Warum Niederösterreichs Bauern Angst um die Erdäpfelernte haben

Gleich vorweg: Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute zuerst: Die Erdäpfelernte ist heuer positiv ausgefallen. „Wir kommen mit den in Österreich produzierten Mengen sicher durch“, sagt Lorenz Mayr, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer NÖ und Bauer in Steinabrunn (Bezirk Korneuburg). Denn die Temperaturen und die Niederschläge im Juli haben den Landwirten in die Karten gespielt, außerdem gibt es mehr Anbauflächen in Österreich – und auch in Niederösterreich, wo der Großteil der heimischen Erdäpfel wächst.
Was uns zur schlechten Nachricht bringt. Denn die Bauern kämpfen bei den Erdäpfeln – wie auch bei vielen anderen Kulturen – mit massivem Schädlingsbefall. Das wohl prominenteste Beispiel dafür war in den vergangenen Jahren die Zuckerrübe, die großflächig dem sogenannten Derbrüssler zum Opfer gefallen ist. Weshalb heuer auch mehr Erdäpfel angebaut werden konnten, denn immer mehr Landwirte sehen vom Rübenanbau ab.
Kampf gegen Schädlinge
„Eigentlich haben wir ähnliche Probleme bei allen Kulturen, die über viele Hektar angebaut werden“, erklärt Franz Wanzenböck, Obmann der Interessensgemeinschaft Erdäpfelbau (IGE) aus Zissersdorf (Bezirk Korneuburg). An den Erdäpfeln macht sich vor allem der Drahtwurm zu schaffen, „und wir wissen nicht mehr, wie wir ihm begegnen sollen“, sagt Mayr. Denn die Klimaerwärmung begünstigt sein Auftreten, im Gegenzug seien die chemischen Bekämpfungsmittel bereits stark beschränkt. Immer mehr Stoffe verlieren in der EU aus Sorge um die Umwelt ihre Zulassung, auch Mittel zur Bekämpfung von Unkraut und zum Aufbau von Resistenzen bei den Pflanzen.
„Die Pflanzen gewöhnen sich an die Mittel, und ein Wirkstoffwechsel ist kaum mehr möglich“, sagt Wanzenböck. Eine Sackgasse, wie er findet. „Die Mittel, die wir einsetzen dürfen, werden immer weniger. Aber es kommt nichts nach“, kritisiert er die politischen Entscheidungen. Für ihn steht fest: Die Landwirte können auf keine weiteren Substanzen mehr verzichten, „sonst haben wir keine Chance mehr“, ist er überzeugt.
Hinzu kommt, dass die Erdäpfelernte heuer natürlich nicht nur in Österreich gut gelaufen ist. Auch in anderen EU-Ländern wurden große Mengen produziert. „Die Erdäpfelländer haben heuer ihre Fläche immens ausgebaut“, weiß Landeskammerrätin Liane Bauer aus Viendorf (Bezirk Hollabrunn).
Als Beispiel nennt sie Frankreich. Dort wurde das Anbaugebiet um etwa 26 Hektar erweitert. „Das ist mehr als die gesamte Anbaufläche in Österreich“, weiß Bauer.
2025 wurden in Österreich auf 18.503 Hektar Erdäpfel angebaut, das entspricht einem Plus von drei Prozent, bei den Bio-Erdäpfeln beträgt der Zugewinn elf Prozent bei 4.387 Hektar. Letztere werden aufgrund des Ernteerfolgs heuer auch ins Ausland exportiert.
Jedoch gelten in den EU-Ländern unterschiedliche Auflagen beim Einsatz von Chemikalien, so Wanzenböck. Auch die nationalen Gegebenheiten – wie die Stromversorgung, die beispielsweise in Frankreich den Betrieb von Kühlhäusern durch Atomkraft ermöglicht – spiele laut Wanzenböck am Markt eine entscheidende Rolle.
Hoffen auf Politik
Alle drei Landwirte sind überzeugt: Wenn Österreich weiterhin mit heimischen Lebensmittel versorgt werden soll, brauchen die Landwirte wieder mehr Handhabe bei Pestiziden. „Es wäre auch keine Lösung, alle Betriebe auf biologischen Anbau umzustellen. Einerseits ließe sich die Versorgung nicht gewährleisten, andererseits sollen Lebensmittel ja auch leistbar bleiben“, so Wanzenböck. Deswegen hoffen die Funktionäre auf Unterstützung aus der EU. „Wir können nur weiterhin Druck auf die Politik machen und hoffen, dass sie nachgibt“, sieht der IGE-Obmann keine Alternativen.
Derzeit ist die Erdäpfelernte im vollen Gange. Der Regen der vergangenen Tage war gut für die Erdfrucht, so Bauer. „So ist der Boden durchnässt und die Ernte kann dann ohne Beschädigungen der Knolle weitergehen“, erzählt die Landwirtin.
Doch selbst die prächtigsten Erdäpfel helfen nichts, wenn es nicht auch eine Solidarität gegenüber den heimischen Landwirten gebe – vor allem angesichts der hohen Erntemengen in anderen EU-Ländern. Bauer: „Wir brauchen als Bauern den Schulterschluss mit den Konsumenten, damit unsere heimische Ware in den Regalen liegt und nachgefragt wird“.
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