Die Genesis einer Fälschung

Die Genesis einer Fälschung
Hinter dem vermeintlichen Geständnis steht der kasachische Geheimdienst.

Aufgeflogen ist der Fälscherskandal um ein angebliches Mordgeständnis des früheren kasachischen Botschafters in Wien, Rakhat Aliyev, durch einen "Betriebsunfall" der Fälscher. Sie wussten nicht, dass ihre Vorlage bereits eine schlechte Fälschung der Handschrift Aliyevs war.

Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art. Staatsanwältin Bettina Wallner sieht sich schon seit geraumer Zeit in der Causa Aliyev mit einem Geheimdienst konfrontiert, der Zeugenaussagen erpresst und Beweismittel in Serie fälscht.

Die Genesis einer Fälschung
Gefälschter Brief des Rakhat Alieyv
Schlüsselperson für seine Verhaftung am 8. Juni in Wien ist der frühere Weggefährte Alnur Mussayev, 60. Der war in seiner Glanzzeit Direktor des kasachischen Geheimdienstes KNB. Dabei handelt es sich um den früheren Republiks-KGB, der nach dem Zerfall der Sowjetunion zwar unter neuem Namen, aber mit dem selben Personal und Methoden weiter werkt. Sein Stellvertreter war Rakhat Aliyev.

Putschversuch

Nachdem beide bei Aliyevs Schwiegervater – dem kasachischen Herrscher Nursultan Nasarbajev – im Jahr 2007 in Ungnade fielen, verstecken sie sich in Wien und Malta – konfrontiert mit Mordvorwürfen aus der Heimat und gejagt von den früheren Kollegen des KNB. Mussayev wollen sie habe n, um von ihm belastende Aussagen gegen Aliyev zu erpressen.

Die Jagd auf Mussayev begann im September 2008. Vor seinem Haus in der Wiener Landesgerichtsstraße drückte ihm plötzlich ein Unbekannter eine Pistole an die Schläfe und brüllte auf russisch: "Du weißt, warum das passiert." Seine Lebensgefährtin erlitt durch einen Faustschlag einen Nasenbeinbruch. Im selben Jahr wurde Mussayev vom KNB-Offizier Omirtay B. nach Prag befohlen. Gegenüber dem Verfassungsschutz gab er an, dass ihm dort ein Zettel mit belastenden Aussagen gegen Aliyev überreicht wurde. Diese sollte er bei der Staatsanwaltschaft Wien oder wenigstens gegenüber der Presse kundtun – andernfalls hätte seine Familie in Kasachstan mit schweren Repressalien zu rechnen.

Es wurde ihm dann ein Interview mit der Kronen Zeitung vermittelt. Doch da brachte er nur sehr halbherzige Vorwürfe über die Lippen, was ihm schwere Vorwürfe der Auftraggeber eintrug.

Spitzelaktion

Die Genesis einer Fälschung
Alnur Mussajev, ehemaliger Direktor des kasachischen Geheimdienstes KNB
Auch bei den Vernehmungen in Wien fielen ihm keine Vorwürfe gegen Aliyev ein. Deshalb dürfte der KNB weiter aktiv geblieben sein. Eine Vernehmung beim Bundeskriminalamt wurde von deutschen Privatdetektiven observiert. Die Staatsanwaltschaft Wien hegt den "dringenden Verdacht", dass dadurch der geheime Wohnort Mussayevs für den KNB ausspioniert werden sollte. Es wurden Ermittlungen wegen Nötigung des Zeugen Mussayev eingeleitet.

Jener Mussayev, der sich trotz aller Repressalien nunmehr schon seit sieben Jahren beharrlich weigerte, Aliyev zu belasten, soll nun die entscheidenden Beweismittel für dessen Verhaftung im Juni in Wien geliefert haben. Da geht es um Mitschnitte von Skype-Telefonaten, in denen Mussayev über die Verantwortung Aliyevs bei der Ermordung von zwei Bankmanagern sprach. Außerdem hätte er eine Kopie eines Mordgeständnisses.

KNB-Oberst

Alles deutet wieder auf den KNB in. Sergej Z., der die Datenträger mit den Telefonaten bei der Staatsanwaltschaft abgegeben hatte, ist im Brotberuf Oberst des KNB. Unklar ist die Herkunft der Fälschung. Mussayev behauptet, er habe es von dem KNB-Oberst erhalten, der ihn schon in Prag bedroht hatte. Seine Lebensgefährtin aber erklärt, sie habe einen Schulfreund damit beauftragt. Egal – dem Fälscher ist eine Panne unterlaufen. Das Schriftbild und die Unterschrift holte er aus einem angeblichen Schreiben Aliyevs im Internet. Er wusste nicht, dass schon die Vorlage eine Fälschung war.

Aliyev-Anwalt Manfred Ainedter ist über die Aktion nicht verwundert: "Es zeigt wieder einmal das typische Vorgehen des KNB und der kasachischen Seite." Aliyev bleibt aber dennoch in U-Haft. Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien erklärt, dass es noch weitere dringende Verdachtsmomente gebe.

Der Fall Rakhat Aliyev wird immer dubioser. Der Ex-Botschafter Kasachstans stellte sich am 6. Juni der österreichischen Justiz und sitzt seitdem wegen zweifachen Mordverdachts und Geldwäsche-Vorwürfen in Wien in U-Haft. Der Grund für die U-Haft, die im Juni sichergestellten Beweise, dürften im großen Stil gefälscht worden sein. Das berichtet die Krone. Ein Gutachten besagt, dass das bei einer Hausdurchsuchung gefundene Mordgeständnis gefälscht worden ist.

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nina Bussek, bestätigte am Freitag, dass es sich beim Mordgeständnis um eine Fälschung handelt. Ein grafologisches Gutachten kam zum Schluss, dass es sich nicht um die Handschrift Aliyevs handeln dürfte. Dessen ungeachtet hält die Staatsanwaltschaft ihren Haftantrag - die über Aliyev verhängte U-Haft wurde zuletzt bis zum 20. Juli verlängert - aufrecht. "Der dringende Tatverdacht gründet sich auf weitere Beweisergebnisse", betonte Bussek.

Seit Jahren beschäftigt Aliyev die Justiz. Als kaltblütigen Mörder, der zwei Banker auf seinem Gewissen hat, bezichtigt ihn das Regime in seiner Heimat, dessen langer Arm bis nach Wien reicht. Als erfundene Vorwürfe im Rahmen eines Rachefeldzuges stellt Aliyev die Angelegenheit dar.

Österreich lieferte ihn zwar nicht aus, leitete aber vor drei Jahren eigene Ermittlungen ein. Anfang Juni wurde mit der Begründung, es hätten sich "Beweise verdichtet", ein internationaler Haftbefehl erlassen. Der Ex-Botschafter stellte sich am Flughafen Wien-Schwechat den Behörden. Man wolle "voll kooperieren", erklärte tags darauf sein Anwalt Manfred Ainedter.

Das von der kasachischen Justiz gelieferten Material und die kurz darauf in Österreich gesicherten Beweise passten zusammen wie die berüchtigte Faust aufs Auge: Die Kasachen übermitteln der Wiener Staatsanwaltschaft zwei Protokolle von Skype-Telefonaten. Geführt wurden sie angeblich 2011. Zu hören war der ehemalige kasachische Geheimdienstchef Alnur M., ein enger Vertrauter Aliyevs. Auffällig freimütig plauderte M. darin unter anderem darüber, dass er ein schriftliches Geständnis Aliyevs in Händen halte.

Hausdurchsuchung

Die Staatsanwaltschaft Wien reagierte rasch: M. und ein weiterer Kasache wurden ebenfalls Anfang Juni festgenommen. In M.’s Wohnsitz fand eine Hausdurchsuchung statt. Was fanden die österreichischen Ermittler? Just jenes schriftliche Geständnis, über das M. im Jahr 2011 via Skype so freizügig geplaudert hatte. Konkret handelt es sich um die Kopie eines Briefs Aliyevs an seinen Ex-Schwiegervater, den kasachischen Herrscher Nursultan Nasarbajew, in dem er mutmaßlich die Mordtaten genau beschrieb und sich dafür entschuldigte. Ein grafologisches Gutachten zeigt nun, dass es sich dabei allerdings um eine plumpe Fälschung handelt. Dahinter soll die Lebensgefährtin M.’s stecken. Das soll sie in einer Aussage angegeben haben. Welches Motiv sie dafür hatte, liegt allerdings im Dunkeln.

Aliyevs Verteidiger hatten bereits Anfang Juni skeptisch angemerkt, dass es sich dabei um eine Fälschung handeln könnte. Sie zweifeln auch an der Echtheit der Skype-Telefonate.

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