Wo der Mensch wirklich allein ist

Im „Wiener Klosettbrevier“ nimmt sich Beppo Beyerl eines zentralen Themas der menschlichen Existenz an
Im „Wiener Klosettbrevier“ nimmt sich Autor Beppo Beyerl des zentralen Themas der menschlichen Existenz an

Beppo Beyerl als Autor zu bezeichnen, wäre eine gnadenlose Untertreibung. Beyerl ist Stadtforscher, nimmermüder Neugieriger und lustvoller Entdecker. Unter anderem dessen, was hinter dem vermeintlich Bekannten steckt. Nehmen wir zum Beispiel das beliebte Thema Toiletten an öffentlichen Orten. Jeder Mensch, der Bedürfnisse hat, also eh jeder, weiß, dass es davon zu wenige gibt. Diese massive Unterrepräsentierung des Unausweichlichen ist Beyerl Grund genug für eine Abhandlung zu jenem einzigen Ort, an dem der Mensch immer allein ist.

Der Meditationsort
„Wiener Klosettbrevier“ heißt Beyerls soeben erschienenes Stück Fachliteratur. In 22 Kapiteln nimmt sich der Autor dieses zentralen Themas der menschlichen Existenz an und es liegt auf der Hand, dass sein Verleger Alex Lellek keine Sekunde mit der Veröffentlichung gezögert hat: Schließlich seien Beyerls Bücher stets „Bücher, die man am Klo liest“. Was das heißt?  Beyerls Bücher seien „leicht zu lesen, witzig und unterhaltsam.“ Ideal für den stillen Ort. „Ja, das mag man am Klo. Nur keine Probleme“, stellt Beyerls Kompagnon Thomas Hofmann dazu im launigen Vorwort fest.  (Wenn die beiden nicht gemeinsam veröffentlichen, dann schreibt meist einer dem anderen das Vorwort).

Wo der Mensch wirklich allein ist

Nachttopf aus Lübeck, ca. 1813

Beyerls Tour d’Horizon umfasst das Häusl als Meditationsort (unter anderem auch in einem Kapitel über das Klosett in der Weltliteratur: Nicht zuletzt bei Peter Handkes „Versuch über den stillen Ort“) ebenso wie dessen Gegenteil: Statt um Rückzug geht es im Kapitel „Ausflugsziel: Klosett“ auch um – wörtlich–  „Sehen – und nicht gesehen werden“. So führt etwa die  touristische Reise „Erlebnis Klosett“ zum sehenswerten Bahnhofsklo der slowenischen Grenzstadt Nova Gorica, ein einschlägiger „Plichttermin“, bis hin zu adlerhorstartigen Bedürfnisanstalten in den Kärntner Nockbergen.

Wo der Mensch wirklich allein ist

Zwei alte Toilettenschüsseln aus Deutschland im Museum für historische Nachttöpfe und Toiletten in Prag

Beyerls gründlich recherchierter Toilettenführer hat aber auch durchaus ernste Seiten. Etwa die schleichende Privatisierung öffentlicher WC-Anlagen. „Früher konnte jeder Wanderer damit rechnen, am Bahnhof ein Klosett vorzufinden. Das klassische Klosett der k.k. Staatsbahnen lag übrigens zirka 100 Meter vom Empfangsgebäude entfernt und bestand aus zwei separaten Holzzellen. Zu diesen musste der Benutzer längs des Eisenbahner-Gemüsegartens und des davor errichteten charakteristischen Zaunes schlendern. Heute, nach der Aufteilung der ÖBB in mehrere Gesellschaften, Strukturen, Firmen, will keine Gesellschaft die Pflege der in den Stationen eingebauten Anlagen übernehmen. Zumeist finde ich einen auf der Klosetttür angeklebten Zettel: Anlage gesperrt wegen Vandalismus. Andere Variante: Wegen Verunreinigung. Und in jüngster Zeit will auch niemand mehr die Pflege der Stationen übernehmen. Die sind zugesperrt oder werden zum Verkauf angeboten.“ Immerhin, die WC-Dichte in Wien sei noch recht respektabel. Hier führt Beyerl gewissenhaft mittels bezirksweise geordneter Liste sämtliche Klosettanlagen des Bundeshauptstadt  an. Spätestens hier muss man sagen: Dieses Buch ist eine grundvernünftige Investition.

Info: Beppo Beyerl „Wiener Klosettbrevier“. Löcker, 142 Seiten, 12,80 Euro

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