71 tote Flüchtlinge: Doskozil zum A4-Prozess
Die 71 Toten von Parndorf und der wenige Tage später rapide anschwellende Zustrom von Flüchtlingen an Burgenlands Grenzen haben den damaligen Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil im Spätsommer 2015 jäh ins Rampenlicht gerückt. Der Jurist mit dem Spezialgebiet Fremdenrecht wurde für seinen umsichtigen Umgang mit dem bis dahin Undenkbaren fast allseits gelobt und bald darauf in die Bundespolitik geholt, wo er im Jänner 2016 zum Verteidigungsminister avancierte.
„Natürlich“, so der nunmehrige SPÖ-Landesrat in Eisenstadt, habe er den Schlepper-Prozess verfolgt. Bei 25 Jahren Haft sei die Schuldfrage eindeutig geklärt, warum nicht die Höchststrafe, also lebenslang, verhängt wurde, „ist mir unerklärlich“, sagte Doskozil dem KURIER.
Analytisch und ungetrübt ist auch der Blick auf die politischen Zusammenhänge einst und jetzt: So sieht Doskozil die Öffnung der Grenzen im Herbst 2015 nicht als unmittelbare Reaktion auf die Toten im Kühl-Lkw. Natürlich sei die Politik dadurch „weit mehr sensibilisiert“ gewesen als durch die im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge, aber die Vorgangsweise an der Grenze basierte auf „einer rein rechtlichen und faktischen Beurteilung“. Denn anders als etwa in Deutschland gelte illegaler Grenzübertritt in Österreich als „Verwaltungsübertretung“ wie Schnellfahren oder Falschparken. Deshalb reagiert er auch skeptisch auf die Ankündigung von Innenminister Herbert Kickl ( FPÖ), der bei einem neuerlichen Flüchtlingsansturm alle Grenzen zu Österreich dicht machen will. Erstens könne man die Grenzlinie faktisch nie bis zur absoluten Undurchlässigkeit sichern und zweitens sei es rechtlich unverhältnismäßig, auf eine Verwaltungsübertretung mit Mitteln zu reagieren, die Menschenleben gefährden können. Doskozil: „Ich bin gespannt, wer – vom Innenminister bis zum Einsatzleiter vor Ort – sich das zu verantworten getraut“.
Nachhaltig könne die illegale Migration nur auf europäischer Ebene gelöst werden, ist der designierte burgenländische Landeshauptmann überzeugt. Zunächst müsse der Schutz der EU-Außengrenzen funktionieren. Frontex, die EU-Agentur für Grenzschutz, sei eine bloße Verwaltungsbehörde und ungeeignet das zu leisten. Stattdessen schlägt der frühere Verteidigungsminister den Aufbau einer eigenen europäischen Grenzschutztruppe aus polizeilichen und militärischen Kräften und mit NGO-Beteiligung vor. Asylanträge nur noch in Verfahrenszentren außerhalb Europas und Intensivierung der Rückführungen abgelehnter Asylwerber seien weitere Bedingungen, bevor über „Verteilungsfragen zu diskutieren ist“.
Bis dahin müssten die nationalen Grenzen geschützt werden – alles andere wäre ein fatales Signal an Schlepper wie die von Parndorf . Und damit werde auch den „Herren in Brüssel“ deutlich gemacht, dass es so lange nationale Grenzkontrollen gibt, „bis Europa in der Lage ist, die Außengrenzen zu schützen“.
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