Experte im Böller-Prozess: Gemisch war "sehr zündfreudig"

Experte im Böller-Prozess: Gemisch war "sehr zündfreudig"
Der Prozess hatte am Mittwoch verspätet begonnen. Die Sicherheitsvorkehrungen am Eingang zum Gericht waren sehr streng.

Gegen den Hauptangeklagten im Grazer Böller-Prozess, den Chef einer Pyrotechnik-Firma, ist offenbar ein Anschlag misslungen. Nach seinen Angaben hat er am Mittwoch einen Fünf-Liter-Benzinkanister zwischen seinem Auto und dem seiner Frau, beide abgestellt vor dem Haus des Mannes, entdeckt. Daraus ragte eine abgebrannte grüne Zündschnur, die frühzeitig erloschen sein durfte.

Der Prozess hatte heute verspätet um 11 Uhr begonnen. "Es gab einen Zwischenfall", hieß es zunächst. Die Sicherheitsvorkehrungen am Eingang zum Gericht waren dann sehr streng. Als das Verfahren schließlich begann, klärte die Richterin über den Grund der Verspätung auf.

Der Hauptangeklagte soll die - illegale - Produktion von Sprengmitteln in Privathäusern aufgezogen und beauftragt haben. Zwei mit ihm befreundete Brüder waren im November 2014 in Kapfenstein mit der Herstellung beschäftigt. Am 17. November explodierten 25 Kilogramm Böller, der jüngere Bruder sowie der Vater, der sich in der Nähe befand, waren sofort tot.

Strenge Kontrollen beim Saaleingang

Beim Eintritt in den Verhandlungssaal wurden alle Personen strengstens kontrolliert, nicht einmal Handyladekabel oder Pinzetten durften mitgenommen werden. Der Raum selbst wurde von Sprengstoffexperten durchsucht, erst dann wurde der Prozess tatsächlich begonnen. Zunächst wollte einer der Beschuldigten eine Aussage machen. Was den Mann so erboste, war, dass der Hauptangeklagte Knallkörper billiger verkaufte, als er das Material dafür bei ihm bezogen hatte. "Ich hätte ihn sofort angezeigt, wenn ich das gewusste hätte", wiederholte er mehrmals. Richterin Barbara Schwarz versuchte ihm zu erklären, dass es hier nicht um die Verkaufspraxen des 33-Jährigen gehe, sondern um illegale Produktion.

"Er war mir als Bastler bekannt"

Ein anderer Zeuge, der sich erst nach einiger Zeit daran erinnerte, dass er sein angeblich stillgelegtes Pyrofachgeschäft kurz vor Jahresende doch wieder habe aufleben lassen, hatte vom 33-Jährigen Ware angeboten bekommen. Er kaufte aber nichts: "Er war mir als Bastler bekannt", schilderte der Zeuge. Er verwehrte sich auch dagegen, dass er zu "Probeschießen" geladen habe. "Das war eine Hausmesse, und wir haben nur Attrappen gehabt", beschrieb er. "Wozu", fragte die Richterin. "Um zu zeigen, wie gefährlich diese Sachen sind", lautete die Antwort.

Sachverständiger: Gemisch war "sehr zündfreudig"

Der Sprengstoffsachverständige John Josef Eberhardt hat am Mittwochnachmittag die tödliche Explosion in Kapfenstein aus seiner Sicht beleuchtet. Die "improvisierte Serienproduktion" hat seinen Angaben nach "jede sicherheitstechnische Grundlage" überschritten. Die Detonation war so gewaltig, dass Körperteile der beiden getöteten Männer bis zu 40 Meter weit geschleudert wurden.

Zwei Tote, mehrere eingestürzte Gebäude - das war das Ergebnis der aus dem Ruder gelaufenen "improvisierten Serienproduktion" auf einem Bauernhof in dem oststeirischen Ort. Der Gutachter schilderte, man habe nach dem Unglück eine Art Fertigungsstraße entdeckt, auf der die Metallknallsätze, sogenannte "Blitzknaller", hergestellt wurden.

"Sehr zündfreudiges" Gemisch

Hauptbestandteile waren Aluminiumpulver und Kaliumperchlorat, was an sich schon ein "sehr zündfreudiges" Gemisch ergebe, so Eberhardt. Offenbar wurde auch Schwefel beigemischt, was die Knallkörper noch empfindlicher macht und die Zündungsfreudigkeit erhöht. "Bereits 50 Gramm dieser Mischung ist bei freier Schüttung detonativ", führte der Sachverständige aus. Das bedeutet, ein kleines Häufchen dieser Mischung kann bereits beim Ausschütten auf einem Tisch explodieren.

Gemischt wurden die Chemikalien in einem Art Maischefass, und zwar immer fünf Kilogramm auf einmal. "Das überschreitet jede sicherheitstechnische Grundlage. Sogar bei ferngesteuerter Produktion darf ein Kilogramm nicht überschritten werden", erklärte Eberhardt.

Der Prozess wurde vertagt. Da einige Zeugen erkrankt sind, konnte noch kein neuer Termin festgesetzt werden.

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