Flucht nach unten: Warum private Bunker in Österreich boomen

Ein Mann mit Brille öffnet eine schwere Metalltür in einer Wand.
Seit dem Ukraine-Krieg hat sich die Nachfrage nach Schutzräumen verdoppelt - vernünftige Vorsorge oder absurde Endzeit-Fantasie?

Falls der Krieg nach Traunkirchen kommt, hat Fritz Holzleitner einen Plan. Der 62-jährige Oberösterreicher sitzt auf einem Gartenstuhl in dem kahlen weißen Raum, der ihm im Ernstfall das Leben retten soll. Es riecht nach kaltem Rauch, das Licht der Leuchtstoffröhre ist grell. Es ist kein gemütlicher Ort, um die Katastrophe abzuwarten.

Vor fünf Jahren hat der Unternehmer den alten Schutzraum an der Uferstraße des Traunsees auf den neuesten Stand bringen lassen. Der Sandfilter kann Viren und radioaktive Strahlung aus der Luft holen. Der Notausstieg zum Parkplatz ist für den Fall, dass die Eingangstür durch Trümmer versperrt ist. Die Wände sind aus 30 Zentimeter dickem Stahlbeton.

„Man weiß nicht, was passieren wird. Und hier kann ich meine Familie unterbringen“, sagt Fritz Holzleitner. Er denkt in erster Linie an die Atomkraftwerke jenseits der österreichischen Grenze. Die Pandemie und der Ukraine-Krieg hätten seine Entscheidung nur noch bestätigt. „Viele Menschen glauben, das erledigt schon jemand für sie. Ich bin aber ein Typ, der an übermorgen denkt.“

Ein Schutzraum mit Stühlen, Tisch und einer Regalanlage.

Der Bunker von Fritz Holzleitner hat rund 25 Quadratmeter

Nachfrage verdoppelt

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 hat sich die Nachfrage nach privaten Bunkern verdoppelt. Das sagt Manfred Schuster. Seine Firma in der Nähe von Vöcklabruck ist Österreichs einziger Anbieter für Schutzräume. Das Geschäft mit der Sicherheit floriert aber nicht nur hierzulande. Er hat Aufträge in ganz Europa – und im Mittleren Osten. Rund 20.000 Euro kostet ein solches Bauvorhaben inklusive technischer Ausstattung, Einrichtung und Notvorrat. Nach oben hin gibt es natürlich keine Grenzen. Er habe Kunden gehabt, die sich einen 60 Quadratmeter großen Schutzraum wie eine Wohnung einrichten ließen. Und andere, die ihn als Weinkeller oder Tresorraum nutzen. „Es soll ja kein verlorener Raum im Haus sein“, sagt Manfred Schuster. Er schätzt, dass etwa drei bis fünf Prozent der Österreicherinnen und Österreicher einen Schutzraum haben. Statistiken dazu gibt es keine.

Rund um den Wunsch, sich für den Ernstfall zu rüsten, entsteht derzeit eine ganze Industrie. Das zeigt sich auch am US-Unternehmen Vivos. Es kauft alte Schutzräume von Regierungen auf und baut sie zu autarken Gemeinschaftsbunkern um – inklusive allerlei Komfort wie Restaurant, Fitnessraum, Klinik und Kino. Glaubt man den Slogans auf der Webseite, soll sich darin so ziemlich jedes Ereignis überstehen lassen: von „natürlichen Katastrophen wie Erdbeben, Tsunamis, Asteroiden-Einschläge“, bis hin zu „nuklearen Unfällen, Terrorismus, Blackout“.

Ein Mann schließt ein Rohr an eine Schutzraumlüftungsanlage an.

Wenn der Strom ausfällt, muss man den Ventilator händisch kurbeln 

Vivos bietet Plätze in Bunkern in Indiana, South Dakota und Rothenstein in Thüringen, einem ehemaligen DDR-Munitionslager, an. Preislich geht es bei 35.000 Euro pro Person los. Ein privates Apartment mit über 200 Quadratmetern kostet zwei Millionen Euro. Bei der Auswahl der Bewohner achte man auf berufliche Qualifikationen, schließlich müsse das Dorf unter der Erde am Laufen gehalten werden.

Es klingt nach Science-Fiction, obwohl der Trend, sich einzubunkern, kein neuer ist. Während des Kalten Krieges war es in Österreich lange Pflicht, Neubauten mit einem Schutzraum auszustatten – je nach Bundesland betraf es öffentliche oder auch zivile Gebäude.

Extremfall Prepper

Doch wo verläuft die Grenze zwischen vernünftiger Vorsorge und absurder Endzeit-Fantasie? Wir alle kennen die Bilder aus Kiews U-Bahnen, wo sich Menschen vor russischen Bomben in Sicherheit bringen. Der Ukraine-Krieg war es auch, der das österreichische Bundesheer zum massiven Nachrüsten bewog. Die Bedrohungslage in Europa ist gestiegen. Erst vor Kurzem testete das Innenministerium das lang geplante Handy-Warnsystem für Katastrophen. Und der Zivilschutzverband rät generell dazu, sich Notvorräte anzulegen (siehe rechts).

Auf der anderen Seite steht die sogenannte Prepper-Szene. Also jene, die sich auf allerhand Katastrophen minutiös vorbereiten und – in extremer Ausformung – für den Zusammenbruch der Gesellschaft bewaffnen.

Mit Letzteren will Fritz Holzleitner aus Traunkirchen jedenfalls nichts gemein haben, auch wenn er immer wieder belächelt wird. „Manche machen sich lustig, aber ich lasse mich nicht auf Diskussionen ein“, sagt er. Er sieht seinen Schutzraum eher wie eine Versicherung. Man sei froh, einen zu haben, ihn aber nie zu brauchen. Falls doch, stehe er nämlich vor einem weiteren Problem: Er muss seiner Schwester sagen, dass er für ihre Familie hier keinen Platz mehr hat.

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