Am Weg zur Lehrstelle lauern viele Hürden

Die österreichischen Industriebetriebe blicken zuversichtlich voran. Zwei von fünf wollen neue Mitarbeiter einstellen.
Die Industrie sucht vergeblich nach Lehrlingen und beklagt mangelndes Interesse der Jugend.

Zahlen können täuschen: 252 Jugendlichen auf der Suche nach einer Lehrstelle im Burgenland stehen aktuell 138 offene Stellen gegenüber. Doch trotz dieses vermeintlichen Überangebots klagt Christoph Blum, neuer Obmann der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer: „19 unserer Lehrbetriebe wollen über 50 Lehrlinge aufnehmen. Aber rund 35 dieser ausgeschriebenen Lehrstellen sind noch nicht besetzt.“

Das Problem: Mangelnde Qualifikation oder fehlendes Interesse. „An der Ausbildung der Jugendlichen muss jeder Betrieb selbst arbeiten. Mir würde schon der Arbeitswille genügen“, sagt Blum. In seinem eigenen Betrieb habe er zuletzt jedoch vergeblich versucht, einen geeigneten Lehrling zu finden.

Lehrplätze vorhanden

Das Bemühen seitens der Arbeitgeber sei vorhanden, versichert Manfred Gerger, Präsident der Industriellenvereinigung im Burgenland: „In einer kürzlich durchgeführten Umfrage gaben über 90 Prozent der Industrieunternehmen an, ihre Lehrstellenpläne von vor Corona auch weiter einhalten zu wollen.“

Doch Helene Sengstbratl, Landesgeschäftsführerin des AMS Burgenland, betont: „Es geht für Jugendliche auch um Themen, wie die Lage einer Firma, die Produktpalette und die individuellen Berufswünsche. Wer zum Beispiel Kellner werden möchte, wird nicht in einem technischen Beruf anfangen wollen, auch wenn in diesem Bereich gerade eine Stelle offen wäre.“

Plan B ist wichtig

Das AMS sei bemüht, direkt mit Betrieben zusammenzuarbeiten, die Schwierigkeiten bei der Lehrstellensuche haben. „Wir bemühen uns, Jugendlichen klar zu machen, dass sie auch einen Plan B haben sollten, wenn in ihrem Traumberuf gerade kein Angebot verfügbar ist. Unternehmen versuchen wir dazu zu bewegen, ihre Anforderungen vielleicht ein Stück zurückzuschrauben und mit den Jugendlichen zu arbeiten. Manche können sich einfach nicht gut selbst verkaufen, entwickeln dann aber im Betrieb enormes Potenzial.“ Aus den überbetrieblichen Ausbildungsstätten des AMS heraus hoffe man, Lehrlinge vermitteln zu können.

IV-Präsident Gerger sieht keinen weiteren Bedarf an solchen überbetrieblichen Ausbildungen. „Die jungen Menschen so schnell wie möglich in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln, dafür steht die Industrie gerne zur Verfügung“, stellt er klar.

"Mangelnde Initiative der Unternehmer"

Daran zweifelt allerdings Gerhard Michalitsch, Präsident der burgenländischen Arbeiterkammer: „Die Zahl der Lehrbetriebe im Burgenland ist von 2000 bis 2019 um 37 Prozent gesunken. Wer nicht in die Ausbildung investiert, darf sich auch nicht über Fachkräftemangel beschweren“, sagt er. Die Klage über uninteressierte Jugendliche sei „ein mehr als jahrzehntealtes Argument“, meint Michalitsch: „Die jungen Menschen sind alles andere als faul. Aber sie schauen sich die Rahmenbedingungen einer Ausbildung sehr genau an. In Wahrheit ist es eine faule Ausrede für mangelnde Initiative der Unternehmer.“

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