Burkaverbot "nimmt keiner ernst"
Frische 15 Grad Lufttemperatur und ein kräftiger Regenschauer: An diesem Mittwochvormittag herrscht in Zell am See jenes Wetter, für das viele Urlauber aus den arabischen Ländern neben dem See und der umliegenden Berglandschaft mit dem Gletscher am Kitzsteinhorn in die Region reisen. Seit der Jahrtausendwende ist diese Gästegruppe ausgehend von einzelnen Besuchern zu einer Säule im Sommertourismus geworden. Bis zu ein Drittel der Nächtigungen sind in den vergangenen Jahren auf die Urlauber aus diesem Herkunftsmarkt entfallen.
Dementsprechend groß waren die Befürchtungen, dass die Gäste Zell am See den Rücken kehren könnten, als das sogenannte Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz in Kraft trat. Seither sind neun Monate vergangen. Nach dem Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan werden in den kommenden Wochen zunehmend die Urlauber aus dem arabischen Raum erwartet.
Für eine Prognose ob es Rückgänge geben wird, sei es noch zu früh, sagt eine Zeller Hotelierin. Zumindest die Buchungslage sei vergleichbar mit den Vorjahren. „Man kann es noch nicht einschätzen, die Saison beginnt erst“, heißt es von Bürgermeister Peter Padourek. Er habe aber keine Bedenken, weil die gesamte Region international breit aufgestellt sei.
„Geht mich nichts an“
Der Wiener Unternehmer Bülent Haro betreibt seit 2006 das Restaurant Ali Baba in der Seegasse, das sich auf muslimische Gäste spezialisiert hat – die Speisen sind halal, Alkohol wird nicht ausgeschenkt. „Wir haben die Sorge gehabt, dass es weniger wird“, sagt Haro. „Wir werden erst nach der Saison sehen, ob es wegen diesem Gesetz weniger Nächtigungen gibt, als in den vergangenen Jahren“, meint er.
Der Juni lässt ihn aber hoffen, obwohl der Ramadan erst zur Monatsmitte zu Ende gegangen ist. Die „super Umsatzzahlen“ stimmen ihn „zuversichtlich und optimistisch“, sagt Haro, während am Tisch gegenüber ein Mann und zwei in Niqabs gehüllte Damen Platz nehmen. Ob er seine Gäste auf die neue Gesetzeslage hinweist? „Nein, das geht mich überhaupt nichts an. Ich bin Gastronom. Das ist Aufgabe der Exekutive.“
Ähnlich reagiert Astrid Hochstaffl, die in einem Feinkostladen arbeitet. Auch hier ist eine Kundin im Niqab anzutreffen. „Das Verbot nimmt keiner ernst. Und ich finde das in Ordnung“, sagt Hochstaffl. „Ich lege mich in ihren Ländern auch im Bikini an den Strand, also sollen sie sich bei uns auch ihrer Kultur entsprechend kleiden dürfen.“ Sie selbst habe fünf Jahre als Tauchlehrerin in Ägypten gearbeitet und sei deswegen „nicht einmal angeredet“ worden, erzählt sie.
Die verhüllten Touristen anzusprechen und auf das geltende Verbot hinzuweisen, beschäftigt derzeit die örtliche Polizei. Dort will man Verhältnismäßigkeit und „Fingerspitzengefühl“ walten lassen, sagt Bezirkspolizeikommandant Kurt Möschl. „Wir haben noch keine negativen Erfahrungen gemacht.“
Bisher hätten seine Beamten einige Organstrafverfügungen gegen Unbelehrbare verhängt, Anzeigen seien aber ausgeblieben. Dass trotzdem nach wie vor vollverschleierte Urlauberinnen im Stadtzentrum anzutreffen sind, erklärt sich der Chef der Pinzgauer Polizei mit der Anreise der Gäste. „Der Großteil, der bei uns verhüllt ist, kommt über München.“ Weil es in Deutschland kein vergleichbares Gesetz gibt, würden diese Urlauber nicht Bescheid wissen – im Gegensatz zu jenen, die über den Flughafen Schwechat einreisen, wo auf das Verbot hingewiesen werde.
Wachstumshoffnungen
Seitens der Österreich Werbung will man bisher „kaum Anfragen oder Beschwerden“ zum Verhüllungsverbot registriert haben. „Die Medien in der Region haben sehr sachlich und inhaltlich korrekt über das Thema berichtet, in den sozialen Medien wurde es kaum diskutiert“, sagt Unternehmenssprecherin Ulrike Rauch-Keschmann. Gesellschaftspolitische Veränderungen und zwei neue Direktflüge zwischen Wien und der saudi-arabischen Hauptstadt Riad lassen die Tourimusvermarkter sogar auf Wachstum hoffen: Im Vorjahr wurden österreichweit mehr als 1,3 Millionen Nächtigungen von arabischen Gästen gezählt. Mehr als drei Viertel davon entfielen auf Salzburg und Wien.
Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz: Bis zu 150 Euro Strafe
Neue Regeln: Das Verhüllungsverbot ist als Teil eines neuen Integrationsgesetzes am 1. Oktober 2017 in Kraft getreten. Seither ist es verboten, im öffentlichen Raum Gesichtszüge durch Kleidung und oder andere Gegenstände zu verbergen. Verstöße können mit Organstrafverfügungen in Höhe von bis zu 150 Euro geahndet werden. Wird die Verhüllung nicht abgenommen und die strafbare Handlung damit fortgesetzt, kann die betroffene Person von der Polizei festgehalten werden.
Ausnahmen: Vom Verhüllungsverbot ausgenommen sind Kostüme im Fasching, zu Halloween oder bei Traditionsveranstaltungen. Ein Mund- bzw. Atemschutz ist erlaubt, wenn gesundheitliche oder berufliche Gründe vorliegen.
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