„Digitale Grundbildung“: Trumps Tweets im Unterricht
Politiker, die Nachrichten über Twitter verbreiten, Gruppen, die im Netz bewusst Falschnachrichten streuen, Nacktfotos, die über Chat-Dienste wie WhatsApp im Internet landen: Die digitale Welt ist eine zu wichtige geworden, um in der Schule nicht thematisiert zu werden.
Zwar gab es bereits 1992 einen Medienerziehungserlass. Doch den haben sich nicht alle Schulen zu Herzen genommen. Nun möchte das Bildungsministerium die Digitalisierung mit mehr Nachdruck ins Klassenzimmer bringen – und führt mit dem neuen Schuljahr in der Neuen Mittelschule (NMS) und der AHS-Unterstufe die verbindliche Übung „Digitale Grundbildung“ ein.
Im Ausmaß von zwei bis vier Wochenstunden in vier Jahren werden Inhalte vermittelt wie: Wie nutze ich digitale Geräte im Alltag? Wie bewerte ich die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit von Quellen? Und auch – in den höheren Schulstufen: Wie funktionieren Algorithmen?
Anfangen müsse man aber an der Basis, weiß Paul Sommeregger, Informatiklehrer im Gymnasium in Oberpullendorf im Burgenland. Diese Schule war eine von 178 Pilotschulen, die die verbindliche Übung bereits vergangenes Schuljahr testeten. „Es wird immer als Prämisse hingestellt, dass die Kinder eh digitale Experten sind, weil sie mit den Geräten aufgewachsen sind“, sagt Sommeregger. „Aber das sind sie großteils nicht. Sie sind zum Teil sehr unreflektiert.“
Zu dem Ergebnis kam auch eine Studie der Initiative Safer Internet aus dem Jahr 2017. Dabei wurden 400 Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren befragt. Das Ergebnis: 86 Prozent sind nicht immer sicher, ob die Informationen, mit denen sie im Netz konfrontiert sind, wahr sind.
Gepardenforelle
Um ihnen bewusst zu machen, wie schnell man auf Falschnachrichten hereinfällt, lässt Paul Sommeregger jüngere Schüler gerne nach der Hommingberger Gepardenforelle suchen. „Die wird auf einer eigenen Webseite im Detail beschrieben, sogar mit Foto. Dabei gibt es dieses Tier gar nicht.“
Ältere Schüler werden mit Weltpolitik konfrontiert. Auch Tweets des US-amerikanischen Präsidenten Donald J. Trump können damit verstärkt im Klassenzimmer landen.
Doch wie vorbereitet sind die Lehrerinnen und Lehrer eigentlich auf diese neue Übung?
Wissenslücken
„Ganz unterschiedlich“, antwortet Klaus Himpsl-Gutermann, Leiter des Zentrums für Lerntechnologie und Innovation an der Pädagogischen Hochschule in Wien: „Es gibt Lehrer, die schon sehr weit sind. Aber dann gibt es auch jene, denen wir Facebook und Twitter überhaupt erst erklären müssen.“
Dazu kommt: Es gibt Schulen, in denen digitale Weiterbildung Priorität hat. Sie werden zunächst Member (Mitglieder) und – wenn eine gewisse Anzahl an Kursen absolviert wurden – Experts (Experten) auf der „eEducation“-Plattform. Von den rund 6000 Schulen, die es im Land gibt, sind 20 Prozent Member- und 15 Prozent Expert-Schulen. „Im Umkehrschluss heißt das, dass fast zwei Drittel der österreichischen Schulen keine Digital-Strategie haben“, sagt Himpsl-Gutermann. „Auch wenn es an diesen Schulen einzelne engagierte Lehrer geben kann: Diese Schulen stehen vor einer Herausforderung.“ Zählt man nur die NMS und AHS-Unterstufe auf der eEducation-Webseite, ergibt sich aber ein besseres Bild. Von diesen Schultypen sind 58 Prozent Expert- oder zumindest Member-Schulen.
Eine davon ist das BRG Krottenbachstraße in Wien-Döbling. Direktorin Karin Dobler sieht der neuen verbindlichen Übung deshalb auch gelassen entgegen. In der zweiten Schulwoche wird es einen pädagogischen Nachmittag mit Workshops für alle Lehrer geben.
Schade findet Dobler, dass durch die Übung neue Inhalte dazukommen, ohne dass die alten ausgemistet wurden: „Wir haben die gleiche Fächerzusammensetzung wie vor 150 Jahren. Wie zeitgemäß kann das sein?“
Änderungen im neuen Schuljahr
Insgesamt wird es rund 700 Deutschklassen geben. In diese kommen Kinder, die dem Unterricht aufgrund sprachlicher Probleme nicht ausreichend folgen können und deshalb als außerordentliche Schüler eingestuft wurden. In den Deutschklassen wird in 15 bis 20 Wochenstunden nach eigenem Lehrplan Deutsch unterrichtet – für Gegenstände wie Zeichnen, Musik oder Turnen werden die Kinder den Regelklassen zugeteilt.
Verschärft werden die Regeln für das Schulschwänzen: Sobald ein Schüler im Laufe der neunjährigen Schulpflicht den vierten (vollen) Tag ungerechtfertigt der Schule fernbleibt – wobei diese Tage nicht aufeinanderfolgen müssen – wird ein Verfahren eingeleitet. Außerdem wird eine Mindeststrafe von 110 Euro eingeführt.
In Kraft tritt auch das 2017 beschlossene Schulautonomie-Paket: Unter anderem können sich Schulen zu Clustern zusammenschließen und die Möglichkeit zur Bildung flexibler Gruppengrößen bekommen.
Angewandt wird die knapp vor Ende des letzten Schuljahrs in Kraft getretene Neuregelung des Rauchverbots: Damit wird dieses auf die gesamte Schulliegenschaft ausgedehnt. Etwaige per Hausordnung mögliche Ausnahmeregelungen wurden damit aufgehoben.
Kommentare