Der Kick mit dem Klick

Leer stehende Industriegebäude, aber auch Wohnhäuser locken Urban Explorer. Das Hobby ist nicht ungefährlich, man kann sich leicht verletzten.
Stadterkunder fotografieren verlassene Orte. Die Szene boomt, mit negativen Folgen.

Flink zieht sich Joe (Name geändert) Handschuhe über, wischt die Scherben der zerbrochenen Scheibe beiseite und zieht sich behände durch das kaputte Fenster. Im Haus ist es still, es riecht nach Staub und Moder. Putz bröckelt von den Wänden, am Boden liegt ein Schild: "Das eine merke dir, sei immer nett zu mir." Vorsichtig geht der junge Mann durch die Räume, prüft vorsichtig die Tragfähigkeit von Böden und Treppen. "Die Regel lautet, nichts mitnehmen, nichts verändern und nichts kaputt machen", erklärt er, während er seine Kamera in Stellung bringt.

Der Kick mit dem Klick
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Joe ist Urban Explorer – ein Erkunder, der verlassene Orte erforscht und sie fotografisch festhält. Seit zehn Jahre interessiert er sich für sogenannte "lost places", ist in halb Europa unterwegs. Mittlerweile ist die Stadterkundung zum Massenphänomen geworden, auch mit negativen Folgen.

"Mich interessiert der Verfall der Gebäude und dessen Dokumentation", erklärt Joe. Seine Leidenschaft ist eigentlich nicht legal – zumindest des Hausfriedensbruchs machen sich Urban Explorer schuldig. Viele dringen daher nur in Gebäude ein, bei denen Fenster oder Türen offen stehen. Sagen sie zumindest – denn der Kick, als erster einen verlassenen Ort zu erkunden, reizt viele . Mit dem KURIER erkundet Joe nun eine stillgelegte Fabrik samt Wohnungen in Niederösterreich. Der Ort, so eine weitere ungeschriebene Regel, muss geheim bleiben. "Sonst ist er ganz schnell im Eimer." Es gebe bereits zahlreiche Gebäude, durch die sich eine Spur der Verwüstung ziehe.

Kein Gefallen

"Der erste, der das Schloss knackt, tut dem Gebäude keinen Gefallen", erklärt Wolfgang Morscher, der das Portal www.sagen.at betreibt und die Szene seit 15 Jahren beobachtet. Viele Gruppen hätten Interesse an alten Gebäuden. Von Sprayern über Altwarenhändler bis hin zu Porno-Produzenten, die Locations suchen.

Der Kick mit dem Klick
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Zudem spricht Morscher von einem regelrechten Hype um das Urban Exploring, der durch die Präsentation schaurig-romantischer Fotos im Internet und der Lust am Fotografieren befeuert wird. Von rund 50 Leuten sei die Szene auf mehr als Tausend angewachsen. "Es ist die Mischung aus dem Verbotenem, der Kulturdokumentation und der Lust an der Schatzsuche", sagt er. Mit der Zahl der Fans sei auch jene der schwarzen Schafe stark gestiegen.

Mittlerweile würden die Eigentümer Konsequenzen ziehen und in Securities und Überwachung investieren. Für die Urban Explorer wird es zunehmend schwierig, Gebäude zu dokumentieren. Dabei erhöht sich auch der Einsatz: "Es zählt zu den Kronjuwelen, ein Foto von einem Wachmann zu machen", so Morscher.

Neben der Gefahr, erwischt zu werden, drohen auch Verletzungen: "Es ist gefährlich, etwa wenn man die Tragfähigkeit von Böden falsch einschätzt", erzählt Joe bei der Tour durch die Fabrik. Eine morsche Holzbrücke führt über einen Bach in eine Halle. Hier muss Vorsicht gelten. Die Brücke hält. Alte Öfen und Geräte, überzogen von Rost, zeugen von früherer Geschäftigkeit. Joe fotografiert – ein Zeitzeugnis entsteht.

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