Ausgewilderte Gämsen spitzeln ihre Artgenossen aus

Ausgewilderte Gämsen spitzeln ihre Artgenossen aus
Besenderte Tiere liefern Daten über Auswirkungen von Stauseebau im Tiroler Längental auf wilde Herde

Ab in die Freiheit hat es am Mittwoch im Tiroler Kühtai für zwei einjährige Gamsböcke aus dem Innsbrucker Alpenzoo geheißen. Die Tiere wurden dabei am Grund eines künftigen Stausees im Längental, der die Grundlage für das derzeit größte in Bau befindliche Kraftwerk in Tirol bilden soll, in die freie Wildbahn entlassen.

Es war die dritte derartige Aktion in den vergangenen drei Jahren. Das Projekt ist eine Kooperation des Alpenzoos und des Landesenergieversorgers Tiwag. Die Gamsböcke sollen sich einer in dem Gebiet wild lebenden Herde anschließen. Und so Daten dazu liefern, wie sich die riesigen Bauarbeiten auf die Tiere auswirken.

Mit GPS-Sendern

Die Alpenzoo-Gämsen werden dafür mit GPS-Sendern ausgestattet. „Das hat bis jetzt sehr gut geklappt. Sobald sich die Tiere der Gruppe anschließen, kann diese geortet werden“, erklärt Dirk Ullrich, Wildbiologe vom Alpenzoo.

Die Gämsenherde lebt in zwei Rudeln, die bereits von vier ausgewilderten Artgenossen bespitzelt werden. Ullrich geht davon aus, dass auch die zwei Neuankömmlinge rasch Anschluss finden werden. „Wir setzen junge Tiere ein, weil die anpassungsfähiger sind und schneller aufgenommen werden“, erklärt er.

Ursprünglich gab es die Idee, einige der Wildtiere zu betäuben und diese zu besendern. „Aber das wäre ein sehr schwieriges Unterfangen gewesen“, so der zoologische Kurator des Alpenzoos. Im freien Gelände wäre es zum einen sehr schwierig, einen gezielten Treffer zu landen. „Und das klappt vielleicht einmal, aber sicher kein zweites Mal. Wir hatten dann die Idee, dass es leichter ist, Jungtiere einzuschleusen. Unsere Vermutung hat sich bestätigt.“

Auch was die bisherigen Daten zum Verhalten der im Baustellenbereich lebenden Gämsen betrifft, „läuft es wie erwartet“, sagt Ullrich. Es habe sich gezeigt, dass sich die Tiere zwar vom extremen Lärm der Baustelle fernhalten. „Aber sie bleiben weiter in ihrem Revier.“

Standorttreu

Es sei logisch, „dass sie nicht zwischen den Baggern rumlaufen. Aber wenn die Bauarbeiten vorbei sind, werden sie auch wieder runterkommen“, ist der Biologe überzeugt. Das Auswildern von Gämsen war für den Alpenzoo Neuland. Bei Steinböcken hat man damit bereits jahrzehntelange Erfahrungen und konnte diese nutzen.

Wie lange das Projekt noch weiter läuft, ist unklar. Jeder Sender hat in etwa eine Lebensdauer von zwei Jahren. Dann ist der Saft der Batterien zu Ende. Aus Sicht von Ullrich wäre es interessant, die Überwachung auch fortzusetzen, wenn der Speichersee erstmal gefüllt ist. Die Arbeiten für das Mega-Kraftwerk sollen bis Ende 2026 laufen. Die Tiwag investiert eine Milliarde Euro in den neuen Pumpspeicher.

Von Naturschützern wurde das Vorhaben im Vorfeld der Genehmigung wegen der Wasserableitungen aus mehreren Wildbächen und der massiven Eingriffe in die Landschaft samt Flutung des Längentals massiv kritisiert.

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