Es sind Details über ihn bekannt, die er vielleicht nie der Öffentlichkeit preisgeben wollte: Wann er sich die Zehennägel geschnitten hat. Dass er im Wirtshaus immer drei Liter Bier getrunken hat und als Nachspeise 16 Zwetschkenpofesen verdrücken konnte. Dass er neun Heiratsanträge gemacht hat, von denen keiner angenommen wurde.
Im Zuge des Brucknerjahres wurden alle verfüg- und greifbaren Details des umtriebigen Komponisten nochmals an die Oberfläche gebracht, seziert und aufbereitet, teils inflationär. Muss das so sein?
Muss nicht: Umso schöner, dass sich das Linzer Stadtmuseum Nordico einen ganz besonderen Bruckner-Zugang überlegt und umgesetzt hat. Die Ausstellung „It’s me, Toni“ erlaubt ab sofort einen anderen weniger gierigen, als viel mehr interessierten Blick auf das Leben und Werk des Künstlers und Menschen Anton Bruckner.
Die Ausstellungsarchitektur ist einladend und gelungen, die Infos sind in leicht verdauliche, gut genießbare Häppchen gepackt. An Farbe, moderner Sprache und Mut zu ungewöhnlichen Exponaten mangelt es nicht. Das hat unter anderem jenen Grund, dass auch heute noch junge Menschen Zugang zu Bruckner finden sollen und können – mit Facetten, die unterhalten und überraschen.
Herzstück der Ausstellung: Das Team rund um Kuratorin Klaudia Kreslehner hat junge Menschen eingeladen, ihren ganz eigenen Zugang zur Person Bruckner zu finden. Entstanden sind dabei unter anderem sieben Graphic Novels, das sind Comicromane, Neu-Interpretationen von Bruckners Lieblingsinstrument, der Orgel, und Tortendosen mit einem fröhlichen Bruckner-Konterfei – eine echte Besonderheit, schaute der Künstler doch auf allen Porträts immer streng bis griesgrämig drein.
„Auch in einer Krise gibt es Hoffnung“
Sarah Maria Schmidt. Die Überforderung war groß, als die Anfrage kam, einen Comicroman zu Bruckner zu machen. „Da war ich kurz ratlos, wusste nicht, wo ich anfangen sollte“, erzählt Sarah Maria Schmidt, die unter ihrem Künstlerinnennamen „Haras Ananas“ als Illustratorin in Linz lebt.
Also begann die 30-Jährige zu recherchieren und kam drauf, dass auch Bruckner Krisen in seinem Leben zu bewältigen hatte.
„In der Auseinandersetzung habe ich gelernt, dass es Auswege und Lösungen gibt. Dass man das Leben nicht immer so ernstnehmen soll, weil es bestimmt irgendwie weitergeht.“
Im Zuge ihrer Recherchen hat Schmidt auch einen Zugang zu Bruckners Musik gefunden, „mir hat sich auf jeden Fall eine neue Welt aufgetan.“
Das Medium Comic sei wie gemacht dafür, Bruckner auch jungen Menschen zugänglich zu machen. „Da gibt es sehr viel Potenzial. für mich war alles sehr inspirierend, auch die Zusammenarbeit mit den anderen Künstlerinnen“.
"Verständlich, ansprechend, humorvoll"
Sarah Braid. Zuerst kam die Dose, dann der Comic. Sarah Braid bekam heuer die Gelegenheit, das Design für die Box der Linzer Torte zu entwerfen. Jedes Jahr sieht die Metallverpackung der Torte, die allgemein ein beliebtes Geschenk sowie ein Mitbringsel unter Touristen ist, anders aus.
„Ich wollte es visuell so ansprechend wie möglich machen. Auf seinen Porträts sieht Bruckner ja immer sehr ernst drein. Ich habe ihm ein Lächeln ins Gesicht gezeichnet, während er in die Torte beißt. Alle sollen sehen, wie sehr er das genießt“, lacht Braid.
Vor dem Brucknerjahr hatte die Grafikerin kaum Berührungspunkte mit dem Komponisten. Mit ihrer Arbeit „Ein Spaziergang in Bruckners Vergangenheit“ hat sie seine Kindheit und Jugend leicht verständlich in einen Comic verpackt. Das sei auch der Zugang, den sie sich für junge Menschen wünsche: „Es ist eine leicht verständliche, ansprechende und humorvolle Weise, sich dieser historischen Persönlichkeit anzunähern.“
Sarah Braid wuchs in Schärding auf, studierte in Linz, lebt und arbeitet derzeit in Wien.
"Geburtstagsgeschenk für einen Komponisten"
Heike Waldner-Kaltenbrunner. Die biografischen Parallelen zwischen Anton Bruckner und der Künstlerin Heike Waldner-Kaltenbrunner sind eklatant: Sie absolvierte einen Teil ihrer Volksschulzeit in Ansfelden in jener Schule, in der Bruckner unterrichtete. In Kronstorf, wo der Komponist zwei Jahre Schulgehilfe war, war Waldner-Kaltenbrunners Großonkel Organist. „Ich hörte schon früh das Perger Präludium und habe es als brachiales Konzert in Erinnerung.“
In der Ausstellung im Nordico ist die „Näherungsorgel“ der Künstlerin aufgebaut: „Ich wollte ihm ein Geburtstagsgeschenk machen und sein Werk würdigen. Deswegen habe ich Intervalle gesucht, die mit mir resonieren“.
Konkret funktioniert das so: Wer sich den Orgelpfeifen nähert, erzeugt Töne. Wenn mehrere Personen interagieren, entstehen Intervalle.
Linz ist ein Zwischenstopp für die spezielle Orgel, die mit fluffig-plüschigen Elementen die Blicke auf sich zieht. Davor war sie in Berlin, Wien und Washington zu erleben. Dort waren die Reaktionen positiv bis euphorisch: „You changed my world!“, wurde etwa aus Amerika rückgemeldet.
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