Auf der Flucht in Kufstein gestrandet

In Tirol ist man auf regelrechte Massen an gestrandeten Menschen eingestellt.
Tirol hält rund 1200 Notbetten für Flüchtlinge bereit, die wegen des G7-Gipfels nicht nach Bayern kommen.

In der Mitte von Bahnsteig 6 des Innsbrucker Bahnhofs steht eine Gruppe Flüchtlinge. Dass ihre Fahrt spätestens in Kufstein an der Grenze zu Bayern enden wird, steht allerdings bereits fest, bevor sie im Fernreisezug nach München Platz genommen haben. Denn an beiden Enden des Eurocity aus Verona steigen deutsche Polizisten ein. Sie sollen eigentlich den Fokus auf Gegner des am 7. und 8. Juni in Bayern stattfindenden G7-Treffens legen. "Aber kräftemäßig sind wir durch die illegale Migration gebunden", erzählen Jonathan Funk und Julia Trentzsch von der mobilen Kontrollüberwachungseinheit Rosenheim.

Normalerweise dürfen deutsche Polizisten erst in Kufstein zusteigen und nach der Grenze zur Tat schreiten. Der große Teil der aufgegriffenen Flüchtlinge beantragt dann Asyl in Deutschland. Gerade einmal 197 Migranten konnten deshalb 2014 nach Tirol zurückgeschoben werden. Umgekehrt hat die Tiroler Polizei im selben Zeitraum von über 7000 aufgegriffenen Flüchtlingen 5770 nach Italien rückgeführt. Denn Asyl in Österreich interessiert nur einen Bruchteil der illegalen Migranten, die über die Brennerroute reisen. Sie wollen in den Norden, nach Deutschland oder noch weiter. Bis zum 15. Juni schaut die Lage nun aber anders aus. Da Deutschland wegen des G7-Gipfels in Bayern wieder Grenzkontrollen eingeführt hat, dürfen die Beamten der Nachbarn gemäß eines Polizeiabkommens bereits in Österreich kontrollieren.

Großaufgebot

Als der Zug in Kufstein einrollt, wird er schon von einem Großaufgebot an Polizisten erwartet. "Die Weiterfahrt verzögert sich einige Minuten wegen eines Polizeieinsatzes", erfahren die Passagiere über eine Lautsprecherdurchsage.

Rund zehn deutsche Beamte durchkämen die bereits zuvor von den Kollegen sondierten Waggons. Auf der anderen Seite des Bahnsteigs warten bereits rund 20 österreichische Polizisten auf die Übergabe der aufgegriffenen Flüchtlinge. Insgesamt wurden so alleine am Freitag 35 Personen aus den Zügen gefischt.

Wie viele es in den kommenden Tagen sein werden, lässt sich nicht vorhersagen. Doch in Tirol ist man auf regelrechte Massen an gestrandeten Menschen eingestellt. Denn die Flüchtlinge werden nach ihrer Registrierung durch die Polizei wieder auf freien Fuß gesetzt. In Kufstein und Umgebung, aber auch in Innsbruck bestehen derzeit in Zelten, Turn- und Tennishallen Möglichkeiten, bis zu 1200 Betten und mehr aufzustellen. Ob die Flüchtlinge diese Quartiere nutzen, können sie selbst entscheiden. In Schwoich bei Kufstein haben Donnerstagnacht die ersten 25 Personen in einer Turnhalle übernachtet. Hier werden sie auch mit Essen und Kleidung versorgt. "Wir wissen nicht, wie sich das entwickeln wird", sagt Gerhard Czappek vom Arbeiter-Samariter-Bund, der diese Notunterkunft betreut.

Ohne Hoffnung

Am Samstag sind 30 Betten im Turnsaal belegt. John aus Eritrea berät sich mit seiner Frau und einem Freund, wie es weitergehen soll. An das, was hinter ihm liegt, würde er am liebsten nicht mehr denken: "Ich möchte die Erinnerung gerne löschen." Zu der gehört etwa die Fahrt über das Mittelmeer in einem Holzboot – gemeinsam mit 350 anderen Menschen. "Dieses Risiko sollte keiner eingehen müssen. Niemand verlässt gerne seine Heimat. Aber in unserem Land gibt es keine Hoffnung mehr", sagt der 35-Jährige. In der Diktatur werde man etwa gezwungen, für den Staat zu arbeiten – ohne Lohn.

Die drei machen sich schließlich auf den Weg. "Wir werden unser Glück versuchen", sagt der 35-Jährige. Und das erhoffen sie sich in Norwegen. Dazwischen liegt vorerst die deutsche Grenze.

Kommentare