"Doktor Rosen": Der Häftling, dem die Frauen vertrauen
Arzt, 39 Jahre alt, wohnhaft in einer Villa in Wien-Döbling, als medizinischer Helfer in Syrien engagiert und Single. Mit dieser Personenbeschreibung suchte „Doktor Rosen“ – durchaus erfolgreich – auf Dating-Plattformen im Internet sein Glück. Bloß: Das vielversprechende Profil hatte ein 62-jähriger Häftling im Gefängnis Graz-Karlau angelegt. Er vertrieb sich in seiner Zelle die Zeit mit Online-Partnersuche. Und lockte mehreren ihm verfallenen Damen Geld, Wertsachen und Lebensmittel heraus. Am Montag hat in Wien der Prozess gegen den Mann begonnen.
Schon in der Vergangenheit hatte der Häftling einsame Frauen dazu gebracht, ihm Geld und Wertgegenstände zu überlassen, indem er ihnen Lügenmärchen auftischte und eine Beziehung in Aussicht stellte. Deshalb sitzt er in der Grazer Haftanstalt ein – offizielles Strafende: 2029. Der Schwindler nutzte ein in die Zelle eingeschmuggeltes Handy, um sich unter falschem Namen auf einer Partnervermittlungsseite zu registrieren und weiter Single-Frauen um den Finger zu wickeln.
Angebissen
Immerhin sieben Damen fielen zwischen Jänner 2017 und 2018 auf seine Masche hinein. Laut Anklage brachte der 62-Jährige sie dazu, ihm Geld auf sein Konto zu überweisen und Lebensmittel, Wertsachen und Alltagsgegenstände – darunter auf seinen Namen personalisierten Tee – für ihn zu beschaffen.
Der Angeklagte bekannte sich am Montag „nicht schuldig“ und wollte zu den Vorwürfen nicht Stellung nehmen. Seine Befragung wird beim nächsten Termin am 4. Juni nachgeholt. Aus den Zeugenaussagen der Frauen ergab sich aber ein Bild, das den Angeklagten recht deutlich als eine Art Baron Münchhausen erscheinen lässt.
Eine 31-jährige Krankenschwester brachte der Schwindler etwa dazu, ein Dirndl als vorgebliches Weihnachtsgeschenk für dessen Tochter zu kaufen. Zudem erbat er sich von ihr eine Duftlampe, „um den Leichengeruch in Syrien zu übertünchen“. Da der angebliche Arzt ihr vorgemacht hatte, er müsse im Moment im syrischen Kriegsgebiet Notoperationen durchführen, holte seine angebliche Ordinationshelferin die Sachen ab.
Bei dieser handelte es sich in Wahrheit um eine 35-jährige Burgenländerin, der der Angeklagte die Ehe und Kinder versprochen haben soll. Sie kochte für ihn in großem Stil warme Mahlzeiten und fror diese ein, weil sie auf Basis seiner Erzählungen davon ausging, das Essen würde für Hilfslieferungen nach Syrien benötigt: „Er hat gesagt, dass sie unten in Syrien auch Kühlschränke haben.“
Mit Nacktfotos erpresst
Dabei bekamen die Frauen den Mann ihrer Träume, mit dem sie über WhatsApp oder Skype kommunizierten, nie zu Gesicht. Er zeigte von sich keine Fotos her. Dafür aber erhielt der Mann von einigen Opfern Nacktfotos. Damit soll er die Frauen bei Bedarf unter Druck gesetzt haben, indem er drohte, er werde die Bilder publik machen. Dem 62-Jährigen wird daher nicht nur schwerer gewerbsmäßiger Betrug, sondern auch Erpressung vorgeworfen. Im droht eine Zusatzstrafe von bis zu siebeneinhalb Jahren.
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