Peter Habeler: Es gibt ein zentrales Wort: Achtsamkeit. In der Stadt muss man beim Queren einer Straße vorsichtig sein. Im Gelände noch mehr. Für mich ist das kein klassischer Alpinunfall. Das ist wie bei der Olpererhütte im Zillertal, wo die Leute am Nachmittag mit Schlapfen den Berg hinaufrennen, um ein Foto auf einer Hängebrücke zu machen, das sie dann für ihre Follower posten. Das ist einfach ohne Worte.
Der traditionelle Alpinismus rückt für die Jagd nach Likes in den Hintergrund. Verkommt der Berg zur reinen Kulisse?
Das hat mit Alpinismus überhaupt nichts zu tun. Da geht es nur darum, die eigene Person im perfekten Set-up zu inszenieren. Aber es ist ein schmaler Grat, denn die Werbung lockt mit genau diesen Traumbildern der Berge. Wenn selbst wir Bergerfahrene bei traumhaften Herbsttagen niederknien am Berg vor lauter Schönheit, dann kann man sich vorstellen, was das mit einem Max Mustermann aus dem Flachland macht. Da wird ein jeder Hügel zum Everest.
Wie geht man mit diesem Max Mustermann richtig um? Oder anders: Wie kann es gelingen, den Bergsportboom aus touristischer Sicht zu bewältigen?
In dem man Touristen lenkt. Dem kleinen Habeler-Bub hat mit zehn Jahren auch jemand gezeigt, wie man richtig steigt, wie man sich anseilt. Dieser Prozess des Lernens fehlt Max Mustermann. Er kommt, weil sein Freund sagt, dass das Gebirge eine super Sache ist. Und auf Instagram schaut das auch alles toll und easy aus. Aber wenn man im Flachen umknickst, dann tut das vielleicht weh. Aber in einer steilen Wand kann ein falscher Tritt den Tod bedeuten.
Auch ihr Bergkamerad Reinhold Messner hat zuletzt massiv kritisiert, dass Bergtouristen die Gefahren nicht mehr wahrnehmen. Braucht der Mensch wieder mehr Respekt vor dem Berg?
Respekt hat es immer gebraucht. Es braucht das Wissen über alpine Gefahren, das Wetter, die richtige Tourenvorbereitung. Im Gebirge gibt es keine Wege, nur Steige. Und dieses Steigen will gelernt sein. Das Raufsteigen, das Queren, aber auch das Wahrnehmen der Umgebung. Und eines darf nicht unterschätzt werden.
Das da wäre?
Die Überheblichkeit, die bei vielen hinzukommt. Da heißt es dann: Ach was, das schaffen wir doch leicht. Eine schwierige Stelle im Gebirge schafft man aber nie leicht. Ich bin gegen brachiale Methoden, wo einer sagt: „Ich bin der Beste, ich zeig’ euch schon, wie das geht“ – und dadurch alle anderen vor sich hertreibt.
Was suchen Menschen in den Bergen?
Das Abenteuer. Auch wenn es in maßgeschneiderten Einheiten wie Klettersteigen daherkommt.
Sie werden kommendes Jahr 80 Jahre alt. Was geben Ihnen die Berge nach alle den Jahren immer noch?
Sie sind alles für mich. Ich gehe immer noch Klettern, zwar nicht mehr als Seil-Erster, aber immer noch schwere Touren. Man muss sagen, dass ich sehr viel Glück bei all meinen Bergtouren hatte. Aber genau das bedeuten Berge auch für mich: Glück.
Wie viele Fotos haben Sie eigentlich bei der Erstbesteigung des Everest ohne Sauerstoff gemacht?
Ich bin begeisterter Fotograf. Das waren schon so an die 200.
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