Richter legen heute die Arbeit nieder

Symbolbild
Neues Gehaltsschema bringt Einbußen. Anwälte haben für Streikmaßnahmen nur wenig Verständnis.

Ob Straf- oder Zivilprozess, ob Diebstahl oder Schadenersatzklage, in ganz Österreich werden heute 1000 oder mehr Gerichtsverhandlungen abgesagt.

Im größten österreichischen Strafgericht, dem Grauen Haus in Wien, sind 48 Verhandlungen betroffen – sofern alle Richter und Staatsanwälte bei den Kampfmaßnahmen ihrer Personalvertretung mitziehen. Ausgenommen sind nur Haftsachen, durch deren Verschiebung sich die U-Haft verlängern könnte, oder Termine, bei deren Absage finanzieller Schaden entstehen könnte.

Der Protest richtet sich gegen das am Mittwoch im Parlament beschlossene neue Beamten-Gehaltsrecht, wodurch Richter und Staatsanwälte 5000 bis 6000 Euro an Lebensverdienstsumme verlieren. "Die fahren da drüber, so geht man mit Dienstnehmern nicht um", sagt der Präsident der Richtervereinigung, Werner Zinkl.

Eilige Reform

Er kritisiert vor allem die Eile, mit der die Regierung die Gehaltskürzungen durchpeitsche. Er habe die Novelle zur Umstellung des Gehaltssystems noch gar nicht zu Gesicht bekommen und das Papier über vertrauliche Quellen besorgen müssen.

Einer der Verhandlungstermine, die den Kampfmaßnahmen zum Opfer fallen, gehört zum prominenten Hypo-Komplex in Klagenfurt. Nach dem Auftakt des Untreueprozesses um das Projekt "Paradiso Museum Kulturpark" am Dienstag, bei dem Dauerangeklagter Wolfgang Kulterer einvernommen wurde, ist gleich der zweite Verhandlungstag am Donnerstag geplatzt. Erst kommende Woche soll weiterverhandelt werden. Das bedeutet für die aus Wien angereisten Verteidiger wie Sebastian Lesigang einen – von ihren Mandanten auszubadenden – zusätzlichen Anfahrtsweg von Wien nach Klagenfurt und retour.

Lesigang: "Die Absage sämtlicher Verhandlungen kommt überraschend und ist ein ziemlicher Hammer. Sie bringt die Planung durcheinander." Man habe zwar Verständnis dafür, dass sich die Richter und Staatsanwälte gegen Gehaltskürzungen zur Wehr setzen. Andererseits würden für die Mandanten durch die Absagen mehr Kosten entstehen, außerdem hätten sie berechtigtes Interesse an einer raschen Abwicklung ihrer Angelegenheit.

Herr G., in eine Rauferei am Würstelstand Schwedenplatz verwickelt und wegen Körperverletzung angeklagt, ist Nachtarbeiter. Er hat sich für die Verhandlung am Donnerstag extra freigenommen, denn unausgeschlafen wollte er nicht vor Gericht erscheinen. Ob das für den sprichwörtlichen Hugo war, erfährt Herr G. erst Donnerstagfrüh. Trotz umfassender Recherche konnte sein Verteidiger Werner Tomanek am Mittwoch nicht in Erfahrung bringen, ob die zuständige Richterin im Wiener Landesgericht zu den Verhandlungsverweigerern oder zu den "Streikbrechern" gehört.

Protestiert wird auch in den Bundesländern: Am Landesgericht Salzburg wurden alle Verhandlungen abgesagt, auch in Tirol (dort wären 180 Verhandlungen angesetzt gewesen) beteiligen sich die Richter geschlossen am Protest, in Klagenfurt wurden 50 Termine verschoben. Premiere ist der Protest keiner, 2010 gab es sogar eine "verhandlungsfreie Woche". Damals ging es um mehr Personal – der Streit endete mit 81 neuen Planstellen.

Mehr Geduld

Rechtsanwalts-Präsident Rupert Wolff fordert von den Richtern mehr Geduld und Verhandlungsgeschick ein. Angemessene Bezahlung sei gerechtfertigt, der Kampf darum dürfe aber nicht zulasten der Bürger gehen.

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