Aufrüsten gegen Blackout

Horror-Szenario Mega-Blackout: Zuerst geht das Licht aus, dann brechen die Akkus zusammen, es gibt keine Kommunikation mehr. Wasser, Lebensmittel, Treibstoffe stehen ebenfalls nicht mehr zur Verfügung.
Innenministerium, Bundesheer und die Wirtschaft rüsten gegen einen möglichen Energie-Kollaps. Der Verfassungsschutz spielt dabei eine zentrale Rolle.

Auf österreichische Schlüsselbetriebe kommt eine Aufforderung zum „Nachrüsten“ zu. Aber auch die Bevölkerung soll verstärkt vorsorgen. Derzeit wird beim Verfassungsschutz eine Beratungsstelle zur Krisenvorsorge für exponierte Unternehmen eingerichtet.

Denn Experten befürchten, dass es in Europa eines Tages zu einem „Mega-Blackout“ des Stromnetzes kommen könnte. Die ersten Vorboten gab es bereits. In Italien waren 2003 aufgrund der Unterbrechung zweier Leitungen 56 Millionen Menschen zwölf Stunden lang ohne Strom. 2005 wurde es nach starken Schneestürmen drei Tage lang in Münster (Deutschland) finster. Im Jahr 2006 führte die Abschaltung einer Hochspannungsleitung, um die Durchfahrt eines Schiffes durch den Ems-Kanal zu ermöglichen, zu einem Kollaps in vielen Staaten Europas. Auch Österreich war betroffen.

Aufrüsten gegen Blackout
Umgeknickte Strommasten stehen am 28.11.2005 auf einem Feld bei Laer in der Nähe von Münster (Archivbild). Nach den Stromausfällen und Mast- Zusammenbrüchen im Münsterland gerät der Energieversorger RWE durch Berichte über angebliche Material-Schwächen unter Druck. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel» soll der Konzern RWE seit Jahren über Sicherheitsmängel im Hochspannungsnetz informiert gewesen sein. Wie das Blatt unter Berufung auf interne Papiere aus dem Jahr 2003 meldet, hätten bis zu 60 Prozent aller RWE-Hochspannungsmasten Materialfehler aufgewiesen. Foto: Franz-Peter Tschauner dpa (zu dpa Jahresrückblick vom 07.12.2005) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Aufgrund der engen Vernetzung der Versorgungssysteme könnte es noch schlimmer kommen. Denn bei einem Mega-Blackout würde der Strom in Millionen Wohnungen ausfallen. Lebensmittelmärkte, Geldausgabeautomaten, Verkehrsleitsysteme, der öffentliche Verkehr und Kommunikationssysteme würden in den Stillstand verfallen.

Sonnensturm

Die Gefahrenquellen sind vielfältig: Das Wetter, menschliches Versagen, veraltete Anlagen und auch ein Sonnensturm könnten so ein Blackout auslösen. Man könne so etwas nicht mit Sicherheit verhindern, sagt der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler. Aber die Gesellschaft kann sich darauf vorbereiten.

Bereits seit zweieinhalb Jahren wird im Innenministerium am Aufbau des staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagements (SKKM) gearbeitet. Rettungs- und Feuerwehrleute spielen hier ebenso eine große Rolle, wie die Rekruten und Milizsoldaten des Bundesheeres. Ein wichtiger Ansatz, sagt Kogler, sei aber die Gesellschaft. Wenn die Bürger genug bevorraten, um ein paar Tage in ihren Wohnungen überleben zu können, könnte das große Chaos vermieden werden.

Um den totalen Stillstand zu verhindern, brauche es weiters das enge Zusammenwirken mit der Wirtschaft, sagt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Die Firmen werden durch das Kuratorium Sicheres Österreich (KSÖ) ins Boot geholt. Dessen Präsident, Erwin Hameseder, ist Miliz-Brigadier und als Obmann der Raiffeisen Holding NÖ–Wien einer der großen Wirtschaftskapitäne.

Mit dem KSÖ wurde die Abwehr von Cyber-Attacken mit vielen Initiativen bereits auf Schiene gebracht. Das sei ganz wichtig, ergänzt die Ministerin, denn mittels eines Cyber-Angriffs könne man etwa die Stromversorgung Wiens für mindestens drei Tage lahm legen.

Strategische Betriebe

Es wurden auch mehr als 400 strategisch wichtige Betriebe in Österreich definiert. Für diese wird beim Verfassungsschutz demnächst eine Beratungsstelle eröffnet, die den Firmen hilft, krisensicher zu werden.

Das wird Geld kosten, soll aber leistbar sein. Nach Berechnungen von Milizoffizieren würde etwa im Bereich der Treibstoffversorgung eine Investition von acht Millionen Euro reichen, um die vier großen Tanklager und 90 strategisch wichtige Tankstellen mit Notstromaggregaten auszurüsten.

Der Informatiker Piero Manzano will nach Hause. Die Straßen sind dunkel, es gibt keine Taxis. Im Laden muss er bar zahlen, weil die Computerkassa nicht funktioniert.

Daheim diskutiert am Gang die Hausgesellschaft, wie man einen Eingeschlossenen aus dem Lift herausholen könnte. Die Menschen klagen: „Wir erreichen keinen Notdienst, keine Feuerwehr.“ Das Wasser ist aus – auch am Klo. Seine Lebensmittel stellt er auf den Balkon, weil der Kühlschrank warm ist. Was für Manzano mit Ärgernissen beginnt, steigert sich für ihn und Millionen Menschen in Europa zu einer Katastrophe.

Aufrüsten gegen Blackout
Ein Stromausfall bedeutet das Ende von Wasser- und Lebensmittelversorgung, Verkehr, Gesundheitssystem, öffentlicher Ordnung und Sicherheit und sämtlicher Kommunikationsmöglichkeiten. Der Schriftsteller Marc Elsberg beschreibt in seinem 800 Seiten-Thriller „Blackout“ ( blanvalet, ISBN 978–443–38029–9) die Folgen auch in Österreich. Etwa Menschen, die im Winter auf einer stromlosen Autobahnraststätte stranden. Oder die Landwirtschaft: Schweine ersticken in großen Mastställen, weil der Ventilator ausfällt. Kühe können nicht mehr gemolken werden. Selbst wenn der Strom wieder funktionieren sollte – bis die Landwirtschaft wieder ausreichend über Tiere verfügt, verginge viel Zeit.

Er war auf der Suche nach „irgendeinem Thriller-Thema“ auf die Energieversorgung gestoßen, erzählt Elsberg dem KURIER. Als er den Text beim Verlag einreichte, explodierte gerade das Atomkraftwerk Fukushima. In Japan ging das Licht aus. Beobachter bezeichnen das Buch seither nicht mehr als Roman, sondern als „dramatisiertes Sachbuch“.

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