Der Mythos Vergewaltigungsdroge

Der üble Tropfen in einem unbeachteten Moment: Tatsächlich passiert so etwas nur äußerst selten
Nach Datenüberprüfung stellte sich nun heraus: Nur ein einziger Fall in eineinhalb Jahren.

Für Eltern ist es die Horror-Vorstellung schlechthin. Ihrer Tochter werden in einer Diskothek oder beim Zeltfest heimlich K.-o.-Tropfen ins Getränk gemischt, die Jugendliche anschließend vergewaltigt. Auch im Internet kursieren seit Jahren Schilderungen solcher (angeblichen) Vorfälle.

In Großbritannien warnen Experten seit Jahren, dass es sich dabei um eine "Urban Legend" handelt. Gerade einmal in 21 von mehr als 1000 untersuchten Fällen stellte sich heraus, dass tatsächlich solche Drogen bei Sexualdelikten im Einsatz waren.

Zuletzt äußerten auch Beamte des österreichischen Bundeskriminalamtes Zweifel. Überprüfungen ergaben, dass jedes Bundesland – vorsichtig formuliert – sehr unterschiedliche Methoden heranzieht, um zu beurteilen, ob K.-o.-Tropfen im Spiel sind. Die Beamten meinten deshalb, dass alle bisherigen Zahlen relativ wertlos sein könnten.

Als der KURIER dies im September unter dem Titel "Geschäft mit Angst vor K.-o.-Tropfen" aufdeckte, wurde das Team Stronach aktiv und stellte eine parlamentarische Anfrage an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Diese bestätigte in der Anfrage-Beantwortung, dass die bisher vorgelegten Zahlen nicht "die gegenwärtige Kriminalitätslage" widerspiegeln. Deshalb gibt es eine "Adaptierung": Die Zahlen werden künftig nicht mehr von den Bundesländern, sondern zentral im BKA ausgewertet.

Auch Wodka betäubt

Bei der Neubewertung der Daten stellte sich nun heraus, dass es von Jänner 2013 bis Juni 2014 gerade einmal eine Vergewaltigung im Zusammenhang mit Betäubungsmittel gegeben hat. Wobei der Begriff nun sogar weiter formuliert wird. "Das Mittel ist egal, es kann sich auch um eine Flasche Wodka handeln", erklärt Bundeskriminalamts-Sprecher Mario Hejl. Deshalb weist die Statistik nun "Betäubungsmittel" statt "K.-o.-Tropfen" aus.

Einen weit höheren Stellenwert nehmen diese Betäubungen bei Raubüberfällen ein. Vor allem Liebesdienerinnen sind immer wieder aktiv und betäuben ihre Opfer, um sie anschließend auszuplündern. 62 derartige Fälle gab es seit Jänner 2013.

Was sich tatsächlich abgespielt hat, ist oft nicht mehr klärbar. Denn die verwendeten Stoffe sind sehr unterschiedlich und schwierig (oft nur wenige Stunden) nachweisbar. Dazu kommt, dass auch Arzneimittel wie etwa Rohypnol oder die berüchtigten "Felgenreiniger" GHB als Droge benutzt werden. Vor Jahren etwa schwebten mehrere Jugendliche in Lebensgefahr, weil sie angeblich in einem Gürtellokal K.-o.-Tropfen ins Getränk geschüttet bekamen. Am nächsten Tag gestanden sie, freiwillig "Liquid Ecstasy" probiert zu haben.

"Die Zahlen über Vorfälle mit K.-o.-Tropfen in Österreich waren zuletzt in parlamentarischen Anfragebeantwortungen zu finden. Tatsächlich entsprechen sogar diese Berichte nicht ganz der Realität, heißt es bei der Polizei hinter vorgehaltener Hand. Denn dafür wurden Meldungen aus allen neun Bundesländern zusammengefasst, aber jedes hatte seine eigene Zählweise. Manche Stoffewurden in einem Bundesland dazugerechnet, in einem anderen nicht, manche sahen Alkohol als K.-o.-Droge. Dazu kommt, dass Mittel wie Rohypnol oder GHB freiwillig als Droge konsumiert werden. Das British Journal of Criminology hält K.-o.-Tropfen deshalb für eine ,moderne Sage‘."

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