"Es ist so unbegreiflich. So sinnlos": So berichten internationale Medien

Zusammenfassung
- Internationale Medien betonen die tiefe Erschütterung und Traumatisierung durch den Amoklauf in Graz.
- Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kritisiert die Verfügbarkeit von Schusswaffen und den voyeuristischen Umgang mit der Tragödie.
- Delo hebt die Rolle eines von Hass geprägten sozialen Umfelds und die gesellschaftliche Intoleranz hervor.
Nach dem Amoklauf in Graz starben zehn Menschen, elf liegen schwer verletzt im Krankenhaus. Der Täter beging Suizid. Derzeit wird noch über sein Motiv spekuliert. Auch international erregte der Amoklauf die Aufmerksamkeit zahlreicher Medien. Kurz nach der Tat berichteten sowohl große Nachrichtenagenturen wie Reuters und Associated Press als auch The New York Times und Al Jazeera.
"Schütze eröffnet das Feuer in einer österreichischen Schule, tötet zehn Menschen und versetzt das Land in einen Schockzustand", titelt CNN. "Völliger Schock: Grazer Bevölkerung nach Amoklauf in Angst und Schrecken versetzt", schreibt ABC News.
Der britische Guardian berichtet von einer "nationalen Tragödie" und zitiert Christian Stockers Rede sowie die Schweigeminute für die Opfer. Des Weiteren schreibt die Zeitung, dass in Österreich auf 100 Einwohner schätzungsweise 30 Schusswaffen kommen würden, womit das "Land eine der am stärksten bewaffneten Zivilbevölkerungen in Europa sei."
Auch die New York Times berichtete ausführlich über den Amoklauf in Graz und betonte, dass die österreichische Zivilbevölkerung zu den am stärksten bewaffneten der Welt gehöre. Laut einer Schätzung des Small Arms Survey aus dem Jahr 2017 soll Österreich Platz 12 belegen, was den Waffenbesitz pro Person betrifft.
In einem Artikel beleuchtete auch CBS News das Waffengesetz des Landes. "Schusswaffengewalt ist in Österreich, wo der Waffenbesitz streng geregelt ist, selten", heißt es im Artikel. Des Weiteren wird betont, dass Waffenbesitzer über 18 Jahre alt sein müssen und sich in einer Datenbank registrieren lassen müssen.
Die Süddeutsche Zeitung (München) schreibt: "Politisches Leben zum Stillstand gebracht"
"Die Teams werden viel zu tun haben in den nächsten Tagen und Wochen. Denn was man auch von anderen Schulamokläufen an Schulen weiß: Sie wirken weit über das Geschehen hinaus, traumatisieren nicht nur die Familien der Opfer, sondern auch Augenzeuginnen und Einsatzkräfte über Jahre. Der Amoklauf hat das politische Leben in Österreich nicht nur erschüttert, sondern regelrecht zum Stillstand gebracht. "
Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Widerlicher Voyeurismus"
"Was bringt einen jungen Menschen dazu, in seine ehemalige Schule einzudringen und Schüler und Lehrer zu töten? Über die Hintergründe der Tat und des Täters von Graz, der sich noch an Ort und Stelle selbst tötete, wird in den kommenden Tagen mehr zu erfahren sein. Psychologen und 'Experten' werden mehr oder weniger fundierte Ferndiagnosen zum Besten geben. Ob das zu ernsthaften Erkenntnissen oder gar sinnvollen Konsequenzen führt, steht einstweilen dahin. Das Leid der Opfer, ihrer Angehörigen und der Mitschüler wird es nicht lindern.
Zwei Dinge liegen auf der Hand. Es macht unser tägliches Leben nicht sicherer, wenn Schusswaffen leichter verfügbar werden. (...) Das andere ist ein widerlicher Voyeurismus, der schon kurz nach der schlimmen Tat an der Grazer Schule im Netz feilgeboten wurde. Da kursierten auf allen möglichen Plattformen Bilder (...). Medien, die sie sich verschaffen und mit Schlagzeilen über 'Horror-Szenen' anpreisen, gehören geächtet. Auch deshalb, weil dergleichen Nachahmer reizen könnte."
spiegel.de: "Selbst (...) Kickl machte nicht den Versuch, aus dem Blutbad politisches Kapital zu schlagen"
"Hoffnungsfroh und mit einer Prise Spott begann der gestrige Dienstag in Österreich. 'Meisterlich in ihrer Unauffälligkeit', sei die neue Regierung unter Kanzler Christian Stocker, kommentierte süffisant das landesweit meistgelesene Blatt 'Kronen Zeitung' am Morgen – in der Restwelt zwischen Gaza und Donbass sei einiges los, 'nur in Österreich nicht'. (...)
Das Blutbad in der Steiermark steht für das verheerendste Massaker in Österreich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Bundeskanzler Christian Stocker, umgehend nach Graz geeilt, sprach von einer 'dunklen Stunde und einer nationalen Tragödie'. (...)
Selbst (FPÖ-)Parteichef Herbert Kickl machte, entgegen seiner sonstigen Art, nicht den geringsten Versuch, aus dem Blutbad politisches Kapital zu schlagen.
Hätte allerdings, nur so ein Gedankenspiel, der Täter nicht Artur A. geheißen, offiziellen Angaben zufolge ist er österreichischer Staatsbürger, sondern, zum Beispiel, Ahmed B. - nicht auszudenken, was losgebrochen wäre in einem Land wie diesem: In Umfragen liegt die FPÖ landesweit deutlich vorn, in der Steiermark stellt sie bereits den Landeshauptmann. Dass sich die Tragödie ausgerechnet auf von ihnen regiertem Terrain zutrug, ist für die in Sicherheitsfragen restriktiven Freiheitlichen eine unangenehme Fügung."
Bild: "So unbegreiflich"
"Elf tote Menschen, ja, es ist so unbegreiflich. So sinnlos. (...)
Auf der Webseite der BORG-Schule stand schon vor dem Amoklauf: 'Die sozialen Probleme, mit denen die Schüler/innen von heute zu kämpfen haben, sind vielfältiger geworden'. Eine der Hauptaufgaben der Schule sei es, 'traumatische Erlebnisse zu reparieren oder wenigstens zu mildern'.
Wie furchtbar aktuell diese Worte plötzlich klingen. Die Schule bleibt bis auf Weiteres geschlossen."
Delo: "Tragödien sind keine fernen Geschichten"
"Das gestrige Blutbad an einer Schule in Graz hat unsere Öffentlichkeit viel stärker erschüttert, als wenn es auf der anderen Seite des Atlantiks oder irgendwo in fernen Ländern passiert wäre. (...) Es ist unseriös, voreilig zu spekulieren, wer sich zu einer solchen Tat entschlossen hat und warum. Der Hintergrund ist immer komplexer und tiefer, als wir ihn aus den Schlagzeilen und Online-Portalen herauslesen können. Zweifellos spielt dabei das soziale Umfeld, in dem wir leben, eine wichtige Rolle - es ist geprägt von Hass, Intoleranz, Gewalt, Verschwörungstheorien und Hassreden. (...)
Solche Tragödien sind keine fernen Geschichten mehr. Sie kommen immer näher an unsere Haustür heran. Sie sind auch ein Spiegelbild einer Gesellschaft, in der sich Intoleranz und ein Mangel an Mitgefühl verbreiten. (...) Eine Gesellschaft, die nicht in Zusammenhalt und Mitgefühl investiert, wird immer wieder mit Zerfall konfrontiert sein. Und solange das zentrale Thema sowohl der nationalen als auch der Weltpolitik die Aufrüstung und nicht die Bildung ist, sind wir bereits stark gefährdet."
Večer: "Vor unserer Haustür"
"Trauer, Entsetzen, Verzweiflung ... All das kann man angesichts der Ereignisse in Graz sagen. Es ist verständlich, dass wir von den Bildern erschüttert sind, die wir buchstäblich hinter der Grenze, fast vor unserer Haustür, sehen können. Noch nie zuvor hat es eine Schießerei in einer Schule so nah bei uns gegeben. Dennoch sollten wir in Momenten, in denen uns die Umstände des Vorfalls völlig unbekannt sind, verschiedene Werturteile über den Vorfall und den Täter zurückhalten. Wenn die Fälle immer so eindeutig wären, wie die Öffentlichkeit annimmt, hätten sie wahrscheinlich schon längst verhindert werden können. (...)
Jeder Einzelne, aber auch die Schule und das Geschehen in ihr, sind ein Spiegelbild der Gesellschaft. Was wir säen, werden wir ernten - das ist uns wohl klar. (...) Wir sollten uns bei jedem Schritt um eine freundlichere, tolerantere, integrativere und solidarischere Gesellschaft bemühen. Mit einem militaristischen Diskurs, ständigen Versuchen, uns davon zu überzeugen, dass wir mehr Geld in Verteidigung und Aufrüstung investieren müssen, und sogar mit Aufrufen zur Bewaffnung der Zivilbevölkerung, wie wir sie auch bei uns erlebt haben, entfernen wir uns sehr von diesem Ziel."
El País: "Land unter Schock"
"Es gibt unzählige Fragen, die es zu beantworten gilt. In den kommenden Tagen werden einige davon vielleicht beantwortet, andere könnten nationale Debatten auslösen. Alles wird kommen, und es wird schwer zu verdauen sein. Im Moment steht dieses Land unter Schock wegen einem jener Verbrechen, die sich scheinbar nur Tausende von Kilometern entfernt ereignen, in Schulen in Kansas oder Kalifornien, an Orten mit extremer Gewalt, weit weg vom glücklichen Österreich, dem Mythos des kleinen, beschaulichen und ruhigen Alpen- und Donaulandes, das in der Geschichte so oft widerlegt wurde, aber dennoch in der kollektiven Identität verwurzelt ist."
La Vanguardia: "Schwerst bewaffnete Bevölkerungen Europas"
"Österreich, ein EU-Land mit 9,2 Millionen Einwohnern, ist weit entfernt von ähnlichen Tragödien, die die USA und andere westliche Länder regelmäßig heimsuchen. Laut dem Global Peace Index zählt es zu den zehn sichersten Ländern der Welt. Gleichzeitig zählt Österreich laut dem unabhängigen Forschungsprojekt Small Arms Survey zu den am schwersten bewaffneten Bevölkerungen Europas."
El Mundo: "Ultimatives Ziel der Gewalttat"
"Das Verfahren zur Erlangung eines Waffenscheins in Österreich ist umstritten. Das Auswahlverfahren besteht aus zwei Phasen - einem Eignungstest und einem Vorstellungsgespräch - und kann in nur drei Stunden abgeschlossen werden. Eine Hürde, die angesichts der Ereignisse viele als unzureichend erachten. Der leichte Zugang zu Waffen ist ein häufiger Faktor bei Amokläufen an Schulen - ein Phänomen, das lange Zeit fast ausschließlich mit den USA in Verbindung gebracht wurde, heute aber auch in Europa häufiger auftritt. Im Fall Graz deutet sich zudem ein möglicher Zusammenhang mit dem Mobbing an, dem der Angreifer als Teenager ausgesetzt war.
Ein weiteres wiederkehrendes Muster ist der Selbstmord des Angreifers. Für manche Analysten ist dies das ultimative Ziel der Gewalttat, ob direkt ausgeführt oder durch eine Konfrontation mit der Polizei. Artur A. scheint diesem Muster gefolgt zu sein: Er verließ das Haus vorzeitig und ließ seinen Brief auf dem Schreibtisch liegen - als Vorbote dessen, was kommen sollte."
La Repubblica: "Thema Waffengesetz"
"Österreich ist schockiert. In Graz kämpfen die Verletzte um ihr Leben, die Menschen spenden Blut. Jetzt konzentriert sich die Diskussion auf das Thema Waffen. Die Waffengesetze sind in Österreich liberaler als in anderen EU-Ländern".
Corriere della Sera: "Keine Ausnahme"
"Der einfache Zugang zu den Waffen ist eines der häufigsten Elemente bei Massakern in den Schulen, Situationen, die die USA häufig erlebt haben und inzwischen auch in Europa immer wieder vorkommen. Das Blutbad in Graz ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme".
L'Avvenire: "Brutale Wut"
"Noch nie zuvor war es in Österreich zu einem derartigen Massaker gekommen. Das Gemetzel ist die isolierte Geste eines jungen Mannes mit Waffenschein, der eine brutale Wut gegen seine ehemalige Schule hegte. Die Schießerei in Graz ist die schrecklichste in der österreichischen Nachkriegszeitgeschichte".
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