Die Esoterik als Antwort auf alles

Mit Druck auf Energiepunkte auf dem Kopf sollen Probleme verschwinden. Glaube an derartige Zauberformeln kann zu Realitätsverlust führen.
Amerikanische Lehre "Access Consciousness" breitet sich aus. Die Sektenstelle hat sie am Radar.

Es klingt zu schön, um wahr zu sein: Erfolg im Job, Erfüllung im Privatleben, weniger Kilos, sehr viel Geld und dann auch noch ein Stopp des Alterungsprozesses – oder noch besser: eine Umkehr! Das angebliche Geheimnis dahinter: "Access Consciousness". Die Bewegung kommt aus den USA und breitet sich in Österreich rasant aus. Auch die Sektenstelle hat sie mittlerweile auf dem Radar.

Kopfsache

"Access Consciousness" (übersetzt: Zugang zum Bewusstsein, Anm.) arbeitet laut Homepage mit "Körperprozessen" und den "zehn Schlüsseln zur Freiheit". Die Theorie: Löst man die Blockaden (durch 32 Energiepunkte am Kopf), die durch schlechte Gedanken und Gefühle entstanden sind, läuft es wieder. In allen Bereichen. Oder um es mit dem Mantra der Bewegung auszudrücken: "Alles kommt zu mir mit Leichtigkeit, Freude und Herrlichkeit!" Wie viele "Access"-Anbieter es in Österreich gibt, ist nicht ganz klar. Eine Anfrage in den USA (einen offiziellen Österreich-Vertreter gibt es nicht) blieb ohne Antwort. Auf der Homepage werden 70 Personen aufgelistet – im Internet finden sich aber einige mehr.

"Da wird mit einer geschickten Marketing-Strategie gearbeitet", sagt Ulrike Schiesser von der Bundesstelle für Sektenfragen. "Man bietet eine Mischung, die die Menschen interessiert. Das findet Resonanz." Auffallend viele Anfragen zu dem Thema gehen seit rund zwei Jahren bei ihr ein. Meist sind es besorgte Angehörige. "Access präsentiert sich als Lösung für alles. Das kann zu einem Realitätsverlust führen." Und zu Problemen mit dem Partner oder im Beruf.

Auch die Beurteilung von Johannes Fischler, Psychologe und Autor des Buches "New Cage – Esoterik 2.0", spricht für sich. "Das ist Psycho-Mystizismus und Religionsersatz", sagt er. "Das hat mit psychologischer Forschung nichts zu tun." Denn im Umkehrschluss bedeute die "Lehre": "Wenn es nicht funktioniert, bist du eben nicht bereit, das zuzulassen." Sozial Schwächeren würde die innere Reinheit (schlechte Gedanken) fehlen. "Wo das hinführt, kann man sich ausmalen", meint Fischler.

Negative Einflüsse – etwa kritische Familienmitglieder oder Freunde – würden bei derartigen Bewegungen als Behinderung zur eigenen Freiheit gesehen werden. Von unbedachter Kritik rät Fischler deshalb ausdrücklich ab.

Relativ rasch könne man selbst zum Trainer werden. Das hat einen Grund, sagt Fischler. "Was du nicht kapierst, bring anderen bei. Gegen latenten eigenen Zweifel helfen Gefolgsleute. Das stützt den Glauben.

Wobei es bei derartigen Systemen durchaus zu einer ersten Linderung bei Problemen kommen könne: "Das nennt sich positive Imaginationen, diese wirken als Placebo. Das kennt man aus der Schmerzforschung." Sollten die Behandlungen allerdings nicht anschlagen, habe man rasch eine Antwort bereit: Negative Energie. "Plötzlich muss man sich vor negativen Gedanken und Menschen schützen. Die Gedanken werden gewaschen, Menschen muss man loswerden. Da entsteht ein Spiralwirbel", beschreibt der Psychologe.

Den Esoterik-Boom sieht er sehr kritisch. "Früher gab es zumindest noch charismatische Gurus. Heute herrscht eine Copy-Paste-Spiritualität. Hinz und Kunz machen sich selbst zum Heiland." Kritische Lebensereignisse oder Frust würden die Menschen dafür empfänglich machen. Das kann auch Schiesser von der Sektenstelle bestätigen: "Sehr oft handelt es sich um Menschen ab Mitte 30, die unzufrieden im Job sind, Stress ausgesetzt sind oder ein Sinnlosigkeitsgefühl empfinden."

Das Energetiker-Gewerbe ist tatsächlich rasant wachsend. Die Wirtschaftskammer verzeichnete Mitte des Jahres 17.650 aktive Humanenergetiker – die mit Abstand meisten (4402) übrigens in Niederösterreich. Außerdem waren 573 Tier-Energetiker registriert. Damit bilden die Energetiker die viertgrößte Gruppe bei den Einzelunternehmern. Nur selbstständige Personenbetreuer, Unternehmensberater und IT-Dienstleister gibt es häufiger.

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