Abschied von sterbenskranken Kindern: Loslassen im Sternenhaus

Abschied von sterbenskranken Kindern: Loslassen im Sternenhaus
Im neuen Sternenhaus können Familien von ihrem sterbenskranken Kind Abschied nehmen. Ein Besuch zum Österreichischen Kinderhospiz- und Palliativtag, zugleich Internationaler Kindertag

Als Simon sechs Monate alt war, machte er in seiner Entwicklung plötzlich Rückschritte. „Er konnte nicht mehr so gut trinken und greifen. Er hat auch viel weniger gestrampelt“, erinnert sich seine Mutter Petra. In den nächsten Monaten folgten zahlreiche Untersuchungen. Infolge eines schweren epileptischen Anfalls musste Simon auf einer Intensivstation behandelt werden.

Nach ärztlichen Fehleinschätzungen erhielt die Familie letztendlich die Diagnose, dass Simon an Morbus Krabbe leidet. Eine seltene, genetisch bedingte Erkrankung, die sehr schnell voranschreiten kann und bei der es keine Hoffnung auf Heilung gibt.

„Meine erste Frage war: Zahlt es sich aus, einen Kindergartenplatz zu suchen?“, erzählt die 33-jährige Mutter. Die erste Prognose der Ärztin sei gewesen, dass er seinen zweiten Geburtstag nicht erleben werde.

Heute ist Simon knapp drei Jahre alt und begrüßt seine Eltern mit einem Lächeln am Morgen. Er kann sich jedoch nicht bewegen, seinen Kopf nicht halten, ist blind und wird mit einer Nasensonde ernährt. Wie viel Zeit noch bleibt, ist unklar.

Last nehmen

Mit diesem Schicksal ist die Familie nicht allein. Rund 5.000 Kinder in Österreich leiden an einer lebensverkürzenden Erkrankung. Am Sterntalerhof in Loipersdorf-Kitzladen im Burgenland können betroffene Familien ein bis drei Wochen verbringen, um wieder Kraft für den teils bedrückenden Alltag zu tanken.

Abseits jeglicher Hektik, umgeben von weitläufigen Wiesen und einem angrenzenden Wald, werden sie hier von einem Team aus Pädagogen, Psychologen, Sozialarbeitern, Seelsorgern und Therapeuten aufgefangen. Das Reiten auf Therapiepferden ist ein wesentlicher Teil der Lebens- und Trauerbegleitung.

Für Petra und ihren Mann Dominic fühlte sich jeder Aufenthalt mit Simon und ihrer 6-jährigen Tochter Hanna wie Urlaub an. „Man kann die Sorgen, die man daheim hat, einmal vergessen. Die Leute haben so ein Gespür dafür, was man braucht. Sie sind einfach für einen da und man verspürt viel Mitgefühl, aber kein Mitleid“, sagt Petra.

Im Sommer 2021 wurde auf der Anlage mit dem Bau des Sternenhaues begonnen. Ein Haus, das es Familien möglich machen soll, ihr sterbenskrankes Kind am Sterntalerhof loszulassen. Dieser oft geäußerte Wunsch konnte bisher nicht erfüllt werden, weil sich der Zeitpunkt des Abschiednehmens nicht planen lasse.

„Wir haben einen Platz gebraucht, wo Familien eine nicht vorher definierte Zeit lang sein können. Die Anforderung war, Intimität wie zu Hause und zugleich Sicherheit wie im Spital zu schaffen“, erklärt Harald Jankovits, geschäftsführender Vorstand am Sterntalerhof.

Das 150 m2 große Haus ist barrierefrei gestaltet, damit man einen Rollstuhl oder ein Pflegebett in alle Räume schieben kann – auch in den Wintergarten mit verglastem Dach, um einen beruhigenden Blick auf die Natur und den Sternenhimmel zu haben.

Ab Oktober 2022 werde die erste Familie einziehen können. Bis dorthin müsse die notwendige Betreuungsstruktur vorbereitet werden – vor allem aus medizinischer Sicht. Wenn eine klinische Ausstattung notwendig sei, brauche es jedoch das Spital. Petra beschreibt das Sternenhaus als einen geschützten Ort:

„Man kann dort als Familie beisammen sein und man hat rundherum Menschen, die einen auffangen. Das hat man zu Hause nicht in diesem Rahmen“, meint die Mutter.

Spendenabhängig

Die Arbeit am Sterntalerhof wird ausschließlich über private Unterstützungen finanziert. Auch der Bau des Sternenhauses wurde zur Gänze so realisiert. Mit 1. Jänner 2022 trat das Hospiz- und Palliativfondsgesetz in Kraft. Damit soll der österreichweite Aus- und Aufbau der Hospiz- und Palliativversorgung durch die öffentliche Hand finanziell unterstützt werden.

Es ist eine Drittelfinanzierung durch Bund, Länder und Träger der Sozialversicherung vorgesehen. In diesem Jahr wurden 21 Millionen vom Bund zugesprochen. Aus dem Sozialministerium hieß es, dass die Höhe des Zweckzuschusses für das Burgenland noch nicht genannt werden könne. Die Gesundheit Österreich GmbH müsse zunächst die bestehenden Angebote und den Bedarf erheben.

„Es hat so viele Jahre in so vielen Einrichtungen und Trägern Finanzierungsunsicherheit gegeben. Alle haben gehofft, dass es eine öffentliche Finanzierung gibt“, so Claudia Nemeth, Leitung Hospiz und Palliative Care für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene beim Dachverband Hospiz Österreich.

Dem zufolge sollte es zwei bis drei stationäre Kinderhospize geben. Am Sterntalerhof hat man die Vision, eine weitere Herberge zwischen Innsbruck und Salzburg aufzubauen. „Wir müssen uns ansehen, inwieweit im Rahmen des Gesetzes mit oder ohne uns ein Angebot geschaffen wird. Aufgrund dessen ist zu entscheiden, ob wir uns aktiv dem Aufbau eines zweiten Standorts widmen oder dankbar bleiben, dass wir die Infrastruktur hier aufrechterhalten können“, sagt Jankovits.

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