Abschied des Antiterror-Profis: "Wenn wir gekommen sind, war Ruhe"

Am 28. Februar zieht Hannes Gulnbrein die Cobra-Uniform aus. Diese Woche wurde er zum General befördert 
Kaum jemand verkörpert den Antiterror-Kampf besser als Hannes Gulnbrein. Nach 40 Jahren geht der Elite-Polizist in Pension.

Hannes Gulnbrein ist der Inbegriff eines Antiterror-Kämpfers – drahtig, fokussiert, gerne an vorderster Front, auch mit 65 Jahren. Kein Polizist in Österreich hat mehr Amoklagen, Anschläge, Geiselnahmen und Schusswechsel erlebt, als der scheidende Leiter der Antiterroreinheit Cobra. Nächste Woche hängt Gulnbrein nach 40 Dienstjahren seine Uniform an den Nagel. Zuvor wurde er von Innenminister Gerhard Karner noch zum General befördert. "Er verkörpert seit vielen Jahren mit Leib und Seele die höchsten Tugenden der Polizei und des Einsatzkommandos Cobra nach innen und außen“, lobte ihn der Minister.

Die Kugeln flogen dem damals jungen Oberleutnant um die Ohren, als ein Polizistenmörder 1993 in Wien vier Geiseln nahm. 2008 war Gulnbrein in der Wüste von Mali federführend bei der Befreiung von Österreichern aus den Fängen der Al Kaida beteiligt, 2013 forderte er Panzer beim Amoklauf des Wilderers von Annaberg an.

KURIER: Herr General, wenn man sich ihre Karriere vor Augen führt, drängt sich eine Frage auf. Wie viele Kugeln stecken in ihrem Körper?

Hannes Gulnbrein: (lacht) Zum Glück habe ich alles unbeschadet überstanden. Hie und da eine Schürfwunde, aber das war es.

Abschied des Antiterror-Profis: "Wenn wir gekommen sind, war Ruhe"

Als General in den Ruhestand: Hannes Gulnbrein mit Gattin Isabell und Innenminister Gerhard Karner

So viel Risiko und das im Staatsdienst. Wieso macht man das?

Weil es der tollste Job ist, den ich mir vorstellen kann. Es gehört natürlich eine große Portion Idealismus und auch Mut dazu. Aber den ganten Tag in einem Büro sitzen, das ist nicht meines. Ich habe das Knistern geliebt, ich brauchte die Action.

1983 sind sie zur Polizei gekommen. Kann man das mit der heutigen Zeit vergleichen?

Gar nicht. Ich habe im Wachzimmer Patrubangasse begonnen. Damals war Favoriten auch schon ein heißes Pflaster, aber anders als heute. Der Umgang mit der Polizei war viel respektvoller. Wenn wir gekommen sind, war Ruhe. Teile der Bevölkerung sind heute weit aggressiver, früher war die Problematik mit den verschiedenen Ethnien nicht so groß wie jetzt.

Ist das auch ein Grund, weshalb die Polizei nur schwer Personal findet?

Ja, mit Sicherheit. Ich hatte als junger Streifenpolizist keine fünf Amtshandlungen, bei denen ich zur Dienstpistole greifen musste. Die Brisanz der Einsätze hat deutlich zugenommen.

Es ging aber auch früher zur Sache, wenn man an den 14. Juni 1993 denkt, oder?

Das war mein erster großer Einsatz bei der WEGA. Der berüchtigte Herr Sedlacek hat nach einem Bankraub einen Polizisten erschossen und sich im Kindermodengeschäft Mary mit Geiseln, darunter auch ein Kind, verschanzt. Oberst Friedrich Maringer hatte den Täter als Chefverhandler soweit, dass er die Geiseln frei ließ. Ich habe sie am Eingang übernommen und in eine Wohnung gebracht. Als ich zurück auf die Straße bin, ist ein Sperrfeuer losgegangen. Neben mir sind die Projektile nur so eingeschlagen.

Abschied des Antiterror-Profis: "Wenn wir gekommen sind, war Ruhe"

Hannes Gulnbrein (li.) als junger Oberleutnant der WEGA bei der Geiselbefreiung 1993 im Kindermodengeschäft Mary in Wien-Döbling

Haben alle überlebt?

Oberst Maringer mit viel Glück. Sedlacek hat mit einer 357er auf sein Herz geschossen. Das Projektil ist im Handy in der Brusttasche stecken geblieben. Durch den Treffer ist er niedergegangen, worauf das Dauerfeuer losging. Ich bin als junger Oberleutnant voran mit einem Team hinein. Sedlacek haben wir tot gefunden, selbst gerichtet. Keiner unserer 1.700 Schüsse hat getroffen.

Hat man daraus Lehren gezogen?

Natürlich. Wir waren taktisch auf so etwas nicht eingestellt. Es sind dann die ersten ministeriellen Erlässe über das Vorgehen bei solchen Sonderlagen gekommen. Wir haben unsere Ausbildung umgestellt und die Ausrüstung angepasst.

Der Amoklauf des Wilderers 2013 in Annaberg hat auch gefährliche Schwächen bei der Ausrüstung aufgezeigt. Wie ist es ihnen damit als Einsatzleiter gegangen?

Wir sind mit unserem gepanzerten Wagen auf das Haus des Attentäters zugefahren, als er auf Kopfhöhe fast die Scheibe des Autos durchschossen hat. Ich habe dann die Panzer des Bundesheeres aus Melk angefordert, erstmalig in der 2. Republik. Zuerst dachte ich, das werden sie mir mit Sicherheit ablehnen. Aber nach 20 Minuten gab es ein Okay.

Abschied des Antiterror-Profis: "Wenn wir gekommen sind, war Ruhe"

Der Bunker samt Waffenlager des Wilderers von Annaberg

Würde man heute etwas anders machen. Ist die Ausrüstung besser geworden?

Von der Taktik her sicher nicht. Wir haben heute einen anderen technischen Stand mit Drohnen und anderen Aufklärungsmöglichkeiten. Aufgrund von Annaberg und den Terroranschlägen in Paris und Belgien ist einiges auf dem Sektor weitergegangen. Wir sind auf Augenhöhe mit allen internationalen Spezialeinheiten, teilweise auch besser ausgerüstet.

Hat das auch beim Terroranschlag in Wien gegolten?

Natürlich. Ganz Europa musste sich gegen den Terror rüsten. Beim Anschlag waren wir bereits sehr gut aufgestellt. Nach neun Minuten eine Amok- und Terrorlage zu beenden und den Attentäter auszuschalten, ist sensationell. Das System, aus dem Streifendienst heraus Spezialeinheiten zur Verfügung zu haben, hat sich bewährt.

Ist so ein Anschlag in Österreich wieder zu befürchten?

Auch wenn man nicht sehr viel davon wahrnimmt, der Terrorismus schläft nie. Es wird immer terroristische Zellen geben. Wir müssen uns überlegen, welche Art von Terrorismus uns noch treffen kann. Wir haben uns gegen den terroristischen Einsatz von Kampfstoffen schon vorbereitet. Drohnen sind immer eine Gefahr. Mit kleinsten Geräten kann schon ein enormer Schaden aus der Luft angerichtet werden. Technik und Robotik werden auch für Terrorzwecke eine große Rolle spielen.

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