Geschäft mit Angst vor K.-o.-Tropfen

Geschäft mit Angst vor K.-o.-Tropfen
Immer häufiger werden Vortester angekündigt - Uni-Experte: "Sinnhaftigkeit ist fraglich".

Es ist die Angst von Eltern und Jugendlichen in heimischen Diskotheken oder bei Bierzeltfesten: Ein Sextäter schüttet K.-o.-Tropfen in das angebotene Getränk. Anschließend kommt es zu einer Vergewaltigung.

Wie häufig so etwas in Österreich tatsächlich stattfindet, weiß nicht einmal exakt die Polizei (siehe Zusatzbericht unten). Mit der Angst vor derartigen Übergriffen lassen sich aber gute Geschäfte machen. In den vergangenen Monaten tauchten immer wieder Geschäftstüchtige auf, die Vortester für den Discobesuch angeboten haben, beziehungsweise derartige Tests ankündigten.

"Facebook-Hype"

Geschäft mit Angst vor K.-o.-Tropfen
k.o.-Tropfen Nachweis US-Studenten
Vier College-Studenten aus den USA ist es nun sogar gelungen, für einen K.-o.-Tropfen-Test knapp 200.000 Dollar per crowd-funding zu sammeln. Ihr Produkt klingt tatsächlich vielversprechend: Frauen müssten nur ein paar Tropfen ihres Getränks auf ihren Nagellack tropfen und dann wüssten sie schon, ob sich darin K.-o.-Tropfen befinden. Seit Tagen geistert diese Meldung durch internationale Medien und soziale Netzwerke.

"Das ist nichts weiter als ein Facebook-Hype", sagt Fritz Sörgel vom Instituts für Biomedizin in Nürnberg, im deutschen Nachrichtenmagazin Spiegel. Auch Peter Lieberzeit, Universitätsprofessor am Institut für Analytische Chemie an der Uni Wien, zeigt sich im Gespräch mit dem KURIER mehr als skeptisch: "Prinzipiell kann so etwas funktionieren. Die vier Burschen vermitteln aber nicht den Eindruck, als ob sie wirklich wissen, was sie da tun." Tatsächlich kündigten sie nur an, so etwas entwickeln zu wollen. Mehr als eine Webseite und ein Bild von ihnen gibt es nicht. Wie das mit dem Nagellack funktionieren könnte, verraten sie nicht. Damit schafften sie es aber immerhin in große US-Medien wie CBS-News oder in die Huffington Post.

Die Probleme für einen tatsächlich funktionierenden Test sind laut Lieberzeit so groß, dass die Sinnhaftigkeit prinzipiell schon fraglich sei. Zuletzt sorgte die deutsche Schülerin Julia Huber im März für einen ähnlichen medialen Hype. Ihr Test hatte nur ein Problem, das in den Berichten gerne verschwiegen wurde: Bei Zimmertemperatur dauert es eine halbe Stunde, bis die kleinen Röhrchen überhaupt etwas anzeigen. Ganz zu schweigen davon, wer mit der Ausrüstung tatsächlich in eine Disco geht und allerlei Tests durchführt. Da ist es meist einfacher und billiger, sich ein neues Getränk zu kaufen.

Viele Stoffe im "Einsatz"

"Von einem wirksamen Test sind wir weit entfernt", erklärt Lieberzeit. Auch wenn ein Betäubungsmittel meist K.-o.-Tropfen genannt wird, umfasst das in Wahrheit verschiedenste chemische Stoffe mit völlig unterschiedlichem Aufbau. Gemeint sind etwa GHB, Ketamin oder Benzodiazepine. "Insgesamt sind das alleine vier bis fünf verschiedene chemische Klassen", sagt der Uni-Wien-Experte.

Selbst wenn diese mit einem Test nachweisbar wären, könnten kleine chemische Änderungen wieder verhindern, dass die Tropfen entdeckt werden. Das ist ähnlich wie bei Dopingtests. Kaum ist ein Mittel nachweisbar, sind schon wieder neue am Markt.

Dazu kommen Probleme mit der Flüssigkeit, in der die Mittel drinnen sind – in Cola können K.-o.-Tropfen andere Reaktionen zeigen als in Bier oder Fruchtsäften zum Beispiel. "Kurzfristig wird es sicher keinen Vortester auf dem Markt geben", meint Lieberzeit. "Und mit kurzfristig meine ich mindestens zwei oder drei Jahre."

Die Zahlen über Vorfälle mit K.-o.-Tropfen in Österreich waren zuletzt sogar in parlamentarischen Anfragebeantwortungen zu finden. Tatsächlich entsprechen sogar diese Berichte nicht ganz der Realität, heißt es bei der Polizei hinter vorgehaltener Hand. Denn dafür wurden Meldungen aus allen neun Bundesländern zusammengefasst, aber jedes hatte seine eigene Zählweise. Manche Stoffe wurden in einem Bundesland dazugerechnet, in einem anderen nicht, manche sahen Alkohol als K.o.-Droge.

Derzeit wird im Bundeskriminalamt an einer neuen Methode gearbeitet, um die tatsächliche Zahl an Verbrechen in Zusammenhang mit K.-o.-Tropfen festzustellen. Doch das ist nicht einfach, denn ob die Tropfen tatsächlich im Einsatz sind, ist schwer feststellbar. Die Stoffe sind maximal zwölf Stunden im Körper nachweisbar.

Experten gehen davon aus, dass viele Opfer zu viel Alkohol getrunken haben – K.-o.-Tropfen sind dann eine Ausrede. Dazu kommt, dass Mittel wie Rohypnol oder GHB als Droge konsumiert werden. Deshalb ist oft unklar, ob das vermeintliche Opfer diese freiwillig konsumiert hat. In Großbritannien etwa gab es in drei Jahren 1014 Fälle, davon waren nur 21 unfreiwillig. Das British Journal of Criminalogy hält K.-o.-Tropfen sogar für eine "moderne Sage".

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