Die Rückkehr der Corona-Maske
Ein Relikt aus der Corona-Pandemie ist urplötzlich wieder zurück: Obwohl seit mehr als einem Jahr sämtliche Maßnahmen – wie die FFP2-Maskenpflicht in der U-Bahn – gefallen sind, tauchte die Maske zuletzt wieder vermehrt auf.
Nämlich im Gesicht von vielen Pro-Palästina-Demonstranten, die damit unzweifelhaft nicht ihre Gesundheit, sondern ihre Identität zu schützen versuchen. Etwa beim Protestcamp am Uni-Campus Altes AKH, wo sich vor der polizeilichen Räumung in der Nacht auf Christi Himmelfahrt „rund 150 Personen, großteils maskiert“ aufhielten.
Dass dieser eigentlich gesetzwidrige Vermummungstrick weitgehend funktioniert, beweist die Polizei-Statistik nach der Räumung des Camps: Denn es kam dabei lediglich zu „15 Anzeigen gemäß den Bestimmungen des Vermummungsverbots im Sinne des Versammlungsgesetzes“.
Gedanke hinter Verbot
In Österreich gilt bereits seit 2002 ein Vermummungsverbot bei Demonstrationen, seit Oktober 2017 zudem ein allgemeines Verhüllungsverbot („Burka-Verbot“) im öffentlichen Raum (siehe Infobox). Während Letzteres der Integration dienen soll und gegen die (zwangsweise) Ganzkörper-Verschleierung muslimischer Frauen gerichtet ist, wird Ersteres strenger sanktioniert und soll die polizeiliche Arbeit bei Versammlungen erleichtern. Doch mit den von US-Unis nach Europa exportierten pro-palästinensischen und antisemitischen Protesten sind auch Palästinenser-Tücher und FFP2-Masken zur Gesichtsverschleierung mitgekommen.
„Das ist ein klassisches Phänomen des Nachahmungseffektes, wenn solche Proteste von woanders her überschwappen“, berichtet ein szenekundiger Beamter im Gespräch mit dem KURIER. Aber auch ein untrügliches Zeichen dafür, dass diese Proteste teilweise vom Ausland gesteuert würden. Tatsächlich beendete die Landespolizeidirektion Wien das Camp ja deshalb, weil „der wahre Zweck der Versammlung eine Solidarisierung mit den Zielen der Hamas“ gewesen sei, sowie „die Bildung eines geistigen Nährbodens für die Gutheißung terroristischer Straftaten“.
Medizinische Gründe
Weil „medizinische Gründe“ als Ausnahmen des Verhüllungsverbots gelten und in der Pandemie die Masken vielerorts Pflicht waren, ist der Gesetzesvollzug für Beamte immer eine Einzelfallentscheidung. Oder wie es ein Beamter ausdrückt: „Atteste können wir nicht verlangen, es geht vorwiegend um Glaubwürdigkeit. Wenn man auf einer Demo ist und sagt, ich habe 40 Grad Fieber, wird das nicht gelten.“
Aber gerade bei größeren Versammlungen gilt bei der Wiener Polizei das Prinzip der Deeskalation. Und genau deshalb wurde das Vermummungsverbot erst im Zuge der Räumung des Palästina-Camps exekutiert. Zuvor sei „aus Gründen der Deeskalation und aus einsatztaktischen Gründen von Maßnahmen im Sinne des Versammlungsgesetzes abgesehen“ worden, wie die Pressestelle der Wiener Polizei mitteilt.
Oder wie ein Beamter hinter vorgehaltener Hand erklärt: „Wegen einer bloßen Verwaltungsübertretung wird man bei 100 Leuten nicht zwangsweise beginnen, die Daten zu erheben. Es ist immer eine Frage der Verhältnismäßigkeit.“ Die Frage, ob damit nicht die Arbeit der Verfassungsschützer hinsichtlich Islamisten erschwert würde, wurde von der Wiener Polizei nicht beantwortet.
Von dieser Zurückhaltung profitierten übrigens tags davor auch die Gegendemonstranten, die im Vorfeld vom Veranstalter gebeten worden waren „mit FFP-2-Maske, Cap und Sonnenbrille“ zu erscheinen, weil unter anderem das iranische Staats-TV sowie andere problematische Sender filmen würden.
Maske zum Hidschab
Zugleich sieht man im Wiener Straßenbild neuerdings vermehrt auch wieder muslimische Frauen, die zum Hidschab meist dunkel gehaltenen FFP2-Masken tragen und so die Lücke zur Vollverschleierung schließen. Und ebenso von Straffreiheit ausgehen.
In der Anzeigenstatistik des Innenministeriums spielt das Verhüllungsverbot keine Rolle und wird wegen des hohen Aufwandes gar nicht extra ausgewertet. Die bis dato letzte valide Zahl zum Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz stammt von 2018, als österreichweit 96 Anzeigen getätigt wurden; betreffend Versammlungsgesetz seien es wohl „wenige Fälle“, wobei etwaige Organmandate gar nicht statistisch erfasst werden.
Seit 2002 gilt bei Demonstrationen
ein Vermummungsverbot (§ 9 Versammlungsgesetz). Übertretungen sind mit Arrest (bis zu sechs Wochen) oder Geldstrafe (bis zu 720 Euro) zu ahnden. Allerdings kann von einer Durchsetzung abgesehen werden, „wenn eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit nicht zu besorgen ist“.
2017 wurde zudem das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz beschlossen. Seither ist es in der Öffentlichkeit untersagt, „seine Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände in einer Weise“ zu verhüllen oder zu verbergen, „dass
sie nicht mehr erkennbar sind“. Der Strafrahmen beträgt bis zu 150 Euro. Ausnahmen gibt es u. a. aus gesundheitlichen Gründen oder bei Veranstaltungen (Fasching)
Hinzu komme, dass auch Abmahnungen möglich seien, wenn sofort der gesetzliche Zustand hergestellt – also die Maske abgenommen – wird. Auch am Verwaltungsgericht Wien, der Berufungsinstanz bei Anzeigen, sei das Vermummungsverbot „kein großes Thema“; nach einer Schnellschätzung habe es in den vergangenen Jahren wohl fünf Verfahren gegeben.
Möglicherweise hat die geringe Fallzahl aber auch mit der zurückhaltenden Vollstreckung zu tun. Strafverteidiger Manfred Ainedter plädiert jedenfalls für klarere Vorgaben seitens des Ministeriums – am besten per Erlass mit strengerer Rechtsauslegung: „Die FFP2-Maske ist offenkundig eine Umgehung des Vermummungsverbots, das muss man unterbinden. Das fällt genauso drunter wie Schals um Mund und Nase.“ Ganz grundsätzlich hält der Jurist wenig von Deeskalationsstrategien und dem „ständigen Herumlavieren“: „Es kann ja nicht sein, dass der Rechtsstaat immer wieder vor rechtswidrigem Verhalten kapituliert“, fordert Ainedter.
Kommentare