Gerade erst beginnt die neu aufgestellte Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) – jahrelang unter dem Namen BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) von Skandalen umwoben – wieder international Fuß zu fassen. Etwa mit der Rückkehr in den sogenannten „Berner Club“, die Verbindung europäischer Geheimdienste.
Und nun sorgt eine Recherche des Bayerischen Rundfunks für Sprengstoff. Dieser hat aufgedeckt, dass das Innenministerium im Vorjahr Aufträge an zwei Firmen vergeben hat, deren Führungskräfte jahrelang enge Kontakte zu Jan Marsalek hatten. Jenem Mann, von dem vermutet wird, dass er sich nach der Millionenpleite von Wirecard nach Russland abgesetzt hat.
Recherchen des Bayerischen Rundfunks haben auch Verbindungen zu Firmen der russischen Rüstungsindustrie ergeben. Eine Rolle spielt dabei die Firma „msg Plaut Austria GmbH“, die mit dem Projektcontrolling (Auftragswert: 190.000 Euro) beauftragt wurde.
Detail am Rande: Erst im Vorjahr schloss sich diese Firma mit der Unternehmensberatung Repuco zusammen, die schon 2013 im Zusammenhang mit unzulässigen Direktvergaben und großen Profiten aus dem Innenministerium in der Kritik des Rechnungshofes stand.
Der Geschäftsführer dieser Firma, einst stellvertretender Kabinettschef im Innenministerium, habe über Jahre hinweg eine „strategische Marktanalyse Russland“ für Marsalek abgeliefert. Wegen der besonders guten Beziehungen zu Entscheidungsträgern in Russland, zitiert der Bayerische Rundfunk aus einem Mail an Marsalek.
Einen Auftrag in der Höhe von 1,4 Millionen Euro hat die Firma RISE GmbH erhalten. Das bestätigt das Innenministerium auch.
Dabei sei im Zuge eines besonders geschützten Vergabeverfahrens die Firma RISE mit der planerischen Grundkonzeption eines solchen Netzwerkes beauftragt worden, nicht aber mit der Umsetzung. Und: Nichts davon wurde realisiert.
Seitens des Innenministeriums wird betont, dass RISE über große Erfahrung im Aufbau hochsensibler Netzwerke verfüge: „Die Verträge wurden von der zuständigen Sektion (IT) im Innenministerium abgeschlossen.“ Und mit Nachdruck wird jede Verantwortung von der neuen Staatsschutzdirektion genommen. Mit der DSN bestünden keine Verträge mit den Unternehmen, so das Innenministerium: „Die im Staatsschutz genutzte Informations- und Kommunikationstechnik wurde von der DSN selbstständig aufgebaut betreut.“
Betont wird auch, dass kein Mitarbeiter dieser Firmen jemals Zugriff auf Netzwerke oder Daten des Staatsschutzes gehabt hätte, außerdem seien sämtliche Mitarbeiter beider Firmen, je nach Tätigkeit, einer intensiven und umfassenden Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden. Bemerkenswert, dass die offensichtlichen Verbindungen zu Marsalek und Co., für keine Bedenken gesorgt haben. Oder nicht entdeckt wurden.
Für Insider der Sicherheitsbranche bemerkenswert: Dass bei der Recherche des Bayerischen Rundfunks auch Kritik des Deutschen Geheimdienstes an Österreich durchklingt.
Im Parlament ist man zumindest irritiert: SPÖ, Neos und der Koalitionspartner der ÖVP, die Grünen, halten diese Auftragsvergabe für „einen Tabubruch“, „hochproblematisch“, „untersuchungs- und aufklärungswürdig“.
Der Fall Marsalek
315 Millionen Euro soll Jan Marsalek im Zuge der Wirecard-Pleite, einem der größten Wirtschaftskriminalfälle der Gegenwart, beiseitegeschafft haben
Am 19. Juni 2020 gelang Marsalek über den Flugplatz Bad Vöslau die Flucht nach Minsk
Jan Marsalek hatte gute Kontakte zum BVT (Bundesamt für Terrorismusbekämpfung), Vorgänger der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst
Jan Marsalek unterhielt beste Kontakte nach Russland und zu russlandaffinen Politikern
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