Aus für Pflege-Regress: "Die Entscheidung pickt"

Abgeschafft, wieder eingeführt, nun erneut gestrichen: Der Regress galt für Rot-Schwarz als "Lenkungsmaßnahme" weg von stationärer Betreuung hin zu mehr Heimpflege.
Opposition scheiterte 14 Mal mit Antrag gegen Pflegeregress, nun gab Rot-Schwarz nach.

Auch den 14. Antrag der Opposition, den Pflegeregress abzuschaffen, schmetterten SPÖ und ÖVP ab. Es ist gerade einmal drei Wochen her, dass ÖVP-Gesundheitslandesrat Christopher Drexler die Zahlungspflicht mit dem "Lenkungseffekt" verteidigte: Immerhin seien seit 2012 um ein Fünftel weniger pflegebedürftige Menschen in Heime gekommen.

Doch am Dienstag war auf einmal alles anders. Landeschefs, Klubobleute und Drexler riefen zu einer Pressekonferenz, um mitzuteilen: Der Regress für Angehörige pflegebedürftiger Menschen mit 1. Juli abgeschafft.

"Wir hatten ein Alleinstellungsmerkmal unter den Bundesländern. Das war in der Argumentation nur noch schwer durchhaltbar", begründete Drexler im Anschluss im KURIER-Gespräch. "Ich bin zwar immer noch der Meinung, dass der Pflegeregress sozial verträglich war. Wir wollten aber sicherstellen, dass die Steirer nicht Österreicher zweiter Klasse sind." Gleichzeitig erinnerte er an den Rohbericht des Landesrechnungshofes, in dem massive Kritik an der stationären Pflege geübt wird: Die sei nicht nur zu teuer, sondern auch planlos und unkontrolliert. Derzeit laufen Verhandlungen mit den Heimbetreibern, um das zu ändern.

Für die Opposition aus FPÖ, Grünen und KPÖ war am Dienstag Feier-Tag. "Widerstand zahlt sich aus", frohlockte Klubobfrau Sabine Jungwirth, Grüne. Ihre KPÖ-Kollegin Claudia Klimt-Weithaler hoffte, "dass auch andere unsoziale Maßnahmen auf Dauer nicht haltbar sind." 18.000 Unterschriften hat die KPÖ gegen den Regress gesammelt.

Der Widerstand aus den eigenen Reihen wog für SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves und seinen ÖVP-Vize Hermann Schützenhöfer schwerer. So lehnte der rote Arbeiterkammer-Präsident Josef Pesserl den Regress ab. "Die Abschaffung war überfällig", kommentierte er. Der schwarze Wirtschaftskammer-Präsident Josef Herk freute sich ebenfalls über das Aus des "Steirer-Malus". Die Seniorenvertreter der Bundes-SPÖ und -ÖVP, Karl Blecha und Andreas Khol, traten ebenso gegen den Regress auf wie die Grazer SPÖ-Chefin Martina Schröck.

Aus für Pflege-Regress: "Die Entscheidung pickt"
Franz Voves
Man reagiere auf den Vorwurf, dass die Steirer "Menschen zweiter Klasse" seien, begründete SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves wie Drexler die Kehrtwende. Der Einnahmensverlust würde durch Einmal-Erlöse finanziert. Voves spielte den Ball aber auch gleich an den Bund weiter: Eine "solidarische Pflegeversicherung" ab 2018 sei nötig.

Auch die Landtagswahlen im Herbst 2015 dürften das Aus beeinflusst haben. Da wegen der Gemeindezusammenlegungen Wirbel herrscht, haben die "Reformpartner" eine offene Flanke gesichert. Drexler versuchte zu relativieren: "Wahlzuckerl-Logik schaut anders aus. Da hätten wir in einem Jahr Milch und Honig fließen lassen müssen. Wir werden den Pflegeregress auch nicht nach der Wahl wieder einführen. Da ist eine Grundsatzentscheidung gefällt worden, die pickt."

Allerdings verschaffte man mit diesem Schritt gerade ihm ein Macher-Image: Drexler wurde erst im März Nachfolger Kristina Edlinger-Ploders. Sie hatte den Regress – wie von der "Reformpartnerschaft" gewünscht – stets verteidigt. Drexler aber verkündete schon in der Antrittsrede eine "Nachdenkphase".

2008 wurde der Pflegeregress in der Steiermark abgeschafft, 2011 kam er wieder. Begründet wurde das von SPÖ und ÖVP mit einer "Lenkungsmaßnahme" weg von der teuren stationäre Pflege.

Zuletzt brachte der Regress dem Land exakt 11,1 Millionen Euro an Einnahmen. Derzeit sind rund 6200 Steirer zahlungspflichtig: Ihre pflegebedürftigen Verwandten haben selbst nicht genug Einkommen (oder Ersparnisse), um die Pflegekosten vollständig zu decken.

Die Zahlung war je nach Einkommen gestaffelt: Kinder mussten vier bis zehn Prozent ihres Einkommens für Eltern zahlen, Eltern wiederum für ihre pflegebedürftigen Kindern neun bis fünfzehn Prozent. Das galt ab einem Einkommen von 1500 Euro netto, wobei aber Weihnachts- und Urlaubsgeld einbezogen wurden: Laut KPÖ war man damit schon ab 1300 Euro netto monatlich regresspflichtig.

Der Verfassungsgerichtshof hat diese Form des Regresses 2013 als korrekt abgesegnet. Allerdings forderten die Höchstrichter, dass jeder einzelne Fall zu prüfen sei sowie eigene Pflegekosten oder Unterhaltszahlungen einbezogen werden müssten. Würde nämlich die monatliche Zahlung die eigene finanzielle Existenz gefährden, schließe das den Regress an das Land auch bei höherem Einkommen aus.

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