Blutspuren, die ins Leere führen: Diese Morde geben Rätsel auf
Einer der spektakulärsten Mordfälle des Jahres ereignete sich Ende Februar mitten in Wien-Ottakring – und blieb dennoch wochenlang unbemerkt. Am 24. Februar soll es in der gemeinsamen Wohnung von Szilvia P. und ihrem Lebensgefährten Achref K. zu einem Streit gekommen sein. Die Auseinandersetzung endete für den Tunesier tödlich. In Panik – so sagte sie später bei der Polizei aus – habe sie die Leiche mit einem Küchenmesser zerstückelt und dann die Körperteile in einen Koffer gepackt ...
Mit einem Mietauto fuhr die junge Frau dann in ihre Heimat Ungarn.
Dort vertraute sie sich ihrer Mutter an, die schließlich Salzsäure kaufte. Die Frauen versuchten, die Leichenteile in der ätzenden Flüssigkeit aufzulösen, was allerdings nicht richtig funktionierte. Sie entschieden sich, die Müllsäcke mit den Leichenteilen in einem Abwasserkanal in Jászalsószentgyörgy abzulegen.
Erst Wochen später – Anfang April – fanden Kinder die verwesenden Überreste des 32-jährigen Achref K. Die ungarischen Behörden hatten schnell Szilvia P. im Verdacht, die Tat begangen zu haben. Bei einer ersten Einvernahme gab die junge Frau auch alles zu. Sie sei während der Tat unter Drogen gestanden.
Fall abgegeben
Brisant an diesem Fall war das Vorgehen der Behörden: Während ungarische und österreichische Medien bereits voll von Berichten über die grausame Tat waren, hatten die Ermittler in Wien die Wohnung des Paares – wo es zu der Tat gekommen sein soll – noch nicht einmal versiegelt, geschweige denn untersucht. Die Schuld schob man damals auf den Behördenapparat: Die Staatsanwaltschaft in Ungarn habe die Wiener zu spät informiert.
Obwohl die Tat laut Szilvia P. in Wien-Ottakring stattgefunden haben soll, wurden die weiteren Ermittlungen den ungarischen Behörden übergeben. Dies ist ungewöhnlich, denn eigentlich finden Prozesse dort statt, wo das Tötungsdelikt stattgefunden hat.
In Wien werde laut Staatsanwaltschaft kein Verfahren mehr geführt. Die ungarischen Behörden gaben über den Verschlussakt ebenfalls keine weitere Auskunft.
Fakt ist, dass die Mutter auf freiem Fuß angezeigt wurde, während Szilvia P. im Gefängnis sitzt. Laut ungarischen Medien sagte sie aus, aus Notwehr gehandelt zu haben. Prozess gab es noch keinen.
Mordfall Nummer zwei: Pensionist getötet
Der 88-jährige Julius U. wurde im Mai tot in seiner Wohnung in der Jheringgasse im 15. Bezirk in Wien aufgefunden. Am 12. Dezember wurde schließlich ein 41-jähriger am Landesgericht freigesprochen. In der polizeilichen Statistik der ungeklärten Fälle scheint dieser Fall aber nicht auf. Es ist unklar, ob wieder Ermittlungen aufgenommen werden.
Die Staatsanwaltschaft warf dem 41-Jährigen vor, den Pensionisten getötet zu haben, weil er dessen Wohnung erben wollte. Der Mann war ein jahrelanger Freund des Opfers und war auch im Testament bedacht, für die Wohnung bekam der 41-Jährige aber nur ein Vorkaufsrecht eingeräumt.
Beim Prozess überraschten der Angeklagte und sein Anwalt Erich Gemeiner jedoch mit einer neuen Version: Er habe gemeinsam mit der Haushaltshelferin einen unbekannten Serben beauftragt, die Wohnung auszurauben. Dieser müsse für den Tod verantwortlich sein.
Vier Geschworene folgten der Mordanklage, vier Laienrichter glaubten aber dem Angeklagten. Bei Stimmengleichheit ist zugunsten des Angeklagten vorzugehen. Der Mord bleibt – zumindest vorerst – ungeklärt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Staatsanwalt meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.
Mordfall Nummer drei: Die Leiche im Stiegenhaus
Offiziell ist dieser Fall der einzige ungeklärte aus dem Jahr 2019: Am 1. Oktober wurde in der Durchlaufstraße in Wien-Brigittenau ein toter Mann mit schweren Stichverletzungen im Oberkörper entdeckt – für die Polizei war eines sofort klar: Mordalarm.
Die Identität des Toten war schnell geklärt: Es handelt sich um einen 32-jährigen Serben, der sich seit längerer Zeit in Österreich aufgehalten hatte. Vor seiner Ermordung saß er in Haft – die Bluttat passierte während eines Freigangs. Weitere Ermittlungen ergaben, dass der 32-Jährige zuletzt eine Mahlzeit mit Curry-Reis und Gemüse in einem Lokal gegessen hatte.
Er soll außerdem Getränkedosen gekauft haben, die er zum Tatzeitpunkt in einem Plastiksackerl dabei hatte. Die Polizei veröffentlichte Fotos der Dosen und konnte kurze Zeit später das Lokal, aber keine neuen Hinweise finden. „Hier gibt es keine Zeugen, es ist alles offen“, sagt Michael Mimra, Leiter des Ermittlungsdienstes des Landeskriminalamts.
Mordfall Nummer vier: Polizei sucht Unbekannte
Am 2. Oktober 2019 fand sein Onkel den 61-jährigen Landwirt Franz U. tot in dessen Haus in Vösendorf (Bezirk Mödling). Die Räume des Wohnhauses waren verwüstet, zudem war in den Innenräumen der Inhalt eines Feuerlöschers verteilt worden. Einvernahmen der Angehörigen und die Sicherung der Spuren brachten die Polizei aber kaum weiter.
Bei der Untersuchung der Leiche konnten schwere Verletzungen im Bereich des Brustkorbs festgestellt werden. Die Ermittler gehen davon aus, dass der oder die Täter auf dem 61-Jährigen knieten.
Die Polizei glaubt, dass es sich um zwei Verdächtige handeln soll. Mit dem Feuerlöscher dürfte gespritzt worden sein, um die Spuren zu verwischen. Warum ausgerechnet Franz U. zum Opfer wurde, ist aber völlig unklar. Sei Familie vermutet, dass die Täter das Haus ausgekundschaftet haben könnten, während sie im Hofladen des Bauern eingekauft haben.
Im Vergleich zu 2018 ist die Zahl der Tötungsdelikte in Wien gesunken.
15 Tötungsdelikte musste die Wiener Polizei im Jahr 2019 aufklären. Im Jahr davor waren es 23 gewesen. 14 Taten konnten aufgeklärt werden, in einem Fall tappen die Ermittler weiter im Dunkeln. Rund die Hälfte der Tötungsdelikte waren Beziehungstaten.
Obwohl von vielen Boulevardmedien fälschlicherweise wiederholt suggeriert, wurden in der Bundeshauptstadt nicht besonders viele Frauen zu Opfern. Rund der Hälfte der Tötungsdelikte waren Beziehungsprobleme vorausgegangenen. Damit liegt die Zahl in Wien im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre.
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