Für das „Österreichische Biographische Lexikon“ wurden in den vergangenen 70 Jahren Lebensläufe bedeutender Persönlichkeiten der österreichisch-ungarischen Monarchie gesammelt.
Ein wissenschaftliches Mammutprojekt ist zu Ende gegangen: Nach 70 Jahren ist die Print-Version des „Österreichischen Biographischen Lexikons 1815–1950“ abgeschlossen. Laut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist es das „europaweit einzige Nachschlagewerk, das Lebens- und Karriereverläufe bedeutender Persönlichkeiten des gesamten Gebiets der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie erfasst“. In 16 Bänden sind Informationen zu rund 20.000 Persönlichkeiten gesammelt.
„Neben der erwartbaren Prominenz wie Johann Strauss, Egon Schiele oder Bertha von Suttner finden sich viele Persönlichkeiten, die zwar nicht mehr mit ihrem Namen, wohl aber mit ihren Erfindungen, Kunstwerken oder Pionierleistungen präsent sind“, sagt Chefredakteurin Christine Gruber. Sechs solcher Biografien wurden exemplarisch für den KURIER ausgewählt.
Auch online kann man sich auf die Suche nach spannenden Lebensgeschichten machen: Die Biografien sind auf www.biographien.ac.at abrufbar.
Eine Ikone des Kochens
Katharina Pratobevera (1818–1897) „Hoch gelehrt war einstens Plato. Weiser aber war die Prato.“ Im 19. Jahrhundert bezog sich dieses geflügelte Wort auf Katharina Pratobevera, die mit „Die Süddeutsche Küche“ einen Kochbuch-Klassiker geschaffen hat. 1858 ist es in Graz erstmals erschienen und war rasch vergriffen – im Verlauf der nächsten hundert Jahre wurde es 80 Mal neu aufgelegt. Viele Generationen haben dank ihr kochen gelernt. Viele Zutaten sind aus den heutigen Küchen längst verschwunden, wie etwa Fischotter. Die Rezepte für „Gebackene gefüllte Ohren“ oder „Kuh-Euter“ würden wohl auch nicht mehr viele Fans finden.
Spion, Mönch und Hochstapler
Ignatius Timothy Trebitsch-Lincoln (1879–1943) An Selbstbewusstsein mangelte es ihm nicht: Im Jahr 1931 gab Ignatius Timothy Trebitsch-Lincoln ein Buch über sich selbst heraus. Der Titel: „Der größte Abenteurer des XX. Jahrhunderts!?“. (sic!) In Österreich-Ungarn wurde er geboren und bereiste von dort aus die halbe Welt. Er war Hochstapler und als Spion für Deutschland, Japan, Großbritannien und die USA tätig. Zudem wird er mit Putschversuchen in Europa und Asien in Verbindung gebracht. In China wurde er zum buddhistischen Mönch ordiniert und drohte danach mehreren Regierungen, gegen sie Kräfte unbekannten Ausmaßes zu entfesseln.
Vorkämpferin für Ärztinnen
Gabriele Freiin Possanner von Ehrenthal (1860–1940) Die österreichische Ärztin war die erste Frau, die an einer Universität Österreich-Ungarns promovierte. Sie durfte zunächst nur in Bosnien arbeiten – dort weigerten sich Musliminnen, sich von Männern untersuchen zu lassen. Possanner von Ehrenthal kämpfte dafür, auch in Wien praktizieren zu dürfen und setzte sich schließlich durch. Bei ihrer Promotion 1897 schrieb ihr Doktorvater in der Wiener Sonn- und Montagszeitung: „Da nun Frauen an Intelligenz und Willenskraft den Männern nicht nachstehen, so ist nicht einzusehen, weshalb den Frauen höhere Berufskreise verschlossen bleiben sollen.“
Der Erfinder der Skibindung
Mathias Zdarsky (1856–1940) Der 1.200 Meter hohe Mount Zdarsky in der Antarktis ist nach dem Erfinder der ersten modernen Skibindung benannt. Mathias Zdarsky konstruierte die Lilienfelder Stahlsohlenbindung und gilt damit als einer der Begründer der alpinen Skilauftechnik. Beim Experimentieren griff er auf spezielle Utensilien zurück: Als er von Fridtjof Nansens Grönlanddurchquerung auf Schneeschuhen erfuhr, ließ er sich solche etwa aus Oslo liefern. 1905 veranstaltete er auf dem Muckenkogel bei Lilienfeld (Niederösterreich) den ersten Torlauf der alpinen Skigeschichte statt. Zudem war er auch Maler und Bildhauer.
Würfelzucker als Liebesbeweis
Jakob Christoph (1799–1871) und Juliana Rad (1820–1883) Die Geschichte über die Erfindung des Würfelzuckers ist eine kleine Liebesgeschichte: Zu den Aufgaben der Ehefrau von Fabriksdirektor Jakob Christoph Rad zählte, für das leibliche Wohl der unverheirateten, höher gestellten Mitarbeiter zu sorgen. Juliana Rad verletzte sich beim Zerhacken des Zuckerhutes am Finger und erklärte, dass der Zucker in Würfelform praktischer wäre. Ihr Mann nahm den Vorschlag seiner Frau so ernst, dass er ihn in die Tat umsetzen wollte. Nur drei Monate später soll er seiner Frau eine kleine Kiste mit 350 weißen und roten Zuckerstücken als Präsent überreicht haben.
Dompteuse und Unternehmerin
Henriette Willardt (1866–1923) Als Tochter eines Schaustellerehepaars war ihr Weg vorgezeichnet: Henriette Willardt wurde als Miss Senide bekannt. Ihre große Liebe galt Raubtieren und sie wurde zu einer der weltweit erfolgreichsten Dompteusen. Eine ihrer Nummern war das „diner africain“. Dabei soll sie einem Panther ein Stück Fleisch in den Rachen geworfen haben und ihm dann mit der Hand das Fleisch wieder aus dem Maul gerissen haben, bevor er es schlucken konnte. Dabei dürfte sie sich allerdings öfter verletzt haben. Später gründete sie einen Zirkus. Ihr ausgestopfter Lieblingslöwe ist im Wiener Pratermuseum ausgestellt.
Kommentare