Grundwasser auf Rekordtief: Der Osten sitzt auf dem Trockenen

Der Anemonensee in Wiener Neustadt ist fast ausgetrocknet
Ausgetrocknete Seen, versiegte Hausbrunnen, verdörrte Äcker und Ernteausfälle – das ist die Bilanz des heurigen Frühjahrs bzw. Sommers.
Eines der größten unterirdischen Grundwasserreservoirs Europas, die Mitterndorfer Senke, ist am Montag auf dem historischen Tiefstand seit Beginn der Messaufzeichnungen vor 70 Jahren angelangt. Zwischen dem jemals gemessenen Höchstwert im September 1965 (267,99 Meter über Adria) und heute (256,74 M.ü.A) liegen im Wiener Becken bei einer der repräsentativen Messstellen in Wiener Neustadt mehr als elf Meter Differenz. Daran hat auch überdurchschnittlicher Regen im September nichts geändert.
Besteht durch den extremen Wassermangel Grund zur Sorge? Wenn es nach der Einschätzung des Experten Martin Angelmaier geht, überhaupt nicht. Laut dem obersten Hydrologen des Landes und Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft in NÖ hat sich die Entwicklung bereits länger abgezeichnet.

Gestrandete Tretboote auf dem Föhrensee in Wiener Neustadt
Eine kaum nennenswerte Schneeschmelze im Winter, gepaart mit unterdurchschnittlichen Regenmengen und extremer Hitze hat am Grundwasserspiegel genagt. „Die Wasserstände im südlichen Wiener Becken sind aber immer schon von großen Schwankungen gekennzeichnet gewesen“, erklärt Angelmaier. Erholt hätten sie sich immer. Heuer treten aber besonders viele Faktoren gleichzeitig auf, die sich negativ auswirken.
Aus den Aufzeichnungen geht hervor, dass es auch Anfang der 1970er-Jahre und Mitte der 1980er-Jahre ausgeprägte Tiefstände gab. „Die aktuellen Pegel liegen allerdings noch rund einen halben Meter tiefer“, so Angelmaier. Das betrifft weite Teile Ostösterreichs. Im Marchfeld etwa, der Kornkammer Niederösterreichs, misst man aktuell die niedrigsten Werte seit 30 Jahren. Mitte der 1980er-Jahre waren die Grundwasserstände dort allerdings schon einmal um 70 Zentimeter niedriger als jetzt. Betroffen von extrem niedrigen Pegelständen ist auch das Burgenland.
Die Grundwasseranreicherung im südlichen Wiener Becken erfolgt laut Hydrologen maßgeblich über die Versickerung von Oberflächengewässern. Bleiben große Regenmengen aus, erholt sich der Stand nicht.

Die gute Nachricht zuerst: Viel tiefer wird der Wasserstand des Neusiedler Sees heuer nicht mehr sinken. Am Montag stand der Pegel bei 114,09 Meter über Adria, das sind um 16 Zentimeter weniger als das langjährige Minimum (seit Beginn der Aufzeichnungen 1965; Anm.) und um 24 weniger als vor einem Jahr.
Setzt sich diese Entwicklung mit ähnlicher Dynamik einige Jahre fort, könnte der Steppensee tatsächlich noch in dieser Dekade vollständig austrocknen – ein Horrorszenario für das gesamte Nordburgenland und vor allem für die Touristiker und die Land- beziehungsweise Weinwirtschaft. Letztere ist auch auf das durch die Verdunstung entstehende Mikroklima angewiesen.
Abhilfe schaffen könnten nur ausgiebige Niederschläge, die zu 90 Prozent für die Dotierung des Sees verantwortlich sind. Nennenswerte Zuflüsse gibt es ja bekanntlich ebenso wenig wie eine Verbindung des Sees mit dem Grundwasser in der Region. Derzeit wird an einer Speisung mit Donauwasser aus NÖ gearbeitet.
Ost-West-Gefälle
Ganz anders ist es hingegen von Vorarlberg bis in die Steiermark. Was den Wasserhaushalt unseres Ökosystems anbelangt, gibt es ein Ost-West-Gefälle. Die Alpen sind der größte Süßwasserspeicher Europas. Wasser wird als Schnee und Eis in den Bergen gespeichert und kontinuierlich an die Flüsse abgegeben. Je weiter es Richtung östliches Flachland geht, umso mehr Faktoren bestimmen den Wasserhaushalt. Die Stadt Wien allerdings hat kein Problem mit ihrem Wasser, denn es kommt nach wie vor aus den Bergquellen von der Rax bis zum Hochschwab über die Hochquellwasserleitungen.
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