Die Renaissance der Weltläden
Wer denkt, der Weltladen sei nur etwas für Öko-Fuzzis, alternative und sozial engagierte Menschen, der irrt. „Das war vielleicht früher so, heute ist unsere Hauptkundschaft die Frau ab 40, gut gebildet, und situiert, mit Geld und Intellekt“, verrät Gerti Jaksch-Fliegenschnee, die Geschäftsführerin des Weltladens in Baden. Ein typischer Bobo also? „Ja“, meint sie lachend, „so kann man’s auch sagen.“
Seit 30 Jahren gibt es den Weltladen am Hauptplatz in Baden. Er war der erste von heute insgesamt 24 in Niederösterreich, und gilt als einer der erfolgreichsten bundesweit. Kaum einer kennt das Erfolgskonzept nicht: Alle Produkte – Lebensmittel sowie Mode, Geschenkartikel und Fußbälle – werden fair hergestellt. Das bedeutet, die Kaffeebauern und Textilproduzenten bekommen einen gerechten Lohn, arbeiten unter sozial verträglichen Bedingungen, können ihre Kinder in die Schule schicken und schonen die natürlichen Ressourcen.
Alleinstellungsmerkmal
Neben dem Warenverkauf wird viel Wert auf Informations- und Bildungsarbeit gelegt. Und das mit Erfolg, bestätigt Christine Ottner, die Koordinatorin der Weltläden in Niederösterreich, Wien und dem Burgenland: „Den Trend zu biologischen und nachhaltigen Produkten spüren auch wir. Unsere Kundschaft hat sich gewandelt.“ Der Gedanke des nachhaltigen und fairen Einkaufs scheint in den verschiedenen Gesellschaftsschichten angekommen zu sein.
Längst findet man Fairtrade-Produkte auch in den Regalen herkömmlicher Supermärkte. Das sei natürlich ein wertvoller Fortschritt für die Produzenten, so Ottner. Doch nur in den Weltläden werde garantiert, dass nahezu der gesamte Erlös aus dem fairen Handel wieder in diesen zurückfließt: „Außerdem können nur wir die Geschichte der Menschen, die hinter den Produkten stehen, erzählen. Das unterscheidet uns deutlich von der Konkurrenz.“ Mehrmals im Jahr besucht Ottner Plantagen und Fabriken.
Von der großen Nachfrage fair gehandelter Produkte profitiert auch die Qualität der Lebensmittel. Etwa der Organico-Kaffee, der vor 30 Jahren als erster biologisch produzierter Kaffee aus fairem Handel in Österreich eingeführt wurde. „Damals hatte er eine nicht vergleichbare Qualität – man trank ihn mehr aus Überzeugung als aus Genuss“, meint Ottner schmunzelnd.
101 Familien ernährt
Schokolade und Kaffee gelten übrigens als die beliebtesten und meistverkauften Produkte. 52.000 Kilogramm Kaffee verkaufte allein der Weltladen in Baden in den vergangenen 30 Jahren – mehr als so mancher herkömmliche Kaffeevertrieb. Mit diesem Umsatz konnte man insgesamt 101 Familien ein ganzes Jahr ein faires Einkommen ermöglichen.
Auch das Erfolgskonzept Weltladen ist nicht vor dem Strukturwandel des Handels und dem Wachstum der Online-Konzerne gefeit. Zwar agieren Weltläden nicht gewinnorientiert und profitieren von niedrigen Personalkosten – in Niederösterreich gibt es beispielsweise 380 ehrenamtliche und 50 angestellte Mitarbeiter – doch finanzieller Erfolg sichert das Überleben der Produzenten.
Ottner blickt jedoch positiv in die Zukunft: „Wir müssen unsere Vorteile nutzen. Ich sehe die Weltläden als letzte Einkaufsmöglichkeit in kleineren Orten, da nehmen wir nahezu Nahversorgerfunktion ein. Ich denke, wir werden das schaffen.“
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