach 31 Jahren in Zell geht der beliebte Geistliche in Pension. Trotz langer Trockenheit garantiert Kittl wieder einen prallen Pilzaltar. „Ich hab’ schon nachgeschaut, vor allem Herrenpilze gibt’s reichlich“, verrät er. „Der Herr Pfarrer“, sagen Bekannte, „geht nicht Schwammerl suchen, er holt sie einfach“. Seine Fundplätze hält der Pfarrer, gemäß dem ungeschriebenen Gebot der Schwammerlzunft streng geheim.
Künstliche Intelligenz
Daran hält sich Sebastian Höbarth mit der „Pilze 123 App“ gar nicht. Sein Pilz-Lexion verrät dem Nutzer sogar Hunderte öffentliche Fundstellen, wo die begehrten Schwammerl zu finden sind. Das umfangreiche digitale Nachschlagewerk hat am Markt eingeschlagen wie ein explodierender Riesenbovist.
Der Absolvent der oö. IT-Kaderschmiede Hagenberg kreiert professionell App’s. Die Entwicklung des jüngsten Produkts, das in den App-Stores ganz vorne rangiert und 35 Euro kostet, gelang mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und dem Fachwissen des deutschen Pilzexperten Wolfgang Bachmeier. Für die interaktive Pilzbestimmung arbeitete Höbarth 124.000 kategorisierte Pilzbilder ein und trainierte ein „Machine-Learning-Model“.
Die Handhabung der App ist kinderleicht: Der Schwammerlsucher muss den Pilz an der Fundstelle nur mit dem Smartphone fotografieren und erhält prompt umfassende Infos. Dazu werden im Offlinemodus vier bis acht und online 25 Vergleichsbilder für den Pilz geliefert. „Der Vorteil ist, dass ein Pilzratgeber in Buchform meist nur ein Vergleichsbild liefert, die App aber weit mehr“, so Höbarth.
Umfassend informiert die App auch über giftige Pilze. „Die Eigenverantwortung bleibt aber natürlich beim Nutzer“, sagt der App–Master.
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