Nach Amoklauf in Grazer Schule: Was Kinder und Eltern jetzt brauchen

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Ein Ereignis wie gestern in Graz löst in vielen Familien Unsicherheit, Wut und Ängste aus. Offenheit und ein altersgerechter Umgang helfen dabei, die Geschehnisse gemeinsam zu verarbeiten.

Eine Schule sollte für Kinder ein Ort der Sicherheit sein. Jetzt sind mehrere Schülerinnen und Schüler sowie eine Lehrperson tot, weitere mussten in Krankenhäusern behandelt werden.  Nach der Tat im Grazer Oberstufengymnasium sitzt der Schock in ganz Österreich tief. Bei der Beratungsstelle „Rat auf Draht“ stellte man sich gestern bereits auf viele junge Anrufer an, die mit ihren Gefühlen überfordert sind. Auch für Eltern ist die Situation nicht einfach: Viele erwachsene Bezugspersonen haben selbst Ängste oder stellen sich die Frage, wie sie mit ihren Kindern über den mutmaßlichen Amoklauf sprechen sollten.

Grundsätzlich raten Experten, ein solches Ereignis nicht zu verharmlosen oder zu verheimlichen. Das Alter des Kindes spielt dabei aber eine wesentliche Rolle, sagt Katrin Wippersberg, Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin und Leiterin von Die Wiener Praxis. „Wenn ein vier-, fünfjähriges Kinder von selbst noch nichts davon erfahren hat, würde ich nicht noch zusätzlich eine schwierige Situation im Weltgeschehen an das Kind herantragen. Die Psyche ist in diesem Alter noch nicht so weit, um diese Dinge richtig einzuordnen und zu verarbeiten.“

Dazu zählen auch Wörter, die ein Kind in diesem Alter noch nicht kennt: etwa „Amoklauf“ oder „Bluttat“. „Als Elternteil muss man immer genau darauf achten, dass man sich in der Sprachwelt, in der sich die Kinder bewegen, Erklärungen und Antworten bietet.“ 

Offen darüber reden

Anders sieht es aus, wenn das Kind das Geschehene von selbst anspricht, Ängste oder Fragen äußert. „Dann ist es wichtig, mit einer gewissen Offenheit, aber auch einer gewissen Vorsicht in der Sprache zu reagieren“, sagt Wippersberg. „Ich würde schreckliche Nachrichten bei Kindern immer mit einem erhöhten Schutzbedürfnis kombinieren: Es gibt leider solche Menschen, aber bei uns bist du sicher,  wir  passen auf dich auf. Bei älteren Kindern könnte das so klingen: Es gibt leider viele Probleme auf der Welt, die mit Gewalt zu tun haben, aber auch viele Menschen, die versuchen, diese Probleme zu lösen.“

Bei den Älteren sei Authentizität und Ehrlichkeit gefragt: „Wenn sie etwas aufschnappen, kann man ihnen schon erklären, was ,Amoklauf’ bedeutet und welche Beweggründe dahinterstehen.“

Nur gesicherte Informationen besprechen, keine Spekulationen, die die Fantasie anregen: Dazu rät auch der Tiroler Psychologe Johannes Achammer. „Je jünger das Kind, desto weniger Details braucht es. Wenn man keine Antworten mehr weiß, kann man das zugeben“, sagt er. 

Angst ernst nehmen

Der ehemalige Lehrer empfiehlt Eltern unbedingt, in den kommenden Tagen die aktuellen Nachrichten mit den Kindern gemeinsam  zu konsumieren. Wichtig ist laut Rat auf Draht aber auch – nicht nur für Kinder und Jugendliche –, dazwischen bewusst eine Pause von der Berichterstattung einzulegen, um zur Ruhe zu kommen und die Flut an Nachrichten zu verdauen. Auch  gemeinsame Aktivitäten, wie ein Spaziergang oder ein  Brettspiel, tun in solchen Momenten gut.

Auch vorübergehende Angst vor der Schule oder davor, alleine das Haus zu verlassen, sowie Schlafstörungen können in den Tagen und Nächten nach so einem Ereignis auftreten. Wie intensiv diese ausfallen, hängt oft von der unmittelbaren Betroffenheit, wie örtliche Nähe, ab.  „In der Regel klingen diese Symptome, jedoch wenn etwas Zeit vergangen ist, von selbst wieder ab“, entwarnt Achammer. 

Auch Wippersberg, die in ihrer Praxis auf Elternberatung spezialisiert ist, betont: „Dass so eine Tat  wahrscheinlich Spuren hinterlässt, ist klar.“ Manchen Kindern hilft nun der Austausch mit anderen. Andere werden sich vielleicht lieber zurückziehen.  „Wenn sich ein Kind jetzt ein paar Tage nicht in die Schule traut, habe ich den persönlichen Eindruck, dass man dem schon nachgeben kann“, sagt die Psychotherapeutin. „Man muss nicht jede Angst sofort überwinden, vor allem, wenn sie so einen realitätsbezogenen Hintergrund hat.“ 

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