Um 12.30 Uhr wird mit Live-Bild in die Kommandozentrale der Maschine geschaltet. Vierzehn Kilometer entfernt hat sie unter dem Brennerpass ihr Ziel erreicht: die Staatsgrenze zwischen Italien und Österreich. Ein finales Betonelement der Tunnelverkleidung wird eingesetzt – darauf die Fahnen der beiden Staaten und der EU, die das Mega-Projekt Brenner Basistunnel (BBT) entscheidend mitfinanziert.
Ein Rekordbauwerk
Damit hat erstmals eine der zwei Hauptröhren dieser unterirdischen Bahnverbindung, die mit einer Tunnelstrecke von 64 Kilometern die längste der Welt werden soll, die Grenze erreicht. Der BBT selbst macht 55 Kilometer aus, die bereits errichtete Umfahrung Innsbruck 9 Kilometer.
Ihren Erkundungsstollen haben die Italiener schon im Vorjahr bis hierher getrieben, 2024 soll die zweite Hauptröhre und damit das gesamte Tunnelsystem auf italienischer Seite ausgebrochen sein. Nach der Inbetriebnahme – geplant im Jahr 2032 – sollen die Züge unter dem statt über den Brenner durchrauschen.
Die Fahrzeit zwischen Innsbruck und Bozen könnte sich für Zuggäste von derzeit rund zwei Stunden auf 50 Minuten dramatisch verkürzen. Entsprechend schneller ginge es auch über den Bahnkorridor München – Verona. Aber die große Vision hinter diesem fast zehn Milliarden Euro teuren Bauvorhaben ist nicht zuallererst das schnellere Vorankommen von Reisenden.
Bekenntnis von Salvini
Um was es in erster Linie geht, wird an diesem Donnerstag von praktisch allen Rednern betont: Vom EU-Vertreter, den Verantwortlichen der Tunnelbaugesellschaft und den Politikern. Und die Zielsetzung wird am Ende auch von Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini klar auf den Punkt gebracht: Wenn der Tunnel fertig ist, werde „der Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert“.
Das kommt in dieser Deutlichkeit aus dem Munde des Rechtsauslegers von der Lega überraschend. Denn der hatte zuletzt mehrfach versucht, alle Maßnahmen der Tiroler Landesregierung, mit denen der Lkw-Schwerverkehr über den Brenner halbwegs in Bahnen gelenkt werden soll, zu torpedieren.
2022 brachte mit 2,4 Millionen Lastern auf der Transitroute zwischen Deutschland und Italien einen neuen Rekord. Und ohne eine verpflichtende Verlagerung der Güter von der Straße auf die Schiene könnte der BBT – für den inzwischen schon 157 Kilometer des 230 Kilometer langen Tunnelsystems ausgebrochen sind – zum Milliardengrab werden.
Buchungssystem
Vorerst gilt es aber auch, den Verkehr auf der Straße bis zur Fertigstellung des Tunnels zu managen. Südtirols SVP-Landeshauptmann Arno Kompatscher wirbt für ein Slot-System, mit dem Lkw-Kontingente für die Benutzung der Brenner-Route vergeben werden sollen. „Ein digitales Buchungssystem würde es uns dann auch ermöglichen, die Verlagerung zu gestalten“, sagt er zum KURIER.
Der BBT verspricht dafür reichlich Potenzial. Die Zahl der Güterzüge auf der Brenner-Strecke soll von derzeit täglich 90 auf bis zu 220 gesteigert werden können.
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