Deradikalisierungshotline startet am Montag
In Sophie Karmasins Familienministerium tüftelten Beamte noch an der Gästeliste für die Pressekonferenz zur Präsentation der lange angekündigten Deradikalisierungs-Hotline. Am Montag werden die Eckpfeiler des Konzepts vorgestellt, wie ein Sprecher Karmasins auf Anfrage bestätigt. Die Rednerliste wird hochkarätig sein – angefragt wurde bei mehreren Ministern.
Seit Wochen berichten Medien über Anwerbungen durch Islamisten, Ausreiseversuche und den Dschihad-Kult unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Erwartungen an die Hotline – sie soll am Montag zeitgleich mit der Präsentation ihren Betrieb aufnehmen – sind groß.
Sie ist kein reines Callcenter für besorgte Eltern, sondern ein ausgefeiltes, in Deutschland erprobtes Beratungskonzept. Herzstück ist der Trägerverein, das bundesweite Netzwerk für offene Jugendarbeit, kurz bOJA. Bis zu sechs Mitarbeiter aus unterschiedlichen Berufen gehören zur Startmannschaft.
Angehörigen-Ansatz
Die Hotline richtet sich an Angehörige und das soziale Umfeld von Radikalisierten. Dafür gibt es zwei gute Gründe, die kürzlich ein Mitarbeiter der deutschen „Beratungsstelle Radikalisierung“ in Wien erklärte: Für Angehörige ist die Situation mitunter extrem belastend. Abgesehen davon sind sie (oft) die Einzigen, zu denen Radikalisierte Kontakt halten – und damit der Schlüssel zur Deradikalisierung.
Der Erstkontakt kommt durch den Anruf zustande. Die Hotline-Berater klären die Gründe des Anrufs ab und geben erste Tipps. Erfahrungsgemäß bleibt es oft nicht bei einem Telefonat. In Deutschland wählten seit der Gründung im Jahr 2012 insgesamt 1000 Personen die Hotline der „Beratungsstelle Radikalisierung“. 350 der Anrufer benötigten eine längere Betreuung durch Berater vor Ort. In Deutschland greift die Behörde auf vier Vereine zurück.
Wie weit die Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Einrichtungen in Österreich reichen wird, ist noch nicht gänzlich geklärt. „Das sind individuelle Fälle“, betont ein damit Befasster. Entsprechend maßgeschneidert müsse die Beratung sein. Kooperationen seien angedacht.
Die Pläne sahen ursprünglich vor, die Hotline im Innenministerium anzusiedeln. NGOs kritisieren die Nähe zur Sicherheitsbehörde, weil ein Anruf bei der Polizei abschreckend sei. Sicherheitsaspekte werden dennoch berücksichtigt: Zwar gibt es keine generelle Meldepflicht, allerdings wird bei „Gefahr im Verzug“ die Exekutive verständigt. Um Gefährdungen zu erkennen, wurde für die Berater ein Leitfaden mit genauen Kriterien entwickelt.
Fortbildung
Wie hart dieser Job sein kann, weiß Moussa al-Hassan Diaw genau. Der Obmann des Vereins „Netzwerk sozialer Zusammenhalt“ referierte vor Sozialarbeitern im Institut für Freizeitpädagogik über die Geschichte des Salafismus sowie Motive und Argumente von Salafisten. „Ich hätte mir nicht gedacht, dass so Junge betroffen sind“, sagt er. Unter den 30 Radikalisierten, die der Verein betreut, sind hauptsächlich Minderjährige. Schwierig werde es dann, wenn die Ideologie bereits gefestigt sei. „Um sie zu gewinnen, muss man inhaltlich schon sattelfest sein.“
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