Ein Verlust, eine Trennung, Leere und Einsamkeit. All das steht oft am Beginn, wenn sich die Abwärtsspirale langsam zu drehen beginnt. Wer hin und wieder ein Glaserl Wein trinkt oder sich ein Feiertagsbier genehmigt, ist noch lange nicht gefährdet. Doch der Weg in die Sucht ist ein schleichender.
„Viele wissen gar nicht, wann das Problem richtig begonnen habt“, schildert Suchthilfe-Leiter Gottfried Jakober. Er und sein Team sehen in der täglichen Praxis, was Alkohol alles anrichten kann.
Die Sucht hat viele Gesichter
Die Sucht kennt verschiedene Typen: Komatrinker, meist jüngere Patienten, die über immer häufigere Filmrisse berichten, wie Psychologin Denise Mühlbacher erzählt. Oder Pegeltrinker, die Sorgen oft schon in aller Früh mit Hochprozentigem betäuben. Erste Alarmsignale? „Wenn man beginnt, andere Lebensbereiche zu vernachlässigen“, weiß Mühlbacher.
In den meisten Fällen wendet sich das Leben der Patienten nach einer Therapie zum Positiven. Dann, wenn „das Aufräumen“ beginnt, soziale Kontakte wieder aufgenommen werden oder Job-Chancen zurückkehren.
Aber es gibt auch die dunklen Seiten: Wie jener Patient aus Oberösterreich, der sich vor Weihnachten aus dem stationären Betrieb regulär abmeldete, die Klinik verließ und in einem Fitnessstudio in Vöcklabruck mit einem Messer auf seine Frau losging. Das Opfer soll bis heute an Panikattacken leiden.
Das Suchthilfe-Team will nicht auf ein oft milieubedingtes Gefahrenpotenzial reduziert werden: „Er ist hier bei uns nie auffällig gewesen“, sagt Gottfried Jakober. Er wehrt sich gegen eine Stigmatisierung der Betroffenen. Eine geschlossene Abteilung ist die Klinik nicht.
Im Gegenteil: Betroffene sollen am Weg zurück in ein alkoholfreies Leben zum Beispiel auch den alltäglichen Versuchungen in einem Supermarkt standhalten können.
Ein Haus mit langer Geschichte
Werden Alkohol und die Folgen seit jeher verharmlost? Die Suchthilfe blickt auf eine lange Geschichte zurück. Seit den 1920ern wird ein Auffangnetz für Alkoholkranke angeboten. Die Anlaufstelle für Langzeittherapien – die Akuthilfe ist Teil der Christian-Doppler-Klinik – ist nicht mehr zeitgemäß. Die Sonderkrankenanstalt ist auf zwei Standorte verteilt. Es gibt wenig Platz, das Umfeld ist veraltet.
Seit Jahren arbeitet man auf einen Neubau hin. Und mittlerweile steht die neue Ära auch unmittelbar bevor. Im gegenüberliegenden Portalbereich der Christian-Doppler-Klinik sollen im Frühjahr Bagger auffahren.
Neue Therapie ist im Sommer angelaufen
Beste Einstimmung auf die neue Ära mit mehr Ambulanz und weniger Betten: Seit Sommer wird auch ambulante Hilfe mit Diagnostik und flexiblen Sitzungen angeboten.
Das Wichtigste: „Die Therapien setzen sehr früh an. Das Umfeld muss nicht unbedingt etwas davon merken“, sagt Wolfgang Reiger, Landesvorsitzender in der Gesundheitskasse (ÖGK), die das Pilotprojekt mit 760.000 Euro auf drei Jahre finanziert. Gerade Frauen würden so früher Hilfe suchen, weil sie im besten Fall parallel für ihre Kinder da sein können.
Die Bereitschaft, Hilfe zu holen, steige, heißt es. Suchthilfe-Chef Jakober: „Es ist ein großer Gewinn, dass wir das jetzt ausprobieren dürfen.“ 35 Alkoholkranke nahmen bereits teil. Größter Erfolg: Wenn Betroffene den richtigen Umgang mit Emotionen wieder lernen und Alkohol nicht mehr jedes Gefühl betäubt.
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