Große Momente und Alltagsszenen: Ausstellung erzählt über 100 Jahre in Österreich

Große Momente und Alltagsszenen: Ausstellung erzählt über 100 Jahre in Österreich
Große Momente der Politik, aber auch Einblicke in das alltägliche Leben der Menschen: Das bietet die Sonderausstellung „Ein Jahrhundert in Bildern“ in der Österreichischen Nationalbibliothek

Es gibt die kleinen Momente, die Aufnahmen alltäglicher Situationen, die dennoch viel über das Lebensgefühl einer Epoche erzählen: Etwa ein Scherenschleifer mit prächtigem Schnauzbart vor einer ärmlichen Hütte, aufgenommen 1925. Zwei Blondinen, die sich 1934 auf der Rückbank eines Cabrios sonnen. Oder eine Familie, die sich 1959 voller Freude um den ersten Fernseher schart.

Und es gibt die großen Momente, die Geschichte geschrieben haben: Etwa Arthur Seyß-Inquart, der 1938 am Balkon des Bundeskanzleramts den Hitlergruß zeigt. Das Gipfeltreffen von John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow 1961 in Wien. Oder Alois Mock, der 1989 mit Gyula Horn den Eisernen Vorhang durchtrennt.

All diese Momente – die großen wie die kleinen – wurden im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek nun zu einer Ausstellung zusammengefasst: „Ein Jahrhundert in Bildern. Österreich 1925–2025“ heißt sie. Sie sei „eine virtuelle Zeitreise“, so Generaldirektorin Johanna Rachinger bei der Eröffnung am Mittwoch.

„Fotografien halten die Realität fest, sie schaffen aber auch die Realität – mehr als das geschriebene Wort“, sagt Rachinger. Immerhin gebe es heuer drei bedeutende Jubiläen: 80 Jahre Befreiung von den Nationalsozialisten, 70 Jahre Staatsvertrag und 30 Jahre EU-Mitgliedschaft. Die Rückschau helfe, zu verstehen, „wohin wir gehen und wohin wir nicht gehen sollten“, betont Rachinger.

Am Anfang stand die Hoffnung

Am Anfang, also 1925, stand die Hoffnung: Die Weltwirtschaft begann sich zu erholen, nach schmerzvoller Hyperinflation ersetzte der Schilling die wertlose Krone, im Roten Wien hatte man die Lebensbedingungen Tausender Menschen verbessert.

Doch dies sollte nicht von Dauer sein: Wie die Bilder eindrücklich dokumentieren, eskalierten die politischen Auseinandersetzungen.

Große Momente und Alltagsszenen: Ausstellung erzählt über 100 Jahre in Österreich

Der Justizpalastbrand am 15. Juli 1927 in Wien.

Die Sonderausstellung „Ein Jahrhundert in Bildern. Österreich 1925–2025“ ist ab 13. März im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek zu sehen

2 Millionen Objekte wurden dafür gesichtet, rund 200 werden ausgestellt. Zu sehen sind Fotografien österreichischer Künstler und Fotografen, Plakate, Zeitungen, Zeitschriften sowie Zeittafeln

Service: Geöffnet bis 2. 11. 2025, von Dienstag bis Sonntag von 
10 bis 18 Uhr, am Donnerstag von 10 bis 21 Uhr. Eintritt: 11 € (freier Eintritt unter 19 Jahren). Führungen kosten 5 €, das Begleitbuch 34,90 €. Infos: www.onb.ac.at

1927 kam es etwa zum Justizpalastbrand, Auseinandersetzungen verlagerten sich auf die Straße. Es folgten der Bürgerkrieg 1934 und dann der nationalsozialistische Terror.

1945 erwachte die Hoffnung wieder

1945 brachten der Neubeginn und der Wiederaufbau wieder Hoffnung. „Das Hauptziel der Alliierten war das Entstehen der freien Presse“, erklärt Kurator Hans Petschar. Darunter etwa der Wiener KURIER, „die wichtigste Zeitung der unmittelbaren Nachkriegszeit“, so Petschar. Neben Fotografien sind in der Ausstellung übrigens auch zahlreiche Originalausgaben von Zeitungen und Magazinen zu sehen.

Rund zwei Millionen Objekte habe man zur Auswahl gehabt, beschreibt Kuratorin Michaela Pfundner. „Eine große Herausforderung. Wir wollten ja nicht nur die Politik abbilden, sondern auch den Alltag und das Lebensgefühl der Menschen.“

Große Momente und Alltagsszenen: Ausstellung erzählt über 100 Jahre in Österreich

Das bekannte „Kolaric“-Plakat gegen Fremdenfeindlichkeit aus 1972 .

Rund 200 Objekte wurden schließlich auserwählt. Sie zeigen etwa die Gastarbeiter-Bewegung ab den 1960er-Jahren, Demos gegen Zwentendorf und für mehr Frauenrechte oder die Proteste vor dem Burgtheater gegen die Aufführung von „Heldenplatz“ von Thomas Bernhard.

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Der Einsturz der Reichsbrücke im Jahr 1976.

Andere erzählen von Unglücken wie dem Reichsbrückeneinsturz 1976 oder von spektakulären Verbrechen wie der Entführung von Natascha Kampusch. Zahlreiche Magazine mit Jörg Haider auf dem Cover erinnern daran, was seit Jahrzehnten populär ist: der Rechtspopulismus.

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Gespenstische Szene: Innsbruck im ersten Corona-Lockdown im März 2020.

Freilich gibt es auch aktuelle Aufnahmen: etwa vom ersten Corona-Lockdown im Jahr 2020, von Corona-Demos oder von Wahlplakaten.

Bleibt die Frage: Wo stehen wir heute? Er orte „eine pessimistische Grundstimmung“, sagt Petschar. Aber: „Die Zukunft ist offen.“

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