Bürokratie vergrault syrische Ärzte und Apotheker

Zwischen Ärzten und Flüchtlingen gibt es häuftig Sprachbarrieren.
Bis zu 300 Betroffene warten Jahre auf die Erlaubnis, ihren Beruf auszuüben.

Vor sechs Monaten ist Fisal Houmad aus Syrien nach Österreich geflüchtet. Sechs Jahre lang war der 38-Jährige als Facharzt für Urologie in Damaskus tätig. Seit er in Österreich ist, ist er zum Nichtstun verdammt. "Ich möchte so schnell wie möglich arbeiten", sagt Houmad.

Bis es so weit ist, werden aber vermutlich noch Jahre vergehen. Denn die Nostrifizierung (Anerkennung der im Ausland erworbenen Studienabschlusses, Anm.) ist in Österreich langwierig. Einstieg in das Verfahren ist meist ein sogenannter Stichprobentest, bei dem überprüft wird, ob die Ausbildung der ausländischen Ärzte mit jener in Österreich gleichwertig ist. Ist das nicht der Fall, können die Ärzte Teile der Ausbildung als außerordentliche Studenten an der Medizinischen Universität (MedUni) nachholen. Voraussetzung dafür sind ausreichende Deutschkenntnisse. Während des Nostrifizierungsverfahrens dürfen die Ärzte ihren Beruf nicht ausüben.

Bis zu fünf Jahre

Bürokratie vergrault syrische Ärzte und Apotheker
Syrische Ärzte, Tammam Kelani,
Das kritisiert Tammam Kelani. Der Syrer lebt seit 32 Jahren in Österreich, ist Augenarzt in Gänserndorf, NÖ, und Präsident der Österreichisch-Arabischen Ärzte- und Apotheker-Vereinigung. Laut Kelani sind derzeit zwischen 200 und 300 syrische Mediziner und Apotheker im Land. "Das Problem ist, bis diese Ärzte hier ihren Beruf ausüben dürfen, dauert es sehr lange", sagt Kelani. Er spricht von bis zu fünf Jahren. Zwei Jahre um soweit Deutsch zu lernen, dass das Verfahren zur Anerkennung des Studienabschlusses eingeleitet werden kann. Das Verfahren selbst dauere weitere drei Jahre. "Deshalb gehen viele nach Österreich geflüchtete Ärzte nach Deutschland", sagt Kelani. Das sei nachvollziehbar, denn: "In Deutschland dürfen die Ärzte während des Nostrifizierungsverfahrens unter Aufsicht arbeiten."

Laut Thomas Wenzel von der Abteilung Sozialpsychiatrie an der MedUni Wien seien im Rahmen der Flüchtlingsbewegung 180 syrische Ärzte nach Österreich gekommen. Ein Teil von ihnen habe schon Asyl erhalten. Wenzel erachtet es als "sinnvoll", diese Ärzte in der Versorgung der Flüchtlinge einzusetzen. Auch er weist darauf hin, dass es bereits "einen starken Abgang nach Deutschland" gebe. Um wie viele Ärzte es sich genau handelt, könne man aber nicht sagen.

Auch Erhard Busek, Vorsitzender des Universitätsrates der MedUni Wien, hält es, vor allem wegen des vorherrschenden Ärztemangels in Österreich, für eine "Schwierigkeit", dass geflüchtete Ärzte während der Nostrifizierung nicht arbeiten dürfen: "Wir sind äußerst bemüht, hier eine Lösung zu finden", sagt Busek.

Zwischen zwei Monaten und drei Jahren dauert das Verfahren zur Anerkennung des Studienabschlusses. "Die Dauer hängt insbesondere von den Sprachkenntnissen und Qualifikationen der Bewerber ab", sagt Johannes Angerer von der MedUni. Von der Ärztekammer heißt es, man müsse den Gleichheitsgrundsatz beachten: "Extrawürste kann es nicht geben", sagt Kammerpräsident Thomas Szekeres.

Im Gesundheitsministerium arbeitet man bereits an einer Lösung: "Das deutsche Modell erachte ich als wesentlich einfacher", sagt Roland Paukner, Koordinator für Flüchtlinge mit Ausbildung im Gesundheitswesen. Man versuche, die Nostrifizierung im Zuge der Novelle des Ärztegesetzes zu vereinfachen und auch in Englisch anzubieten. "Dass so viele Ärzte nach Deutschland abwandern, kann nicht im Sinne Österreichs sein."

Eine geflüchtete Familie kam in ein Wiener Spital. Zum Übersetzen brachte sie eine Nachbarin mit. Doch auch die konnte nicht erklären, worunter der Vater litt. Also ließ der Arzt die Familie wieder gehen. Später hat sich der Mann umgebracht. Niemand konnte dem Arzt erklären, dass der Mann einen Selbstmordversuch hinter sich hatte.

"Sprachbarrieren können zu Fehlversorgungen führen und haben bereits mehrfach zu Haftungen der Krankenanstalten geführt", sag Maria Kletecka-Pulker, Geschäftsführerin der Plattform Patientensicherheit. Gemeinsam mit Vertretern der Ärzteschaft, des Pflegepersonals und karitativer Einrichtungen wies sie am Donnerstag auf aktuelle Schwierigkeiten bei der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen hin.

Geflüchtete könnten oft nicht kommunizieren, woran sie leiden: "Wir haben nicht genügend Dolmetscher", sagt Kletecka-Pulker. Mittlerweile würden zwar immer mehr Spitäler auf Video-Übersetzer setzen. Doch noch immer würden viele Mitarbeiter mit dem Problem allein gelassen.

Hinzu kommt, dass viele Flüchtlinge unter psychischen Problemen und Traumata leiden: "Und sie sind mit ihrem unklaren Asylstatus und der unsicheren Situation ihrer Angehörigen in den Heimatländern konfrontiert", sagt Thomas Wenzel von der Abteilung Sozialpsychiatrie an der MedUni Wien.

In vollen Ambulanzen, wo nicht-deutschsprachige Patienten stundenlang warten müssen, könne es zu "brenzligen Situationen" kommen, sagt Ursula Frohner vom Gesundheits- und Krankenpflegeverband. "Man sollte hier Sicherheitspersonal zur Verfügung stellen."

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