An der Wand hängt eine Karte der Region, an einigen Stellen wurden Stecknadeln platziert, deren Köpfe unterschiedliche Farben haben. Mit gerunzelter Stirn betrachten Kriminalermittler das Bild, das sich ergibt.
„Genauso war das damals bei der SOKO Butterkipferl“, sagt Paul Marouschek, stellvertretender Direktor des Bundeskriminalamts. Dabei handelte es sich um eine Einbruchserie in Filialen einer Bäckerei vor vielen Jahren. Jene Geschäfte, wo bereits eingebrochen wurde, erhielten eine rote Stecknadel. Und jene, die bisher verschont blieben, erhielten weiße Stecknadeln. „In diese Filialen schickten wir Polizeibeamte, die dort auf die Einbrecher gewartet haben“, sagt Marouschek.
Doch das war früher, heute arbeite man ganz anders. Er verweist auf den „Kriminalitätsatlas“, der in der Abteilung 4 des Bundeskriminalamts entwickelt wurde. Hier sitzen die Expertinnen und Experten in Sachen Kriminalstatistik, Kriminalpsychologie (Wie ticken Serientäter?) und räumliche Analyse.
Darunter fällt auch das „Crime Mapping“. Also die Zusammenstellung, Darstellung und Analyse von Verbrechensmustern auf einer Karte. „Um den österreichischen Kriminalitätsatlas beneiden uns viele andere Länder, wir liegen damit im Spitzenfeld in Europa“, sagt Marouschek stolz, der die Abteilung 4 seit 2002 leitet.
Der Kriminalitätsatlas steht allen Bediensteten des Bundesministeriums für Inneres und den Landespolizeidirektionen in einem internen Netzwerk zur Verfügung, auf das sie mobil zugreifen können. Das Herzstück dieses Atlas sind die Kriminalitätskarten, auf denen Straftaten sowie andere kriminalpolizeilich relevante Daten in unterschiedlichen Varianten grafisch dargestellt sind.
Damit können beispielsweise folgende Fragen beantwortet werden: Wo wurden in einem bestimmten Zeitraum Brandstiftungen verübt? Wo kommt es zu örtlichen Schwerpunkten bei Kfz-Diebstählen? Stehen Straftaten durch ihre örtliche Nähe miteinander in Verbindung? Oder: Werden Wohnungseinbrüche vermehrt in unmittelbarer Nähe von Autobahnabfahrten verübt?
„Das Besondere daran ist, dass es ein österreichweites System ist“, sagt Marouschek und betont, dass die eingespeisten Daten stets innerhalb einer Stunde aktualisiert werden. Sie stammen aus dem Sicherheitsmonitor, der als Datengrundlage dient. Der Sicherheitsmonitor ist ein bundesweites Datenanalyse- und Speicherungssystem und liefert das tägliche kriminelle Lagebild für ganz Österreich oder für einzelne Regionen. Mit diesen Zahlen wird der Kriminalitätsatlas gefüttert, damit er aussagekräftige Visualisierungen erstellen kann.
Streifendienst planen
Seit April 2022 steht der Atlas in der neuesten Version zur Verfügung, er verzeichnet bisher 75.000 Zugriffe. „Unser Anspruch war es, den Atlas intuitiv zu gestalten. Außerdem war uns eine schnelle Darstellung der Daten wichtig, damit die Beamtinnen und Beamten raschen Einblick in die von ihnen abgefragten Informationen bekommen“, sagt Jacques Huberty, der Experte für geografisches Profiling ist und Teil des Teams, das den Kriminalitätsatlas entwickelt hat.
Man könne die Informationen für vieles nutzen. „So ist es auch möglich, die Staatsanwaltschaft bei der Anklagestrategie zu unterstützen oder einen Streifendienst dementsprechend zu planen“, sagt Marouschek. In der Praxis laufe es so ab: Polizisten treffen einander zur Morgenbesprechung und prüfen im Kriminalitätsatlas nach, was in der Nacht alles geschehen ist. Sie können nach Faktoren filtern, etwa Begehungsform, Spuren, Orte. Es erscheinen bunte Cluster, die Aufschluss über Verbrechen geben. „Wir können Serientaten erkennen“, sagt Marouschek. Und: „Das System kann vorausberechnen, wo sich z. B. der nächste Einbruchshotspot entwickelt. Dort können wir präventiv Überwachungskameras installieren oder Polizeibeamte einsetzen.“
Einige Mitglieder der Abteilung 4.5 sind nun nach San Diego in die USA gereist. Sie nehmen dort den „Special Achievement in GIS (SAG) Award“ für den österreichischen Kriminalitätsatlas entgegen. Eine internationale Auszeichnung, die im Rahmen der Esri User Conference verliehen wird. Dabei handelt es sich um die weltweit größte Konferenz, die sich auf geografische Informationssystemen fokussiert. Marouschek: „Darauf sind wir wirklich sehr stolz.“
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