Der Gastronomie gehen die Köche aus

Der Gastronomie gehen die Köche aus
Viele Betriebe tun sich vor Saisonbeginn schwer, genug Küchenpersonal zu finden. Rund 1600 Stellen wären frei.

Auf dem Kitzsteinhorn in Kaprun hat der Winter bereits vor Wochen begonnen. Mehr als ein Meter Schnee liegt am Berg: Die Pisten am Gletscher präsentieren sich Mitte November von ihrer besten Seite. Auf den Hängen tummeln sich neben Tourengehern und Trainingsgruppen die ersten Skitouristen.

Unten im Tal trifft die Hotellerie letzte Vorbereitungen für die anlaufende Saison. So auch in einem Vier-Stern-Betrieb im Ort. Am Freitag soll dort der Küchenbetrieb starten. Obwohl sie bereits nach der Sommersaison mit der Personalsuche begonnen habe, fehlen ihr immer noch ein Koch und ein Küchengehilfe, erzählt die Hotel-Chefin auf Anfrage. "Es wird von Jahr zu Jahr noch schwieriger", sagt sie. Drei weitere Servicekräfte gehen ab. "Wenn wir die Stellen nicht besetzen können, muss man selber die doppelte oder dreifache Arbeit verrichten", meint die Chefin sorgenvoll. Ihren Namen will sie dann doch lieber nicht in der Zeitung lesen – offenbar sind negative Nachrichten so kurz vor Saisonbeginn unerwünscht.

Zu wenige bleiben dabei

Seit Jahren zeichnet sich ein Engpass bei den Köchen ab. Die Lehrlingszahlen sind rückläufig. Und die wenig familienfreundlichen Arbeitszeiten würden auf Dauer abschrecken, meint Wilfried Beer vom Arbeitsmarktservice (AMS) in Salzburg. "Die Branche hat das Problem, dass zu wenige dabei bleiben. Mit dem Alter gehen viele verloren." Im Bundesland waren mit Stichtag 31. Oktober 246 Stellen frei. Am größten war der Bedarf in Oberösterreich (309), vor Tirol (274) und Wien (255). Österreichweit sind es 1627 offene Stellen gewesen, ein Fünftel mehr als im Vorjahr (siehe Grafik). Auch wenn Beer einwirft, dass in dieser Statistik "Stichtagseffekte" nicht ausgeschlossen seien – Köche sind unbestritten Mangelware.

Der Gastronomie gehen die Köche aus
Besonders groß ist der Bedarf kurz vor Beginn der Wintersaison in den Tourismushochburgen des Landes. Alleine im Pinzgau und im Pongau seien insgesamt 650 Küchenjobs(Köche, Hilfsköche, Abwäscher, etc.)unbesetzt, sagt Hans Scharfetter, Tourismussprecher der ÖVP-Fraktion im Salzburger Landtag. "Selbst für Haubenlokale wird es immer schwieriger, ausreichend Küchenmitarbeiter zu finden", betont er. Er fordert nun, den Beruf der Köche und Hilfsköche auf die Liste der Mangelberufe zu setzen(siehe Text unten), um den Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt auch für Nicht-EU-Bürger zu erleichtern.
Der Gastronomie gehen die Köche aus
Mario Pulker, Obmann der Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftskammer Österreich
Der Mangel an Küchenpersonal betreffe genauso den Osten des Landes, sagt Mario Pulker. Er ist der Obmann der Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftskammer und führt selbst einen Hotel- und Restaurantbetrieb in der Wachau (NÖ). "Ich habe voriges Jahr geglaubt, dass ich den À-la-carte-Betrieb zusperren muss, weil ich kaum Personal gefunden habe", schildert Pulker. Den Markt beschreibt er als "leergefegt".

Akademisierungstrend

Weniger Lehrlinge wegen geburtenschwacher Jahrgänge und ein Akademisierungs-trend seien nicht die einzigen Gründe für den Mangel an Köchen. Ihm habe das AMS 18 Jobsuchende vorgeschlagen, die infrage gekommen wären. Ernsthaft am Arbeitsplatz interessiert sei davon aber niemand gewesen, meint Pulker. "Teilweise sind die Leute nicht einmal bereit, eine halbe Stunde Anfahrt in Kauf zu nehmen." Er fordert eine Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen. "Solange der Sozialminister glaubt, dass es die soziale Hängematte nicht gibt, sind dem AMS die Hände gebunden." Forderungen der Gewerkschaft nach mehr Lohn weist er ab – schließlich sei kaum jemand bereit, 25 Euro für ein Schnitzel zu zahlen.


Die Salzburger ÖVP fordert daher, die Berufsgruppe der Köche und Hilfsköche in die Mangelberufsliste aufzunehmen. Die Liste wird derzeit auf Bundesebene verhandelt. Acht Berufsgruppen sind darin aktuell berücksichtigt, zum Beispiel Dreher, Fräser und Krankenpfleger. Diese Jobs dürfen nach Erhalt einer „Rot-Weiß-Rot“-Karte (berechtigt Drittstaatsangehörige zur befristeten Niederlassung und zum uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang in Österreich) auch von Nicht-EU-Bürgen ausgeübt werden.

"Billige Arbeitskräfte"

Wenig vom Vorstoß der Landes-ÖVP halten die Salzburger Freiheitlichen. Der Personalmangel liege nicht an zu wenigen ausgebildeten Köchen, sondern an schlechter Entlohnung und den Arbeitszeiten. Die FPÖ vermutet eine „Hintertür für Billigarbeiter“. Ähnlich kommentiert Berent Tusch, Chef des Fachbereichs Tourismus in der Gewerkschaft vida, das ÖVP-Vorhaben. "Nach neuen billigen Arbeitskräften zu rufen, löst das Problem nicht", sagt Tusch. Stattdessen solle die Branche ordentliche Arbeitsbedingungen schaffen.

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