Zielfahnder fassten bereits 150 Verdächtige

Internet und soziale Medien sind für die Zielfahnder rund um Helmut Reinmüller eine Fundgrube
Ermittler des Bundeskriminalamts suchen Verbrecher rund um den Globus.

Dusko M. soll der Mann fürs Grobe gewesen sein. Er traf den richtigen Ton, wenn es darum ging, Fußballspielern eine Niederlage nahezulegen. 20-mal soll er so Spiele manipuliert haben. Die Justiz suchte den mutmaßlichen Hintermann des österreichischen Wettskandals wegen schweren Betrugs und schwerer Erpressung. Der Serbe saß in einer Wohnung in Düsseldorf, als die Polizei vor der Tür stand. Dusko M. ist der achte Verdächtige, der im Rahmen des Wettskandals festgenommen wurde. Und er ist der 150. gefasste mutmaßliche Täter, den die Zielfahnder des Bundeskriminalamtes (BK) ausforschen konnten.

Seit 2003 sind die Zielfahnder im Einsatz. Die Arbeit geht ihnen nicht aus. In Österreich werden 6000 Haftbefehle jährlich ausgestellt. Zehn Prozent gelten EU-weit, fünf Prozent weltweit. "Bei diesen fünf Prozent steigen wir ein", sagt Helmut Reinmüller, Chef der vierköpfigen Zielfahnder-Gruppe. Es sind die schweren Burschen, auf die es die Spezialisten abgesehen haben. Darunter 32 Mörder, und 51 Betrüger. Auch 13 Frauen befanden sich unter den Festgenommenen.

Bonuskarte

Die Suche gleicht der "einer Nadel im Heuhaufen". Abgetauchte Verbrecher nutzen falsche Namen, haben gefälschte Ausweise. Doch irgendwann findet sich der rote Faden. "Wir durchleuchten die Menschen, lernen sie kennen. Und jeder hinterlässt Spuren", erklärt Reinmüller. Und auch Verbrecher nutzen Bonuskarten der Supermärkte. "Es ist erstaunlich, was Menschen alles preisgeben, was sie zum Beispiel auf Facebook posten. Alle diese Infos können wir nutzen. Die Welt ist ein Dorf geworden." Ein großes Dorf. Neun Mal führten die Ermittlungen die Fahnder nach Südamerika, vier Mal nach Amerika, zwei Mal nach Thailand. Observationen, verdeckte Ermittlungen – all das muss mit der Justiz abgeklärt werden.

Im Ausland sind sie auf ihre Kollegen angewiesen. "Wir reisen ohne Waffen. Nur mit Akt und Laptop", sagt Reinmüller. Mitnehmen können die Kriminalisten die gefassten Täter allerdings nicht. "Das wär ein Traum. Aber die Auslieferung kann dauern." Ali I. etwa, der seine Frau in Wien getötet und seine Tochter schwer verletzt hatte, war in den Irak abgetaucht. Sechs Jahre lang dauerte es bis zur Auslieferung.

Auch Serbien liefert nicht aus. Doch irgendwann passiert jedem Gesuchten ein Fehler – oder ein Grenzübertritt.

Link: Bundeskriminalamt

Die Zielfahnder des Bundeskriminalamts haben am Montagnachmittag ihre Statistik weiter aufgebessert: In Gerasdorf bei Wien wurde eEine mutmaßliche Steuerhinterzieherin verhaftet. Die 38-jährige Serbin war von einem Berliner Gericht mit Europäischem Haftbefehl gesucht worden, weil sie in Deutschland als Geschäftsführerin von zwei Firmen mehr als 2,6 Millionen Euro hinterzogen haben soll, berichtete das Bundeskriminalamt (BK) am Mittwoch.

Die Verhaftung erfolgte demnach in Kooperation zwischen den Zielfahndern des BK und der FAST-Germany (Zielfahndung Berlin). Die inkriminierten Taten sollen zwischen April 2009 und Februar 2010 begangen worden sein. Die 38-Jährige soll Scheinrechnungen bzw. Gutschriften über Lieferungen von Kupfer ausgestellt haben.

Die Zielfahndung Berlin wurde mit den Fahndungsmaßnahmen betraut und stellte fest, dass sich die Frau vermutlich in Österreich aufhält. Ende Jänner 2014 wurden deshalb die Zielfahnder des BK eingeschaltet. Letztlich wurde die Gesuchte in Gerasdorf ausgeforscht. Über die Auslieferungshaft nach Deutschland hat die heimische Justiz zu entscheiden.

Es sind nur ein paar Dutzend Schritte, die einen Menschen altern lassen. Zumindest im Bildbearbeitungsprogramm, das die Zielfahnder des BK nutzen, um lang gesuchte Personen künstlich altern zu lassen, ihnen wieder ein Gesicht zu geben. Und zwar ein aktuelles. Im Fall der jahrelang vermissten Julia Kührer wurde das Aging-Verfahren erstmals in Österreich angewandt. Und auch bei Österreichs "Most Wanted", dem vermeintlichen Prostituiertenmörder Tibor Foco, kam diese Wissenschaft schon zum Einsatz.

"Auf dem letzten Bild war Foco 37 Jahre alt. Jetzt ist er über 50. Menschen verändern sich", sagt Helmut Reinmüller, Chef der Zielfahndung. Der Kopf wird mit dem Alter kleiner, ebenso die Augen. Die Lippen werden schmäler, die Nase länger. Und das Gesicht breiter. Dazu kommen noch ein paar Falten und Auffälligkeiten wie Muttermale. Der Rest ist künstlerische Freiheit. "Natürlich ist da viel Spekulation dabei", gibt Reinmüller zu. "Aber das Ergebnis ist oft erstaunlich nah dran."

Speziell bei Vermisstenfällen könnte das Aging künftig öfter zum Einsatz kommen. Wie im Fall der verschwundenen Maddie McCann aus Großbritannien, die seit 2007 gesucht wird. Bei Kindern allerdings läuft der Alterungsprozess am Computer anders ab. "Der wichtigste optische Vergleich sind die Eltern. Denn in der Entwicklung vom Kleinkind zum Erwachsenen gibt es die größte Veränderung." Auch bei unbekannten Todesopfern kann die Computer-Rekonstruktion Wunder wirken. Selbst wenn nur mehr ein Totenschädel übrig ist.

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