„Einraucher“ gesucht
Da liegen sie, sorgsam verwahrt, in schmucklosen Laden: zum Beispiel eine „Prunkpfeife“ aus 1873. Mit weißen Handschuhen wird sie aus ihrer mit lila Samt ausgelegten Box gehoben: eine gekrönte Europa sitzt an der (Erdkugel-)Spitze. Geraucht hat mit diesem imposanten Objekt aus Meerschaum niemand. Es ist eher ein Zeugnis der Handwerkskunst in noblem Alabasterweiß. Eine benutzte Meerschaumpfeife ist braun verfärbt. Damit sie das gleichmäßig tat und Erzeugungsrückstände des brandneuen Stücks (wie Fette und Lacke) buchstäblich verrauchten, hatte man seinerzeit sogar „Einraucher“ engagiert, die mit kräftigen Zügen für eine Verfärbung des schneeweißen Materials sorgten.
Das weiche Mineral ist zur Bearbeitung ideal und erfüllt seinen Zweck: Weil es porös ist, bildet sich keine Feuchtigkeit im Pfeifenkopf, wie das in den späteren Porzellanpfeifen der Fall war. Diese hatten dafür dann eine Art Sack, den man nach Gebrauch ausleerte. Natürlich sind auch diese Pfeifen hier zu bewundern, nebst den unentbehrlichen Spucknäpfen, die in keinem Haushalt fehlen durften.
Der Kaiser war Vielraucher
Die Kuratoren Sabine Fellner und Georg Thiel haben viel zu berichten, auch Kurioses – etwa, dass Kaiser Franz Joseph Abführmittel nehmen musste. Da er jahrzehntelang fünf bis sechs Zigarren am Tag rauchte, wurden ihm im Alter eine leichtere Zigarrenmarke und schwere Opiate gegen seinen permanenten Raucherhusten verordnet. Opium löst jedoch Verstopfung aus. (Eigentlich ein Wunder, dass Franz Joseph so alt wurde.)
Eines der kostbarsten Objekte ist die Schnupftabakdose des Preußenkönigs Friedrich des Großen. Er besaß eine ganze Sammlung an „Tabatieren“, ja entwarf sogar selbst solche Stücke, mit denen sich die hohen Herren damals schmückten. Damen durften ja lange nicht rauchen, sehr viel später (so in den 1920er-Jahren) galt das dann als besonders erotisch.
Einige der Schnupftabakdosen (und Pfeifen) sind gar mit durchaus frivolen Zeichnungen oder figürlichen Darstellungen verziert. Geschnitzte Pornos, die seriöse Herren im Rauchersalon herumreichten, wenn die Damen im Salon Liköre schlürften.
Manche dieser Tabakdosen sind aus Edelmetall und mit Brillanten verziert: damals ein Prestigeobjekt, ähnlich einer teuren Uhr heute. Wolfgang Amadeus Mozart bekam übrigens viele solche Döschen als Honorar – und verkaufte sie weiter, schließlich musste er ja oft Schulden bezahlen.
Später fertigte auch k. & k Juwelier A. E. Köchert solch „schmucke“ Gebrauchsgegenstände – vieles in Serie. Die Prachtexemplare wurden gerne verschenkt, auch von Kaiser und Königen.
1928, als man Zigaretten längst nicht mehr einzeln, sondern im Päckchen verkaufte, organisierte die damalige „Tabak-Regie“ einen großen Kunstwettbewerb für ein neues Verpackungsdesign. 40 namhafte Künstler nahmen teil. Neue Zigarettenmarken, auch eine für Damen, wurden eingeführt: mit rotem Seidenband um den Filter. Im Museum Leopold gab es vor sieben Jahren eine Sonderausstellung dazu.
Selbst unter den Nationalsozialisten blieb der Firmenname „Österreichische Tabakregie“ bestehen. Mit den Trafikanten, seit jeher Meinungsmacher, wollten sie es sich nicht verscherzen. Auf den Emailschildern wurde nur der ständestaatliche Bundesadler mit dem Hakenkreuz überdeckt.
Beppo Mauhart kaufte ein
Jahrzehnte später kam zur historischen Tabaksammlung moderne Kunst dazu. Der legendäre (2017 verstorbene) Austria-Tabak-Chef Beppo Mauhart – so gut wie immer mit edlem Rauchwerk in der Hand anzutreffen – trat als Kunstmäzen auf und kaufte Bilder österreichischer Gegenwartskünstler aus der gut gefüllten „Portokasse“ des staatlichen Monopolbetriebs.
Ihre Motive sollten im weitesten Sinn etwas mit dem Rauchen zu tun haben: Daher liegen nun auch Werke von Kiki Kogelnik, Christian Ludwig Attersee und vieler junger Akademie-Abgänger im Depot, erstmals katalogisiert. Der Generaldirektor ließ seine Erwerbungen in Büros und Fabriken weltweit aufhängen. Manch schönes Werk hat sich damals wahrscheinlich wie „blauer Dunst“ verflüchtigt.
Heikle Leihtätigkeit
Einiges aus dieser verborgenen Schatzkammer wird für Ausstellungen verliehen. Seit aber Rauchen quasi auf dem Index steht, ist selbst Leihtätigkeit heikel, weil man damit schnell mit dem Gesetz in Konflikt gerät, das auch indirekte Tabakwerbung verbietet. „Wir sind sehr stolz auf unsere weltweit einzigartige Sammlung und sehr enttäuscht, dass einige Behördenvertreter diese der Öffentlichkeit vorenthalten wollen“, sagt Ralf-Wolfgang Lothert, der in der JTI-Geschäftsführung für Kommunikation und Corporate Affairs verantwortlich ist.
So werden die Objekte, nebst historischen Firmenbüchern, handgeschriebenen Folianten, Materialproben und Rezepturen wohl weiter an diesem ungewöhnlichen Ort im Halbdunkel ruhen.
Kommentare