Da ging die Post ab: Von der Nostalgie des Kartenschreibens

Da ging die Post ab: Von der Nostalgie des Kartenschreibens
Viel mehr als ein Gruß aus dem Urlaub: Ansichtspostkarten dienten zur täglichen Kommunikation, entfachten eine manische Sammelleidenschaft und waren Gradmesser der eigenen Beliebtheit.

Selten ist etwas nur schwarz oder weiß. Die einen schätzten die Vorzüge dieser neuen Form der Kommunikation: Man könne sich endlich schneller und unkomplizierter über Alltägliches austauschen. Und dabei auch noch zeigen, welch schöne Orte man bereist habe.

Stress aufgrund der Vielzahl an eintreffenden Nachrichten, befürchtete hingegen so mancher Kritiker. Und man werde „seh-faul“, achte nicht mehr richtig auf die Umgebung und Reisen verkomme zur Jagd nach dem schönsten Bild.

Nein, die Rede ist nicht von WhatsApp, Instagram und Co. – sondern von der Postkarte. „Als schöne Sitte“ empfanden sie die einen, als „siebente Plage“ die anderen.

Experten nahmen nun 134 Ansichtskarten von 1905 bis 1970 unter die Lupe, die aus medizinischen Einrichtungen in ganz Österreich verschickt wurden. Wie sich zeigt, waren Postkarten im 20. Jahrhundert ein wichtiges Mittel zur alltäglichen Kommunikation. Im Buch „Medizinische Einrichtungen auf Ansichtspostkarten“ skizzieren die Autoren aber auch auf unterhaltsame Art die (Erfolgs-)Geschichte der Postkarte.

Im 19. Jahrhundert kommunizierte man vor allem noch per Brief. Doch das Schreiben war zeitaufwendig, das Versenden teuer. Die Correspondenzkarte, wie sie anfangs hieß, ermöglichte, rasch und unkompliziert kurze Nachrichten zu übermitteln.

1,4 Millionen Stück

Ab 1869 konnte man Correspondenzkarten in Österreich-Ungarn erwerben und versenden – ganze 1,4 Millionen Stück wurden im ersten Monat verkauft. Die Vorderseite war für die Adresse, die Rückseite für Text vorgesehen; Bilder waren vorerst noch keine aufgedruckt.

Für diesen Erfolg gab es mehrere Gründe, erklärt Medizinhistorikerin Andrea Praschinger: „Immer mehr Menschen konnten lesen und schreiben und wollten schriftlich kommunizieren.“ Zudem wurden die Menschen mobiler: Weniger arbeiteten zu Hause, viele pendelten in die Städte. Zudem ermöglichte der Ausbau der Eisenbahn Ausflüge.

Eine Karte war die einfachste Methode, die Angehörigen von sich hören zu lassen. Übrigens war die Postkarte auch im Ersten Weltkrieg die wichtigste Verbindung zwischen jenen an der Front und ihren Angehörigen.

Ein Bild sagt mehr ...

Dass bald die Bildpostkarte folgte, lag „eigentlich in der Luft“, so Praschinger: „Die Menschen wollten Bilder schicken, um zu zeigen, wo sie waren.“ Zudem wurde damals auch die Fotografie populär. 1885 wurde das Versenden von Ansichtskarten erlaubt.

Bald erkannte die Werbebranche das Potenzial der „Gruß aus ...“- Karten. Jeder Ort, ja jedes Reha-Zentrum wollte sich von seiner schönsten Seite zeigen: „Damals wurde es auch üblich, dass die Menschen auf Kur gingen“, erklärt Praschinger.

Während auf klassischen Ansichtskarten aus dem Urlaub oft über das Wetter und die Schönheit des Ortes geschrieben wurde, fanden die Experten bei Karten aus den Kuranstalten weniger Bezug zwischen Text und Bild. 40 Wörter schrieben die Verfasser im Schnitt: „Oft ging es um Alltägliches, wie um die Bitte, die Blumen zu gießen oder den Installateur zu rufen. Etwas, was man heute per WhatsApp schreiben würde“, beschreibt Praschinger.

Weltläufigkeit

Postkarten-Sammeln wurde jedenfalls zur regelrechten Manie – man „verspottete den Brauch und machte trotzdem mit“, heißt es im Buch. Wie viele man verschickte, zeigte die eigene Weltläufigkeit. Wie viele man erhielt, wurde Gradmesser der Beliebtheit.

Bergab ging es dann ab den 1950er-Jahren: „Da waren Telefone schon verbreiteter. Und Urlaub war in den Nachkriegsjahren weniger ein Thema“, erklärt Praschinger. Erst Ende der 1970er-Jahre wurde die Postkarte wieder populärer, auch Künstler begannen, sich mit deren Gestaltung zu befassen.

Und heutzutage? Im Sprachgebrauch ist sie nach wie vor präsent: Man denke an den Postkartenblick, die Postkartenidylle, das Postkartenpanorama. Wie viele Karten noch versendet werden, wird von der Post nicht mehr erfasst. Doch es gibt treue Fans. Etwa Burgtheater-Schauspielerin Caroline Peters, die einen Postkartenladen in Wien betreibt. Und auch die Post bietet online ein eigenes Kartenstudio, um eine individuelle – digitale – Karte zu erstellen.

Wenn man möchte, auch in Schwarz-Weiß.

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